Einstellung im Amt als vorsorgliche Massnahme

In ei­nem neu­en Ent­scheid setz­te sich das Ver­wal­tungs­ge­richt Zü­rich ver­tieft mit der Ein­stel­lung im Amt aus­ein­an­der. Ei­ne Ein­stel­lung im Amt ist der Ver­zicht auf die Ar­beits­leis­tung bei wei­ter­hin be­stehen­der (i.d.R. vol­ler) Be­sol­dung und ist je­der­zeit mög­lich, un­ter an­de­rem wenn zwin­gen­de öf­fent­li­che In­ter­es­sen oder ei­ne Ad­mi­nis­tra­tiv­un­ter­su­chung dies er­for­dern. Im Rah­men der Für­sor­ge­pflicht muss die Ar­beit­ge­be­rin die be­rech­tig­ten In­ter­es­sen der an­ge­stell­ten Per­son be­rück­sich­ti­gen und darf ei­ne Ein­stel­lung im Amt nur an­ord­nen, wenn das öf­fent­li­che In­ter­es­se an der vor­über­ge­hen­den Ent­fer­nung der Be­trof­fe­nen vom Ar­beits­platz die ent­ge­gen­ste­hen­den pri­va­ten In­ter­es­sen über­wiegt. Zu­dem muss die mit der Ein­stel­lung im Amt ver­bun­de­ne Aus­sen­wir­kung und die da­mit ein­her­ge­hen­de Ge­fahr ei­ner öf­fent­li­chen Vor­ver­ur­tei­lung be­ach­tet werden.

Abs­tract: An­ge­stell­te kön­nen grund­sätz­lich je­der­zeit vor­sorg­lich im Amt ein­ge­stellt wer­den, wenn ge­nü­gen­de Hin­wei­se auf das Vor­lie­gen ei­nes wich­ti­gen Grun­des zur Auf­lö­sung des Ar­beits­ver­hält­nis­ses be­stehen, we­gen ei­nes Ver­bre­chens oder Ver­ge­hens ein Straf­ver­fah­ren ein­ge­lei­tet wor­den ist, oder zwin­gen­de öf­fent­li­che In­ter­es­sen oder ei­ne Ad­mi­nis­tra­tiv­un­ter­su­chung dies er­for­dern. Die zur Ein­stel­lung im Amt füh­ren­den Grün­de müs­sen al­ler­dings aus­rei­chend be­legt und mil­de­re Mass­nah­men aus­ge­schlos­sen wer­den kön­nen, an­sons­ten die Ein­stel­lung im Amt rechts­wid­rig ist.

Der Entscheid

Dem Ent­scheid des Ver­wal­tungs­ge­richts Zü­rich (VB.2023.00386) vom 9. No­vem­ber 2023 lag im We­sent­li­chen fol­gen­der Sach­ver­halt zu­grun­de: Die Rek­to­rin (Be­schwer­de­füh­re­rin) der Tech­ni­schen Be­rufs­schu­le Zü­rich (TBZ) wur­de ab Som­mer 2021 von Per­so­nal­ver­bän­den und Ein­zel­per­so­nen für zahl­rei­che Miss­stän­de an der TBZ ver­ant­wort­lich ge­macht. Ver­schie­de­ne Ge­sprä­che und ei­ne durch­ge­führ­te Me­dia­ti­on führ­ten zu kei­ner Be­ru­hi­gung der Si­tua­ti­on. Meh­re­re Be­schwer­den gin­gen beim Mit­tel­schul- und Be­rufs­bil­dungs­amt (MBA) und bei der Bil­dungs­di­rek­ti­on ein.

Auch der Om­buds­mann wur­de eingeschaltet.

Rund 70 Lehr­per­so­nen der TBZ wand­ten sich aus­ser­dem an den Om­buds­mann des Kan­tons Zü­rich, wel­cher wie­der­um die Vor­ste­he­rin der Bil­dungs­di­rek­ti­on in­for­mier­te. Am 31. März 2023 wur­de schliess­lich ei­ne Ad­mi­nis­tra­tiv­un­ter­su­chung in Auf­trag ge­ge­ben und mit Be­schluss vom 31. Mai 2023 wur­de die Rek­to­rin im Amt eingestellt.

Ge­gen die­sen Be­schluss er­hob die Rek­to­rin Be­schwer­de beim Ver­wal­tungs­ge­richt und be­an­trag­te haupt­säch­lich ih­re Wie­der­ein­set­zung als Rek­to­rin. Al­ter­na­tiv be­an­trag­te sie die Fest­stel­lung der Rechts­wid­rig­keit und die Zu­spra­che ei­ner Ent­schä­di­gung von sechs Monatslöhnen.

