Knatsch in der Behörde

Wenn es in der Be­hör­de zu Span­nun­gen kommt, wer­den die Un­ter­schie­de zu ei­nem nor­ma­len An­stel­lungs­ver­hält­nis of­fen­bar. Den­noch gibt es Mög­lich­kei­ten, Span­nun­gen in der Be­hör­de zu be­sei­ti­gen oder ge­gen re­ni­ten­te Be­hör­den­mit­glie­der et­was zu un­ter­neh­men. Richt­schnur muss da­bei die Ge­währ­leis­tung bzw. Wie­der­her­stel­lung der Funk­ti­ons­fä­hig­keit der Be­hör­de, das heisst die Er­fül­lung des Man­dats der Be­hör­den­mit­glie­der, sein.

Abs­tract: Die Be­hör­de muss grund­sätz­lich selbst um ih­re Funk­ti­ons­fä­hig­keit be­sorgt sein und die da­für er­for­der­li­chen Mass­nah­men er­grei­fen. Er­fah­rungs­ge­mäss las­sen sich Schwie­rig­kei­ten so­wohl fach­li­cher als auch zwi­schen­mensch­li­cher Na­tur am bes­ten und nach­hal­tigs­ten lö­sen, wenn sie früh und of­fen an­ge­gan­gen wer­den, was ein be­stimm­tes Han­deln des Prä­si­di­ums er­for­dert. Ge­lin­gen die Mass­nah­men in­ner­halb der Be­hör­de nicht, muss un­ter Um­stän­den die Auf­sichts­be­hör­de zu­ge­zo­gen werden.

Selbstverwaltung und Grenzen

Vor al­lem zwei Aspek­te der Be­hör­den­tä­tig­keit ha­ben ei­nen ent­schei­den­den Ein­fluss dar­auf, dass Kon­flik­te an­ders ge­löst wer­den müs­sen als in ei­nem An­stel­lungs­ver­hält­nis; Be­hör­den­mit­glie­der sind ers­tens ge­wählt und zwei­tens ha­ben sie kei­ne di­rek­ten Vor­ge­setz­ten. Da­durch ent­fällt die Mög­lich­keit, ein­zel­nen Mit­glie­dern Wei­sun­gen zu er­tei­len, bei un­be­frie­di­gen­dem Ver­hal­ten in ei­nen Be­wäh­rungs­pro­zess zu stei­gen oder – in ex­tre­mis – das Be­hör­den­mit­glied zu ent­las­sen. Die Be­hör­de ist – pes­si­mis­tisch aus­ge­drückt – wei­test­ge­hend auf sich al­lei­ne ge­stellt. Ei­ne po­si­ti­ve­re Be­trach­tungs­wei­se wür­de die Be­hör­de als In­sti­tu­ti­on be­schrei­ben, die weit­ge­hen­de Selbst­ver­wal­tungs­kom­pe­ten­zen be­sitzt. Die­se Selbst­ver­wal­tungs­kom­pe­tenz ist frei­lich auch ei­ne Pflicht. Nach der hier ver­tre­te­nen Mei­nung ge­ben ihr die nach­fol­gen­den In­sti­tu­te Konturenschärfe.

Teil­nah­me­pflicht und Stimm­ab­ga­be­pflicht. Die­se Pflich­ten er­ge­ben sich im Kan­ton Zü­rich ex­pli­zit aus dem Ge­mein­de­ge­setz (§ 38 Abs. 2 und § 40 Abs. 1 GG). Auch oh­ne ex­pli­zi­te Nen­nung in ei­nem Er­lass, er­ge­ben sich die­se bei­den ele­men­ta­ren Pflich­ten der Be­hör­den­tä­tig­keit aus dem Sinn und Zweck der Be­hör­de selbst. Die Stimm­bür­ge­rin­nen und Stimm­bür­ger über­tra­gen den Be­hör­den Auf­ga­ben. Die­se neh­men sie wahr, in­dem sie u.a. Be­schlüs­se fäl­len nach ge­mein­sa­mer Be­ra­tung. Nicht das per­sön­li­che In­ter­es­se, die mo­men­ta­ne Be­find­lich­keit oder der­glei­chen, ent­schei­den dar­über, ob sich ein Be­hör­den­mit­glied an der Wil­lens­bil­dung be­tei­ligt, son­dern der Auf­trag des Stimm­vol­kes. Ein­zi­ge Aus­nah­me bil­den die Aus­stands­grün­de. Auch sie sind wie­der­um nicht ei­ne Kann-Vor­schrift, son­dern stel­len si­cher, dass Be­hör­den­mit­glie­der eben nicht in ei­ge­nem In­ter­es­se handeln.

