Bereits im ersten Teil unserer Behördenserie haben wir festgestellt, dass es fundamentale Unterschiede zwischen dem Rechtsverhältnis eines Behördenmitglieds zur Gemeinde einerseits und zwischen dem Rechtsverhältnis des Gemeindepersonals zur Gemeinde anderseits gibt. Im zweiten Teil soll dieses Verhältnis zwischen Behördenmitglied und Gemeinde näher beleuchtet und insbesondere die Frage beantwortet werden, ob das kommunale bzw. kantonale Personalrecht jeweils anwendbar ist, sprich, ob die Gleichung «Behördenmitglied = Gemeindepersonal» trotz der festgestellten Unterschiede stimmt.
Abstract: Behördenmitglieder sind keine «normalen» Angestellten. Die Kantone gewähren den Gemeinden aufgrund der Gemeindeautonomie grosse Freiheiten, was die Regelung des Rechtsverhältnisses zwischen Behördenmitglied und der Gemeinde betrifft. Je nach Regelung oder Verweis in den kommunalen Rechtsnormen, kann das kommunale oder kantonale Personalrecht trotzdem in Gänze oder teilweise zur Anwendung kommen. Ohne solche Regelung ist nicht abschliessend geklärt, welche Rechtsnormen zur Anwendung gelangen. Im Kanton Zürich hat das Verwaltungsgericht eine nachvollziehbare Praxis entwickelt.
Regelungsmöglichkeit
Die kantonalen Gesetzgebungen der Kantone Aargau, Bern, Luzern und Zürich sehen vor, dass sich die Gemeinden autonom ordnen und verwalten. Es wäre den Gemeinden – nicht zuletzt aufgrund der Gemeindeautonomie – somit freigestellt, das Rechtsverhältnis zwischen den Behördenmitgliedern und der Gemeinde selbst zu regeln. Dies wäre insbesondere deshalb ratsam, weil dadurch viele Fragen gar nicht erst entstehen würden. So regelt beispielsweise die Stadt Zürich in Art. 1 Abs. 4 der städtischen Personalverordnung, dass das Personalrecht für die Mitglieder des Stadtrats sinngemäss gilt, soweit nicht besondere Bestimmungen bestehen.
Es ist kompliziert…
Obwohl sich die Kantone Zürich, Aargau, Bern und Luzern geographisch sehr nahe liegen, gibt es hinsichtlich des Rechtsverhältnisses zwischen Behördenmitgliedern und Gemeinden gewisse Unterschiede. Allen Kantonen gemein ist, dass es auf Kantonsebene keine einheitliche und abschliessende Regelung gibt, was wie bereits erwähnt der Gemeindeautonomie geschuldet ist, welche in der Bundesverfassung und den einzelnen Kantonsverfassungen statuiert wird. Die Kantone wollen den Gemeinden nicht zu viele Vorgaben machen, wie sie ihre Behörden zu organisieren haben, und welchen Rechtsnormen die Behördenmitglieder unterstehen.
Aargau. Im Personalgesetz des Kantons Aargau findet sich keine Bestimmung, gemäss der die Behördenmitglieder der Gemeinden dem kantonalen Personalrecht unterstehen würden. Gemäss § 50 des Aargauer Gemeindegesetzes können die Gemeinden ein Dienst- und Besoldungsreglement für das Gemeindepersonal erlassen. Fehlt ein solches oder enthält es Lücken, gelten sinngemäss die entsprechenden Bestimmungen des kantonalen Personalrechts. Da es sich bei den Behördenmitgliedern aber nicht um Gemeindepersonal handelt, ist nicht geklärt, welche Rechtsnormen zur Anwendung gelangen. So hat denn auch das Departement des Innern des Kantons Aargau in einem Entscheid vom 24. April 2003 festgehalten, dass die Abwahl (nicht aber das Ausscheiden aus dem Amt) eines Schulpflegepräsidenten durch die übrigen Schulpflegemitglieder keine anfechtbare Verfügung sei und dagegen nur mittels Aufsichtsbeschwerde vorgegangen werden könne. Dieser Entscheid bedeutet, dass die kantonale Verwaltung nicht von «normalen» Arbeitsverhältnissen ausgeht.