Schutzwürdiges Interesse bejaht

Da nur zur Be­schwer­de be­rech­tigt ist, wer ein schutz­wür­di­ges In­ter­es­se an der Auf­he­bung oder Än­de­rung der An­ord­nung hat, prüf­te das Ver­wal­tungs­ge­richt, be­vor es auf die Be­schwer­de ein­trat, ob ein sol­ches an der Klä­rung der Fra­ge, ob die Frei­stel­lung oder Ein­stel­lung im Amt recht­mäs­sig wa­ren oder nicht, be­jaht wer­den kann. Dies sei der Fall, wenn die An­ge­stell­te ein spe­zi­fi­sches In­ter­es­se dar­an ha­be, ih­re be­ruf­li­che Tä­tig­keit wei­ter­hin aus­üben zu kön­nen, oder wenn die Ein­stel­lung im Amt ei­ne Per­sön­lich­keits­ver­let­zung be­wir­ken kön­ne. Dies sei ins­be­son­de­re der Fall, wenn das be­ruf­li­che oder per­sön­li­che Um­feld der Be­trof­fe­nen aus den Um­stän­den schlies­sen kön­ne, der An­ge­stell­ten wer­de ein straf­ba­res Ver­hal­ten oder an­der­wei­ti­ge gro­be Pflicht­ver­let­zun­gen vor­ge­wor­fen (vgl. auch den Blog­bei­trag Frei­stel­lung als Ver­let­zung der Per­sön­lich­keit). Das Ver­wal­tungs­ge­richt be­jah­te das schutz­wür­di­ge In­ter­es­se auf­grund der ex­po­nier­ten Po­si­ti­on der Rek­to­rin und weil der Kon­flikt an der TBZ wie­der­holt in den Me­di­en the­ma­ti­siert wor­den war.

Ma­te­ri­ell prüf­te das Ver­wal­tungs­ge­richt, ob die Ein­stel­lung im Amt rechts­wid­rig und des­halb auf­zu­he­ben sei (sie­he auch «Ge­dan­ken zum Ent­scheid»). Bei der Prü­fung stell­te das Ver­wal­tungs­ge­richt zwei schwer­wie­gen­de Män­gel fest.

1. Man­gel: Un­zu­rei­chen­de Ak­ten­la­ge. Ge­mäss Ver­wal­tungs­ge­richt lag dem Re­gie­rungs­rat ein un­voll­stän­di­ges Ak­ten­dos­sier vor, wel­ches nicht sämt­li­che ent­scheid­we­sent­li­chen Ak­ten­stü­cke ent­hielt. Ge­mäss Ver­wal­tungs­ge­richt er­gab sich der im an­ge­foch­te­nen Be­schluss ge­schil­der­te Sach­ver­halt gar nicht aus den vor­ge­leg­ten Ak­ten­stü­cken. Dies al­lei­ne hät­te ge­mäss Ver­wal­tungs­ge­richt ge­nügt, den an­ge­foch­te­nen Be­schluss aufzuheben.

2. Man­gel: Vor­ver­ur­tei­lung der Rek­to­rin ba­sie­rend auf Ver­mu­tun­gen. Die Ein­stel­lung im Amt wur­de im We­sent­li­chen mit dem be­stehen­den Kon­flikt an der TBZ so­wie der (da­mals) lau­fen­den Ad­mi­nis­tra­tiv­un­ter­su­chung be­grün­det. Ge­mäss Ver­wal­tungs­ge­richt nahm der Re­gie­rungs­rat ei­ne Vor­ver­ur­tei­lung der Rek­to­rin in Kauf, in­dem er die­se im Amt ein­stell­te, ähn­li­che per­so­nal­recht­li­che Mass­nah­men ge­gen­über wei­te­ren am Kon­flikt be­tei­lig­ten Per­so­nen hin­ge­gen nicht er­sicht­lich wa­ren. Eben­so wur­den kei­ne mil­de­ren Mit­tel ernst­haft ge­prüft. Wei­ter führ­te das Ver­wal­tungs­ge­richt aus, dass im vor­lie­gen­den Fall die Ein­stel­lung im Amt mit der Be­grün­dung er­folg­te, dass zwin­gen­de öf­fent­li­che In­ter­es­sen oder ei­ne Ad­mi­nis­tra­tiv­un­ter­su­chung dies er­for­dern wür­den (§ 29 Abs. 1 lit. c PG). Die Be­ru­fung auf «zwin­gen­des öf­fent­li­ches In­ter­es­se» wur­de vom Ver­wal­tungs­ge­richt nicht ge­schützt und es kri­ti­sier­te, dass die Rek­to­rin le­dig­lich auf­grund un­ge­prüf­ter Vor­wür­fe und ei­ner Me­di­en­be­richt­erstat­tung als Haupt­ver­ant­wort­li­che des Kon­flikts aus­ge­macht wurde.

