Der Entscheid des Verwaltungsgerichts Zürich VB.2019.00174 vom 14. November 2019 betreffend die Auflösung des Anstellungsverhältnisses der Universität Zürich mit Iris Ritzmann lässt aufhorchen. Das Verwaltungsgericht kommt darin zum Schluss, dass die von der UZH ausgesprochene Kündigung als gänzlich unmotiviert und willkürlich erscheine, weshalb die Kündigung nichtig sei. Hat das Verwaltungsgericht Zürich damit eine neue Rechtsfolge für ungerechtfertigte Kündigungen eingeführt?
Abstract: Die Entlassung von Iris Ritzmann sei gänzlich unmotiviert und willkürlich erfolgt, weshalb sie nichtig sei, urteilt das Verwaltungsgericht Zürich. Als Folge davon ist die Arbeitnehmerin nach wie vor in ungekündigter Anstellung. Das Gericht verweist wohl auf die Evidenztheorie, lässt aber offenbar dem Unrechtsgehalt von Kündigungen bei der Beurteilung der Rechtsfolgen eine Bedeutung zukommen, die weiter geht, als sie vom Gesetzgeber angedacht war.
Der Entscheid
Nachdem die Vorinstanz, die Rekurskommission der Zürcher Hochschulen, der Arbeitnehmerin eine Entschädigung in Höhe von zwei Monatslöhnen zugesprochen hatte, weil der Rektor für die Beendigung des Anstellungsverhältnisses nicht zuständig gewesen war, die Kündigung in materieller Hinsicht aber nicht beanstandete, gelangte Iris Ritzmann an das Verwaltungsgericht und beantragte u.a., die Nichtigkeit der Kündigung festzustellen.
Das Verwaltungsgericht Zürich erwägt, dass die UZH sich bei der Kündigung im Wesentlichen auf Erkenntnisse stützte, die aus den Akten eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens gegen Iris Ritzmann wegen des Vorwurfs der Amtsgeheimnisverletzung stammten. Nach Auflösung ihres Anstellungsverhältnisses sei Iris Ritzmann vom Vorwurf der Amtsgeheimnisverletzung freigesprochen worden, da sich die in diesem Zusammenhang erhobenen Beweise in strafprozessualer Hinsicht als unverwertbar erwiesen hatten. Die flächendeckende Auswertung der Randdaten sämtlicher Angehöriger der UZH zur Eruierung der Täterschaft der Amtsgeheimnisverletzung und die anschliessende Hausdurchsuchung bei Iris Ritzmann seien auch im vorliegenden Verfahren als rechtswidrig erlangte Beweismittel zu qualifizieren. Im verwaltungsrechtlichen Verfahren ergebe sich aus dem verfassungsrechtlichen Anspruch auf ein faires Verfahren nach Art. 29 Abs. 1 BV ein grundsätzliches Verwertungsverbot für rechtswidrig erlangte Beweismittel. Dieses Verbot gelte zwar nicht absolut. Praxisgemäss bedürfe es auch im verwaltungsrechtlichen Verfahren einer Güterabwägung zwischen dem Interesse der betroffenen Person, ein rechtswidrig erlangtes Beweismittel nicht zu ihren Lasten zu verwenden, und dem öffentlichen Interesse an einer Verwendung des fraglichen Beweismittels. Dabei sei auch zu berücksichtigen, ob das Beweismittel auf rechtmässigem Weg hätte erlangt werden können. Das Verwaltungsgericht kommt zum Schluss, dass es der UZH nicht möglich gewesen wäre, die Beweismittel, welche überhaupt erst einen konkreten Verdacht gegen ihre Mitarbeiterin begründeten, rechtmässig zu beschaffen, weil ihr hierzu unter anderem die erforderlichen Rechtsgrundlagen fehlten. Ebenso wenig könne sich die Arbeitgeberin auf das Vorliegen überwiegender öffentlicher Interessen stützen. Wenn sie einer Mitarbeiterin gestützt auf rechtswidrig erlangte Beweise kündige, um hernach geltend zu machen, die rechtswidrigen Beweise müssten berücksichtigt werden, damit sie wisse, ob sie überhaupt der richtigen Mitarbeiterin gekündigt habe, unterliege sie einem Zirkelschluss, denn die genannte Unsicherheit bestünde gar nicht, wenn auf den Beizug rechtswidrig erlangter Beweismittel verzichtet worden wäre. Damit seien die Beweismittel, auf deren Grundlage die Kündigung ausgesprochen wurde, im personalrechtlichen Verfahren nicht verwertbar. Ohne die rechtswidrig erlangten Beweismittel hätte die UZH überhaupt keine Veranlassung gehabt, ein Kündigungsverfahren gegen Iris Ritzmann einzuleiten.