Kol­le­gia­li­täts­prin­zip. Die­ses Prin­zip be­sagt, dass die Mit­glie­der der Be­hör­de die Ent­schei­de des Kol­le­gi­ums ver­tre­ten. Min­der­heits­mei­nun­gen wer­den der Öf­fent­lich­keit nicht be­kannt gemacht.

Ein­sichts­recht. Den Mit­glie­dern ei­ner Be­hör­de kommt ein Recht auf Ein­sicht­nah­me in sämt­li­che Be­hör­den­dos­siers zu, so­weit dies für die Ge­schäfts­er­le­di­gung not­wen­dig ist. So ein­fach und klar die­ser Grund­satz in der Theo­rie ist, so her­aus­for­dernd ist sei­ne An­wen­dung in der Pra­xis. Zahl­rei­che in­ner­be­hörd­li­che Dis­pu­te dre­hen sich dar­um, wel­ches Be­hör­den­mit­glied wie­viel von wel­chen Ge­schäf­ten er­fah­ren darf. Das Ein­sichts­recht dient da­zu, dass ein ein­zel­nes Be­hör­den­mit­glied sein Amt, na­ment­lich sein Stimm­recht in­for­miert aus­üben kann. Da ein­zel­nen Be­hör­den­mit­glie­dern kei­ne Kon­troll­funk­ti­on über die Res­sorts ih­rer Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen zu­kommt, dient das Ein­sichts­recht nicht da­zu, sich ei­nen Über­blick über die Ar­beit des Kol­le­gi­ums zu ma­chen, um die­se al­len­falls auf Ver­säum­nis­se oder Feh­ler hinzuweisen.

Was aber, wenn es nicht al­lein um zwi­schen­mensch­li­che Ani­mo­si­tä­ten geht, son­dern wenn hand­fes­te Be­fürch­tun­gen im Raum ste­hen, wo­nach ein Be­hör­den­mit­glied sei­nen Pflich­ten nur un­ge­nü­gend nach­kommt? Wel­che Mass­na­men sieht das öf­fent­li­che Recht vor und wann sind die­se angezeigt? 

Massnahmen

Res­sort­ent­zug. Die Neu­kon­sti­tu­ie­rung ei­ner Be­hör­de hat je­weils zu Be­ginn ei­ner neu­en Amts­pe­ri­ode zu er­fol­gen. Im Sinn ei­ner ge­wis­sen Be­stän­dig­keit der Be­hör­den­ar­beit gilt die­se Kon­sti­tu­ie­rung auch oh­ne aus­drück­li­che Re­ge­lung grund­sätz­lich für die ge­sam­te Amts­dau­er; lie­gen da­für sach­li­che Grün­de vor, kann ei­ne Neu­kon­sti­tu­ie­rung aber auch wäh­rend der Amts­pe­ri­ode er­fol­gen; das In­ter­es­se des Be­hör­den­mit­glieds an der Aus­übung des Amts wäh­rend der gan­zen Amts­dau­er hat da­bei hin­ter dem In­ter­es­se am Funk­tio­nie­ren der Be­hör­de zu­rück­zu­tre­ten. Vor­aus­zu­set­zen ist aber, dass es sich um Grün­de han­delt, die auch für Aus­sen­ste­hen­de die Not­wen­dig­keit ei­ner Neu­kon­sti­tu­ie­rung nach­voll­zieh­bar er­schei­nen las­sen, wo­bei dem gros­sen Er­mes­senspiel­raum der Be­hör­de Rech­nung zu tra­gen ist.

