In VB.2023.00224 hatte das Verwaltungsgericht in einer personalrechtlichen Angelegenheit unter anderem zu beurteilen, ob bei einem Neubeurteilungsverfahren gemäss Gemeindegesetz die aufschiebende Wirkung entzogen werden kann. Es kam zum Schluss, dass das Gemeindegesetz eine lex specialis enthalte, die einem Entzug der aufschiebenden Wirkung entgegenstehe, weshalb die Kündigungsfrist nach Eröffnung des Neubeurteilungsentscheids neu zu laufen beginne.
Abstract: Delegiert eine kommunale Behörde die Anstellungs- und Kündigungskompetenz, so steht gegen den Kündigungsentscheid das Rechtsmittel der Neubeurteilung zur Verfügung. Diesem Rechtsmittel kommt aufschiebende Wirkung zu, die nicht entzogen werden darf, was – anders als beim Rekursverfahren – zu einer Verlängerung der Kündigungsfrist führt.
Der Entscheid
Das Departement Bau und Mobilität der Stadt Winterthur löste das Anstellungsverhältnis mit einem städtischen Angestellten aufgrund mangelhaften Verhaltens auf und entzog einem allfälligen Gesuch um Neubeurteilung die aufschiebende Wirkung. Der betroffene Angestellte verlangte Neubeurteilung und erhob dagegen anschliessend Rekurs, welchen er seinerseits anschliessend ans Verwaltungsgericht weiterzog.
Mit der Totalrevision des Gemeindegesetzes (GG) wurde die Möglichkeit, Entscheidungskompetenzen an untergeordnete Instanzen bzw. an Verwaltungsangestellte zu delegieren, erweitert, und korrelierend dazu das Rechtsmittel der «Neubeurteilung» geschaffen. Erlässt nun also eine untergeordnete Behördeninstanz aufgrund delegierter Kompetenzen eine Verfügung, kann innert 30 Tagen eine Neubeurteilung durch die übergeordnete Verwaltungsbehörde verlangt werden. Diese beurteilt dann mit voller Kognition und basierend auf den Sachumständen im Zeitpunkt der Ausgangsverfügung, ob der Entscheid rechtmässig ausgefallen ist.
Das Verfahren ist an das Einspracheverfahren angelehnt, unterscheidet sich von diesem aber dadurch, dass nicht die verfügende Stelle, sondern eine dieser übergeordneten Behörde die Neubeurteilung vornimmt. Dem Lauf der Einsprachefrist und der Einreichung der Einsprache kommt gemäss § 10b Abs. 2 Verwaltungsrechtspflegegesetz (VRG) aufschiebende Wirkung zu, ohne dass die Möglichkeit besteht, diese zu entziehen.
Auch dem Lauf der Frist und der Einreichung des Begehrens um Neubeurteilung kommt aufschiebende Wirkung zu. So ist es in § 171 Abs. 2 GG festgehalten. Eine Ausnahme davon ist im Gemeindegesetz nicht vorgesehen. In der Lehre wird teilweise die Auffassung vertreten, dass die aufschiebende Wirkung gestützt auf § 4 i.V.m. § 25 Abs. 3 VRG dennoch entzogen werden könne.
So ähnlich sah es auch die Rekursinstanz in diesem Fall, die § 25 Abs. 1 lit. a VRG, wonach bei einer Kündigung im Rekursverfahren keine aufschiebende Wirkung bestehe, auch auf die Neubeurteilung anwandte.
Das Verwaltungsgericht kam indes zu einem anderen Schluss: Zwar würden die Bestimmungen des zweiten Abschnitts des Verwaltungsrechtspflegegesetzes nach § 4 VRG unter anderem für das Verfahren vor den Verwaltungsbehörden der Gemeinden gelten, soweit nicht abweichende Vorschriften bestünden. Die Frage der aufschiebenden Wirkung sei in § 171 Abs. 2 GG jedoch spezialgesetzlich geregelt, womit eine abweichende Vorschrift bestehe, welche die Anwendbarkeit von § 25 VRG nach klarem Wortlaut von § 4 VRG und § 171 Abs. 2 GG ausschliesse. Auch bestehe keine Gesetzeslücke, die es zu schliessen gelte, denn aus den Materialien zur Gesetzgebung ergebe sich, dass sich das Verfahren an das Einspracheverfahren anlehne, welches seinerseits keine Möglichkeit vorsehe, die aufschiebende Wirkung zu entziehen. Im vorliegenden Fall wurde das Anstellungsverhältnis am 22. März 2021 per Ende Juni 2021 aufgelöst. Der Neubeurteilungsentscheid erfolgte am 25. August 2021 und wurde dem städtischen Angestellten am 1. September 2021 zugestellt. Entsprechend lief die neue Kündigungsfrist erst am 31. Dezember 2021 ab. Damit dauerte das Anstellungsverhältnis insgesamt ein halbes Jahr länger als beabsichtigt.