Das Verwaltungsgericht hielt weiter fest, dass als Rechtsfolge einer missbräuchlichen oder sachlich nicht gerechtfertigten Kündigung das Personalrecht des Kantons Zürich eine Entschädigung nach den Bestimmungen des Obligationenrechts über die missbräuchliche Kündigung vorsehe. Mit Verweis auf seine eigene Rechtsprechung hält das Verwaltungsgericht weiter fest, dass ein Anspruch auf Aufhebung der Kündigung und Wiedereinstellung ausgeschlossen sei, weshalb es nach § 63 Abs. 3 in Verbindung mit § 27 Abs. 1 VRG nur die Unrechtmässigkeit einer Kündigung feststellen und eine Entschädigung zusprechen könne. Diese Beschränkung der Entscheidungsbefugnis gelte indes von vornherein nicht, wenn sich die angefochtene Kündigungsverfügung als nichtig erweise, weil es in einem solchen Fall nicht um die Frage gehe, ob eine Kündigung ungerechtfertigt sei, sondern um die originäre Gültigkeit der Kündigung.
Ob Nichtigkeit vorliege, bestimme sich gemeinhin nach der Evidenztheorie, «es muss ein schwerwiegender Rechtsfehler vorhanden sein, der Fehler muss offenkundig oder zumindest leicht erkennbar sein, und die Annahme der Nichtigkeit darf nicht zu einer ernsthaften Gefährdung der Rechtssicherheit führen». Mit Verweis auf die Rechtsprechung fielen als Nichtigkeitsgründe namentlich schwerwiegende Zuständigkeitsfehler, schwerwiegende Verfahrens- und Formfehler sowie in seltenen Ausnahmefällen ausserordentlich schwerwiegende inhaltliche Mängel in Betracht. Vorliegend sei zu berücksichtigen, dass es den Rechtsmittelbehörden gerade verwehrt sei, die Kündigung aufzuheben. Die sehr strenge Praxis zur Nichtigkeit beruhe aber auf der Prämisse, dass fehlerhafte Verfügungen auf dem Rechtsmittelweg aufgehoben werden könnten, und lasse sich deshalb nicht unbesehen auf das kantonale Personalrecht übertragen, wo diese Möglichkeit bei einer Kündigung gerade nicht bestehe. Zu beachten sei in diesem Zusammenhang auch, dass selbst im privaten Arbeitsrecht die Verletzung bestimmter Schutzvorschriften die Nichtigkeit der Kündigung zur Folge habe (Art. 336c Abs. 1 f. OR). Umgekehrt dürfe der gesetzgeberische Wille, keinen Weiterbeschäftigungsanspruch vorzusehen, nicht über eine zu grosszügige Praxis bei der Annahme der Nichtigkeit umgangen werden. Mithin müsse die Nichtigkeit der Kündigung auf diejenigen Fälle beschränkt bleiben, in welchen die materielle Fehlerhaftigkeit der Kündigung derart schwer wiege, dass eine blosse Feststellung der Unrechtmässigkeit und die Zusprechung einer Entschädigung diesen Unrechtsgehalt nicht zu beseitigen vermöchten. Eine derart schwerwiegende materielle Fehlerhaftigkeit liege insbesondere dort vor, wo aufgrund des verwertbaren Beweisergebnisses überhaupt kein Kündigungsgrund ersichtlich sei, die Kündigung also gänzlich unmotiviert und damit willkürlich erscheine.