Auf­sichts­be­schwer­de. Grund­sätz­lich kann al­les Ge­gen­stand ei­ner Auf­sichts­be­schwer­de sein, was den kor­rek­ten Gang der Be­hör­den­tä­tig­keit be­schlägt. Las­sen sich Ver­säum­nis­se in der Amts­füh­rung ein­zel­ner Be­hör­den­mit­glie­der tat­säch­lich nicht mit Ge­sprä­chen und all­fäl­li­ger Er­mah­nung durch das Prä­si­di­um be­he­ben, so kann ei­ne Auf­sichts­be­schwer­de ge­gen die ei­ge­ne Be­hör­de oder ein­zel­ne Mit­glie­der im Ein­zel­fall tat­säch­lich nö­tig wer­den. Von die­sem In­stru­ment ist in­des nur äus­serst zu­rück­hal­tend Ge­brauch zu ma­chen, denn es be­deu­tet ei­ne nicht zu un­ter­schät­zen­de Es­ka­la­ti­ons­stu­fe in der be­hörd­li­chen Zu­sam­men­ar­beit. Letzt­lich ist ei­ne Auf­sichts­be­schwer­de ge­gen Be­hör­den­kol­le­gen im­mer auch das Be­kennt­nis, dass die Be­hör­de die Gren­zen der Selbst­or­ga­ni­sa­ti­on er­reicht hat, das heisst, dass sie die ei­ge­ne Funk­ti­ons­fä­hig­keit nicht mehr aus ei­ge­nen Kräf­ten auf­recht­erhal­ten bzw. wie­der­her­stel­len kann.

Straf­an­zei­ge. Mit­un­ter kann die Be­hör­de bzw. kön­nen ein­zel­ne Mit­glie­der aber auch in der Pflicht ste­hen, ei­ne Straf­an­zei­ge ein­zu­rei­chen. So sieht bei­spiels­wei­se im Kan­ton Zü­rich § 167 des Ge­richts- und Be­hör­den­or­ga­ni­sa­ti­ons­ge­set­zes vor, dass Be­hör­den und An­ge­stell­te des Kan­tons und der Ge­mein­den straf­ba­re Hand­lun­gen, die sie bei Aus­übung ih­rer Amts­tä­tig­keit wahr­neh­men, zur An­zei­ge brin­gen müs­sen. Ei­ne Ver­let­zung die­ser An­zei­ge­pflicht kann ih­rer­seits straf­recht­lich re­le­vant sein, näm­lich wenn dar­in ei­ne Be­güns­ti­gung ge­se­hen wer­den kann. Be­steht al­so nicht nur der Ver­dacht, dass ein Be­hör­den­mit­glied sei­ne Auf­ga­ben nicht or­dent­lich er­le­digt, son­dern be­steht auch ein hin­rei­chend deut­li­cher Ver­dacht, dass die­ses Be­hör­den­mit­glied ei­ne Straf­tat ver­übt hat, so sind sei­ne Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen zur An­zei­ge ver­pflich­tet. An­de­re Kan­to­ne ken­nen kei­ne ei­gent­li­che Ver­pflich­tung aber im­mer­hin die Mög­lich­keit der Strafanzeige.