Bern. Im Personalgesetz des Kantons Bern findet sich keine Bestimmung, gemäss der die Behördenmitglieder der Gemeinden dem kantonalen Personalrecht unterstehen würden. Gemäss Art. 31 des Berner Gemeindegesetzes gehören zum Gemeindepersonal alle Personen, die im Rahmen eines Dienstverhältnisses für eine Gemeinde tätig sind und gemäss Art. 32 des Berner Gemeindegesetzes gilt für das Gemeindepersonal sinngemäss das kantonale öffentliche Dienstrecht, soweit die Gemeinden keine eigenen Regelungen vorsehen. Auch im Kanton Bern ist somit nicht geklärt, welche Rechtsnormen zur Anwendung gelangen, da Behördenmitglieder wohl eher nicht (oder nicht nur) im Rahmen eines Dienstverhältnisses für eine Gemeinde tätig sind. Mindestens in kleineren Gemeinden sind die Mitglieder des Gemeinderates tendenziell im Nebenamt tätig und damit in aller Regel nicht dem kommunalen und infolgedessen auch nicht ergänzend dem kantonalen Personalrecht unterstellt.
Luzern. Im Kanton Luzern wird das Verhältnis zwischen Behördenmitglieder und Gemeinde in der kantonalen Gesetzgebung nicht explizit geregelt. Aufgrund eines Absatzes im Geltungsbereich (§ 1 Abs. 5) des Luzerner Personalgesetzes ergibt sich aber, dass das Personalgesetz des Kantons Luzern grundsätzlich auch für die oberste Verwaltungsbehörde der Gemeinde (sprich Gemeinderat) anwendbar ist. Darin heisst es, dass ein bestimmter Paragraf für die Mitgliederinnen des Gemeinderats nicht gilt, womit indirekt gesagt wird, dass der Rest für die Gemeinderatsmitglieder gilt. Selbstverständlich aber nur dann, wenn die Gemeinden selbst keine entsprechenden Regelungen erlassen.
Zürich. Im Personalgesetz des Kantons Zürich findet sich keine Bestimmung, gemäss der die Behördenmitglieder der Gemeinden dem kantonalen Personalrecht unterstehen würden. Und auch im Zürcher Gemeindegesetz findet sich keine entsprechende Bestimmung, da mit den «Angestellten von Gemeinden» gemäss § 53 des Zürcher Gemeindegesetzes Behördenmitglieder nicht mitgemeint sind. Das kantonale Personalrecht gelangt somit nicht per se subsidiär zur Anwendung, wenn die Gemeinden keine eigenen Regelungen erlassen haben. Gemäss Verwaltungsgericht hängt es von den Umständen des konkreten Falls ab, ob dem Mitglied einer Behörde personalrechtliche Ansprüche zustehen. Dies ist nach der Praxis dann der Fall, wenn entweder die personalrechtlichen Bestimmungen aufgrund entsprechender Bestimmungen auch für Behördenmitglieder anwendbar sind oder mit der Behördentätigkeit Arbeitsleistungen verbunden sind, die üblicherweise im Rahmen eines Anstellungsverhältnisses erbracht werden (VB.2017.00168, E. 3.3).
Zwischenfazit. Aufgrund der obenstehenden Ausführungen kann festgehalten werden, dass die Gleichung «Behördenmitglied = Gemeindepersonal» nicht stimmt. Behördenmitglieder sind keine «normalen» Angestellten. Aber:
Behördenmitglieder stehen in einer Art öffentlich-rechtlichen Arbeitsverhältnisses, welches einem Angestelltenverhältnis ähnlich ist.
Praxislösung bei fehlenden Regeln
Die Unterscheidung, die im Kanton Zürich vom Verwaltungsgericht vorgenommen wird, ist zwar auf den ersten Blick etwas kompliziert, wird aber (wenn explizite Regelungen fehlen) der speziellen Stellung von Behördenmitgliedern durchaus gerecht und könnte auch in anderen Kantonen zur Anwendung gelangen. Die nachfolgende Kurzdarstellung vergangener Entscheide des Verwaltungsgerichts Zürich ist deshalb besonders interessant:
- Fall 1: Bei einer Verwalterin einer Fürsorgebehörde, welche diese Tätigkeit mit einem Pensum von rund 50 % ausübte, kam das Verwaltungsgericht zum Schluss, es liege zwar kein öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis vor, die Behördentätigkeit komme in wirtschaftlicher Hinsicht aber einer Teilzeitstelle gleich; die fehlende Regelung einer Lohnfortzahlung im Krankheitsfall stelle eine Lücke dar, welche durch Rückgriff auf die Regelung des kantonalen Personalrechts zu schliessen sei (PB.1999.00023, E. 2).