Ohne die rechtswidrig erlangten Beweismittel hätte die Beschwerdegegnerin deshalb überhaupt keine Veranlassung gehabt, ein Kündigungsverfahren gegen die Beschwerdeführerin einzuleiten; insofern erscheine die Kündigung als gänzlich unmotiviert und willkürlich, was zur Nichtigkeit der Kündigung führe. Diese Rechtsfolge dränge sich auch deshalb auf, weil andernfalls die rechtswidrig erlangten Beweismittel indirekt doch Berücksichtigung fänden, indem sie zur Auflösung des Anstellungsverhältnisses führten. Ein derartiges Ergebnis wäre rechtsstaatlich nicht hinnehmbar.
Würdigung
Evidenztheorie light? Wenn ein Arbeitgeber nur durch rechtswidrig erlangte Beweise überhaupt einen Grund erhält, das Arbeitsverhältnis aufzulösen, dann darf diese Kündigung vom Recht nicht geschützt werden. Soweit so klar. Etwas mehr Denkarbeit erfordert, nachzuvollziehen, weshalb eine solche Kündigung nichtig, mit anderen Worten inexistent, sein soll. In diesem Zusammenhang interessiert die Frage, welche Bedeutung das Verwaltungsgericht der von ihr zitierten Evidenztheorie zukommen lässt, welche die Hürden für die Annahme einer Nichtigkeit mit guten Gründen hoch ansetzt. Das Verwaltungsgericht scheint diese zwar vorliegend für anwendbar zu erachten. Gleichzeitig räumt es ein, die Rechtsprechung hierzu könne deshalb nicht unbesehen auf das kantonale Personalrecht angewandt werden, weil das kantonale Personalrecht eine Aufhebung von Kündigungen gerade nicht vorsieht. Dieser explizite gesetzgeberische Wille könnte an sich auch ein guter Grund dafür sein, die hohen Hürden gerade zu belassen. Weil der Gesetzgeber explizit die Möglichkeit der Weiterbeschäftigung als Rechtsfolge ausschliessen wollte, darf das Gericht diese nicht qua Rechtsprechung über das Institut der Nichtigkeit einführen. Das Verwaltungsgericht nimmt hier aber eine andere Haltung ein. Zwar soll die Nichtigkeit der Kündigung auf diejenigen Fälle beschränkt bleiben, «in welchen die materielle Fehlerhaftigkeit der Kündigung derart schwer wiegt, dass eine blosse Feststellung der Unrechtmässigkeit und die Zusprechung einer Entschädigung diesen Unrechtsgehalt nicht zu beseitigen vermöchten», es lässt sie und damit die Weiterbeschäftigung aber zu. Damit tritt zum Prüfprogramm im Rahmen der Evidenztheorie ein weiterer Aspekt hinzu, es wird der Unrechtsgehalt der betreffenden Kündigung analysiert. Das ist nicht völlig unproblematisch. Tatsächlich sind vorliegend streng genommen nicht alle Voraussetzungen der Evidenztheorie erfüllt. Der Mangel ist nicht für jeden Laien leicht erkennbar und bezüglich der geforderten Interessenabwägung liesse sich auch das gegenteilige Ergebnis vertreten. Das Verwaltungsgericht scheint hier einen weniger strengen Massstab anzulegen. Dafür aber ist der Unrechtsgehalt der Kündigung von Bedeutung.