In die­sem Zu­sam­men­hang kri­ti­sier­te das Ver­wal­tungs­ge­richt auch die Ak­ti­vi­tä­ten des MBA. Es hielt fest, dass das MBA, in­dem es das ste­ti­ge Her­an­tra­gen von Kri­tik an der Schul­lei­tung nicht um­ge­hend un­ter­band und die frag­li­chen Per­so­nen an die Schul­kom­mis­si­on ver­wies, mass­geb­lich zur Es­ka­la­ti­on des Kon­flikts bei­trug. Da­mit un­ter­grub es, ge­mäss Ver­wal­tungs­ge­richt, ins­be­son­de­re die Füh­rungs­au­tori­tät von Schul­kom­mis­si­on und Schul­lei­tung, weil ge­gen­über den auf­be­geh­ren­den Lehr­per­so­nen der Ein­druck er­weckt wur­de, man kön­ne über das MBA auf Schul­kom­mis­si­on und Schul­lei­tung ein­wir­ken, wenn nicht so­gar de­ren Ab­set­zung er­wir­ken. Dies, ob­wohl das MBA dies­be­züg­lich we­der An­stel­lungs­be­hör­de sei noch auf­sichts­recht­li­che Kom­pe­ten­zen ge­gen­über Schul­kom­mis­si­on und Schul­lei­tung habe.

Gedanken zum Entscheid

In der Sum­me über­zeugt die Fest­stel­lung der Rechts­wid­rig­keit. Ins­be­son­de­re die man­gel­haf­te Ak­ten­la­ge ist ei­ni­ger­mas­sen über­ra­schend und hät­te in die­ser Form nicht vor­kom­men dür­fen (be­zie­hungs­wei­se gibt es da­für kei­ne nach­voll­zieh­ba­re Begründung).

Grund­sätz­lich gilt, dass wenn das Ver­wal­tungs­ge­richt ei­ne Kün­di­gung, ei­ne Ein­stel­lung im Amt oder ei­ne vor­zei­ti­ge Ent­las­sung für nicht ge­recht­fer­tigt hält, es dies fest­stellt und von Am­tes we­gen die Ent­schä­di­gung be­stimmt (Fest­stel­lungs­ent­scheid + Ent­schä­di­gung). Ei­ne Auf­he­bung der Ein­stel­lung ist grund­sätz­lich nicht vor­ge­se­hen. Im vor­lie­gen­den Fall hat aber das Ver­wal­tungs­ge­richt ge­nau dies ge­macht, und zwar mit der Be­grün­dung, dass die Ein­stel­lung im Amt vor­lie­gend nicht im Zu­sam­men­hang mit ei­ner (be­ab­sich­tig­ten) Be­en­di­gung des Ar­beits­ver­hält­nis­ses ste­he und ei­ne Wei­ter­be­schäf­ti­gung nicht in Fra­ge ge­stellt sei. Es wich da­mit vom Re­gel­fall ab, dass in sol­chen Kon­stel­la­tio­nen ei­ne Auf­he­bung der an­ge­foch­te­nen An­ord­nung und da­mit ei­ne Wei­ter­be­schäf­ti­gung der Ar­beit­neh­me­rin nicht als sinn­voll er­ach­tet wird. Die­se ab­wei­chen­de Hal­tung des Ver­wal­tungs­ge­richts über­zeugt bei nä­he­rer Be­trach­tung nicht.

Die Wei­ter­be­schäf­ti­gung ist bei ei­ner Ein­stel­lung im Amt im­mer in Fra­ge gestellt.

Auch wenn noch kei­ne of­fi­zi­el­len Schrit­te in die­se Rich­tung von Sei­ten der An­stel­lungs­in­stanz er­folgt sind, so muss doch stark ver­mu­tet wer­den, dass ei­ne Wei­ter­be­schäf­ti­gung bei ei­ner Ein­stel­lung im Amt im­mer in Fra­ge ge­stellt ist. Ins­be­son­de­re auch des­halb, weil sich der Re­gie­rungs­rat ei­ne Rück­for­de­rung des Loh­nes vor­be­hielt, bis über die Fort­set­zung des Ar­beits­ver­hält­nis­ses ent­schie­den wer­de. Aus­ser­dem trägt es in der mo­men­ta­nen Si­tua­ti­on nicht zur Be­ru­hi­gung des Kon­flik­tes bei, wenn die Rek­to­rin per so­fort wie­der ih­re an­ge­stamm­te Stel­le ein­zu­neh­men hat (Ar­ti­kel in der NZZ vom 30. No­vem­ber 2023). Es wä­re durch­aus denk­bar, dass die Rek­to­rin ih­re Stel­le wie­der an­tritt, nur um fest­zu­stel­len, dass ihr – je nach Er­geb­nis der wei­te­ren Un­ter­su­chun­gen – auf den nächst­mög­li­chen Ter­min ge­kün­digt wird. Es muss al­ler­dings auch fest­ge­hal­ten wer­den, dass vom Ver­wal­tungs­ge­richt ei­ne be­reits ge­schaf­fe­ne Aus­gangs­la­ge zu be­ur­tei­len war. Dass die­se nicht be­son­ders op­ti­mal war, wur­de be­reits wei­ter oben dargelegt.

Über den Autor/die Autorin

Michael Oberdorfer

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