- Fall 2: Mitgliedern von Bezirksschulpflegen, deren Funktion während laufender Amtsdauer aufgehoben wurde, sprach das Verwaltungsgericht gestützt auf § 26 des Zürcher Personalgesetzes eine Abfindung zu, weil das Personalgesetz für diese Behördenmitglieder durch den Verordnungsgeber ausdrücklich als anwendbar erklärt worden war (PB.2008.00042, E. 4).
- Fall 3: Bei einem Mitglied einer Primarschulpflege, welches eine Abfindung verlangt hatte, kam das Verwaltungsgericht zum Schluss, die subsidiäre Anwendbarkeit des kantonalen Personalrechts gemäss Gemeindegesetz sei auf Mitglieder von Behörden nicht anwendbar, weshalb dem Beschwerdeführer eine Abfindung – welche die anwendbare kommunale Entschädigungsverordnung nicht vorsah – versagt blieb (VB.2014.00420, E. 3.4).
- Fall 4: Betreffend Mitglieder von Kirchenpflegen einer Evangelisch-reformierten Kirchgemeinde kam das Verwaltungsgericht schliesslich in Auslegung der einschlägigen Bestimmungen der Evangelisch-reformierten Landeskirche zum Schluss, dass es sich um keine personalrechtliche Streitigkeit handle (VB.2017.00133, E. 2).
Insbesondere Fall 2 und Fall 3 zeigen deutlich auf, dass ein an sich vergleichbarer Sachverhalt unterschiedlich beurteilt werden muss, wenn die Rechtsgrundlagen unterschiedlich sind. Im Fall 2 ist das Personalgesetz für Behördenmitglieder durch den Verordnungsgeber ausdrücklich als anwendbar erklärt worden, während sich in Fall 3 keine solche Regelung fand.
Weitere anwendbare Rechtsnormen
Nachfolgend soll nur auf zwei Rechtsnormen näher eingegangen werden, die einerseits von grosser Bedeutung (Aussenwirkung) sind und anderseits – im Fall der Pensionsordnungen – einen grossen Unterschied zu den «normalen» Angestellten aufzeigen. Weitere anwendbare Rechtsnormen wären beispielsweise noch separate Besoldungs- und Spesenreglemente und Geschäftsordnungen.
Pensionsordnungen. Eine weit verbreitete Besonderheit, welche Behördenmitglieder deutlich von den «normalen» Angestellten einer Gemeinde unterscheidet, sind kommunale Pensionsordnungen für die Mitglieder der obersten Verwaltungsbehörde. In solchen Pensionsordnungen werden typischerweise finanzielle Leistungen an die Behördenmitglieder geregelt, welche im Fall von Nichtwiederwahl, Nichtnominierung oder Rücktritt in Anspruch genommen werden können. Wie das Beispiel des Stadtrates von Kriens zeigt, sind solche finanziellen Leistungen aber nicht unumstritten und auch nicht mehr zeitgemäss. Der Stadtrat Kriens will künftig auf solche Rentenlösungen verzichten (Mitteilung).
Haftungsgesetz. Was logisch erscheint, muss doch auch gesetzlich geregelt werden. In den Kantonen Aargau, Luzern und Zürich wird bereits im Geltungsbereich der entsprechenden Haftungsgesetze geregelt, dass sie auch für die Behördenmitglieder der Gemeinden zu Anwendung gelangen. Im Kanton Bern ist die Staatshaftung Teil des Personalgesetzes, welches in diesem Bereich nur deshalb für Behördenmitglieder von Gemeinden zur Anwendung gelangt, weil in Art. 84 des Berner Gemeindegesetzes ein entsprechender Verweis besteht. Selbstverständlich haften jeweils die entsprechenden Gemeinden für allfällige Schäden, die Behördenmitglieder in Ausübung ihrer Tätigkeit verursachen und nicht die Kantone.
Fazit
Behördenmitglieder sind keine «normalen» Angestellten und doch werden sie bei entsprechender Regelung in vielen Bereichen gleich oder ähnlich behandelt. Insbesondere dann, wenn sich bei Behördenmitglieder typische personalrechtliche Fragen stellen, die nicht die Auflösung oder Veränderung wesentlicher Bestandteile des Arbeitsverhältnisses betreffen (z.B. Lohnfortzahlung bei Arbeitsunfähigkeit, Mutter- und Vaterschaftsurlaub, etc.), rechtfertigt sich eine analoge Behandlung. Grosse Unterschiede bestehen hinsichtlich der finanziellen Leistungen bei Nichtwiederwahl, Nichtnominierung und Rücktritt. Es liegt im Verantwortungsbereich der Gemeinden, für klare Regelungen zu sorgen.