Richterliche Antwort auf unzureichendes Rechtsfolgenregime. Das kantonale Personalrecht verweist für die Rechtsfolgen bei einer ungerechtfertigten Entlassung auf die entsprechenden Bestimmungen des privaten Arbeitsrechts, namentlich Art. 336a OR. Immer wieder werden Stimmen laut, wonach das Rechtsfolgeregime bei ungerechtfertigten Kündigungen zu kurz greifen würde, weil insbesondere die Limitierung der Entschädigung auf maximal sechs Monatslöhne in Fällen krasser Missbräuchlichkeit unzureichend sei (vgl. z.B. Teilrevision des Obligationenrechtes [Sanktionen bei missbräuchlicher oder ungerechtfertigter Kündigung] Erläuternder Bericht und Vorentwurf, September 2010). Die Erwägungen des Verwaltungsgerichts im Entscheid unterstreichen diese vielseits monierte Unzulänglichkeit des Gesetzes. Für den Einzelfall Ritzmann mag dies eine gerechte Lösung sein. Die Frage ist indes, ob damit ein besonders krasser Fall von Missbräuchlichkeit vorlag, oder ob sich das Verwaltungsgericht auf dem Weg zu einer neuen Praxis bei der Beurteilung der Missbräuchlichkeit befindet, weil die Rechtsfolgen den Unrechtsgehalt oftmals nicht auszugleichen vermögen.
Bereits im Entscheid VB. 2017.00444 vom 13. Juni 2018 hat das Verwaltungsgericht eine Kündigung für nichtig erklärt, weil sich das Vorgehen der Arbeitgeberin als krass missbräuchlich und widersprüchlich erwiesen hatte. Der (sehr verkürzte) Sachverhalt war folgender: Die Arbeitgeberin hatte der Arbeitnehmerin mit Verweis auf ein seit längerem zerrüttetes Vertrauensverhältnis gekündigt, als Reaktion auf die Weigerung der Arbeitnehmerin einer Auflösung des Anstellungsverhältnisses in gegenseitigem Einvernehmen zuzustimmen. Dieses unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben krass widersprüchliche Verhalten der Arbeitgeberin erschien nach Ansicht des Verwaltungsgerichts umso gravierender, «wenn man es der Dauer der Anstellung der Beschwerdeführerin und den von ihr während dieser Zeit erbrachten Leistungen sowie dem gezeigten Verhalten» gegenüberstelle. Weil die Arbeitgeberin nicht nur das rechtliche Gehör und das Gebot von Treu und Glauben verletzt, sondern darüber hinaus auch unzulässigen Druck ausgeübt und somit ohne jeden Grund gekündigt habe, beruhe die Kündigung auf derart schwerwiegenden und offensichtlichen Mängeln, dass auf deren Nichtigkeit zu schliessen sei (Erw. 5.2).
Ausblick. Falls es – wie es den Anschein macht – zu einer Verschärfung der Praxis kommt, wird der Frage grosse Aufmerksamkeit zu schenken sein, welche Konturen dem schwerwiegenden (inhaltlichen) Mangel zukommen werden. Rechtfertigen eine Kündigung wegen rechtswidrig erlangter Beweise und eine Kündigung ohne jeden Grund wirklich eine rechtlich andere Behandlung? Lässt sich der Unrechtsgehalt von nicht gerechtfertigten bzw. missbräuchlichen Kündigungen wirklich derart in zwei Kategorien einteilen, dass die Kündigung entweder missbräuchlich ist mit den Rechtsfolgen nach Art. 336a OR oder dann gleich inexistent, wenn sie besonders missbräuchlich ist? Wo wird das Verwaltungsgericht hier die Linie ziehen und wird dies zu einer insgesamt fairen, weil rechtsgleichen Behandlung von Fällen führen?
Paradoxerweise beraubt sich das Verwaltungsgericht durch die Annahme der Nichtigkeit eines entscheidenden Instruments zur Verwirklichung der Einzelfallgerechtigkeit, nämlich des Ermessens. Art. 336a OR ist geprägt vom Bestreben nach Einzelfallgerechtigkeit, indem der Richterin ein grosses – und von der Praxis immer wieder bestätigtes – Ermessen bei der Festsetzung der Entschädigungshöhe zukommt. Bei der Feststellung der Nichtigkeit kann dieses Ermessen nicht mehr ausgeübt werden, die Höhe der «Entschädigung» hängt dann davon ab, wie weit der Zeitpunkt der nichtigen Kündigung zurückliegt, was mit dem Unrechtsgehalt nichts zu tun hat.