Würdigung und Konsequenz
Das Verwaltungsgericht hat in seinem Entscheid die kontrovers diskutierte Frage geklärt, ob in einem Verfahren auf Neubeurteilung die aufschiebende Wirkung entzogen werden kann. Die Antwort liest es aus dem Gemeindegesetz und lautet Nein, was bei einer Kündigung bedeutet, dass die Kündigungsfrist – sofern eine Neubeurteilung verlangt wurde –nach der Zustellung des Neubeurteilungsentscheids neu zu laufen beginnt.
Für den Angestellten bietet diese Ausgangslage eine einfache Möglichkeit, die Kündigungsfrist bzw. das Anstellungsverhältnis zu verlängern: verlangt er am 30. Tag nach Erhalt der Auflösungsverfügung eine Neubeurteilung, hat er bereits einen Monat gewonnen. Je nach dem, wann die für die Neubeurteilung zuständige Behörde ihren Entscheid fällt, kommen unter Umständen – so wie im vorliegenden Fall – nochmals mehrere Monate hinzu.
Dem öffentlich-rechtlichen Arbeitgeber stellt sich deshalb die Frage, ob es unter diesem Gesichtspunkt Sinn macht, die Kompetenzen der Anstellungsinstanz zu delegieren. Entscheidet die Neubeurteilungsinstanz nicht innert äusserst kurzer Frist – und selbst dann -, bedeutet dies gerade bei Kündigungen aufgrund mangelhafter Leistung oder unbefriedigenden Verhaltens, dass ein Arbeitsverhältnis, welches nicht mehr im öffentlichen Interesse liegt, mitunter unangemessen lange fortgeführt wird. Jedenfalls gilt es die aufschiebende Wirkung bei Kündigungen fortan im Auge zu behalten. Und zu bedenken ist: Die Neubeurteilung ist insofern ein fakultatives Rechtsmittel, als die kommunale Arbeitgeberin zur Delegation von Aufgaben nicht verpflichtet ist. Delegiert sie die Anstellung und Kündigung nicht, so ist die Kündigungsverfügung unmittelbar mit Rekurs anzufechten. Diesem kommt keine aufschiebende Wirkung zu, weshalb sich keine Verlängerung der Kündigungsfrist ergibt.
Materielles
Im Übrigen liest sich der Entscheid auch in materieller Hinsicht spannend, denn er äussert sich zusammenfassend zum Erfordernis des sachlich zureichenden Kündigungsgrunds, insbesondere zur Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts zum Kündigungsgrund des unbefriedigenden Verhaltens. Ein solches liege etwa vor, wenn das Verhalten der arbeitnehmenden Person zu einer Störung der Arbeitsgemeinschaft oder des Betriebsablaufs führe, wenn sich diese nicht in den Betrieb einordnen könne oder ihr der Wille zur vertrauensvollen Zusammenarbeit fehle.
Im zu beurteilenden Fall hatte sich der Arbeitnehmer wiederholt in Ton und Wortwahl seinen Arbeitskollegen gegenüber vergriffen. Trotz wiederholter Ermahnung und einer Bewährungsfrist bezeichnete er einen Arbeitskollegen als «Lutscher». Er schlug diesem vor, die Angelegenheit nach der Arbeit zu klären und unterstellte ihm und anderen, sie seien alkoholabhängig und konsumierten Drogen. Dieses Verhalten wurde als mangelhaft qualifiziert, weshalb die Kündigung vom Verwaltungsgericht als rechtmässig beurteilt wurde. Die Erklärung des Arbeitnehmers, ein «Lutscher» sei ein Bonbon mit Stil und keine Beleidigung, überzeugte das Verwaltungsgericht (wohl zu Recht) nicht.