3 Inputs aus der Beratungspraxis

Stö­run­gen ha­ben Vor­rang. Die­ses Pos­tu­lat aus dem Bil­dungs­be­reich er­weist sich im Be­hör­den­all­tag als Schlüs­sel zum Er­folg, und zwar nicht der­art, dass auf al­le mög­li­chen Be­find­lich­kei­ten von Be­hör­den­mit­glie­dern je­weils im De­tail ein­ge­gan­gen wer­den muss. Viel­mehr sind Span­nun­gen und Kon­flik­te, schein­bar harm­lo­se Sei­ten­hie­be und sar­kas­ti­sche Be­mer­kun­gen an Sit­zun­gen von der Sit­zungs­lei­tung um­ge­hend zu adres­sie­ren. Ei­ne ta­del­lo­se Sit­zungs­hy­gie­ne wird sich in je­dem Fall auf den Um­gang, den ge­gen­sei­ti­gen Re­spekt und auf die Be­reit­schaft zur of­fe­nen Kon­flikt­klä­rung aus­wir­ken. Auf die­se Wei­se kön­nen Schwel­brän­de ver­hin­dert wer­den und es kann an ei­ner re­spekt­vol­len Grund­hal­tung in der Be­hör­de ge­ar­bei­tet wer­den. Hier kommt der Sit­zungs­lei­tung, das heisst in der Re­gel dem Prä­si­di­um ei­ne zen­tra­le Rol­le zu, die wahr­ge­nom­men wer­den muss. Sich mit Ver­weis auf das Er­wach­se­nen­al­ter der Be­hör­den­mit­glie­der und die Lä­cher­lich­keit der Rol­le als Auf­pas­ser und Gou­ver­nan­te aus der Ver­ant­wor­tung zu neh­men, ver­bie­tet sich. Selbst­re­dend ist hier auch an die Ei­gen­ver­ant­wor­tung al­ler Be­hör­den­mit­glie­der zu ap­pel­lie­ren. Das Man­dat, das je­des ge­wähl­te Be­hör­den­mit­glied er­hal­ten hat, ver­langt, dass sich die Be­hör­den­mit­glie­der selbst in die La­ge ver­set­zen, die­sem Man­dat ge­recht zu werden.

Amts­ge­heim­nis wah­ren. Die­se Selbst­ver­ständ­lich­keit wird lei­der in der Pra­xis all­zu oft ge­ritzt. Re­gel­mäs­sig, wenn ent­mu­tig­te Be­hör­den­mit­glie­der dem Wunsch nach­ge­ben, die in­ner­be­hörd­li­chen Span­nun­gen nach aus­sen es­ka­lie­ren zu las­sen, weil sie glau­ben, in­ner­halb der Be­hör­de mit ih­ren An­lie­gen nicht ge­nü­gend Ge­hör zu fin­den. Es gibt je­doch – kras­se Ex­trem­si­tua­tio­nen aus­ge­nom­men – kei­nen An­lass für die Preis­ga­be des Amts­ge­heim­nis­ses und des­halb auch kei­ne Recht­fer­ti­gung da­für. Was in­ner­halb ei­ner Be­hör­de be­spro­chen wird, fällt pri­mär ein­mal un­ter das Amts­ge­heim­nis. Was nicht dar­un­ter fällt ist ent­we­der Ge­gen­stand ei­ner of­fi­zi­el­len be­hör­den­sei­ti­gen In­for­ma­ti­on oder Ge­gen­stand ei­nes Aus­kunfts­be­geh­rens, wel­ches eben­falls ge­prüft und auf of­fi­zi­el­lem Weg be­ant­wor­tet wird. Da­zwi­schen und da­ne­ben gibt es nichts.

Zu­stän­dig­kei­ten klä­ren und re­spek­tie­ren. Es ent­spricht der mensch­li­chen Na­tur, sich hin und wie­der in Si­tua­tio­nen wie­der­zu­fin­den, in de­nen man in das ei­ge­ne Kön­nen mehr ver­trau­en hat, als in das­je­ni­ge sei­ner Mit­men­schen. Die Er­kennt­nis – oder der Glau­be – ei­ne Sa­che bes­ser zu kön­nen als ei­ne Be­hör­den­kol­le­gin be­rech­tigt ei­nen in­des nicht, ihr die Kom­pe­tenz da­zu ab­zu­spre­chen. Die­ses Phä­no­men ist in Lai­en­be­hör­den aber weit ver­brei­tet, ge­ra­de weil oft ein sau­be­rer Auf­ga­ben­ka­ta­log fehlt, und weil – ein­mal mehr – das Prä­si­di­um ein Ver­wi­schen der Gren­zen zwi­schen ein­zel­nen Res­sorts zu­lässt. Wie ge­zeigt, be­steht wohl ein In­for­ma­ti­ons­an­spruch. Die­ser ori­en­tiert sich in­des am öf­fent­li­chen In­ter­es­se der Auf­ga­ben­er­fül­lung und darf nicht als in­ner­be­hörd­li­ches Miss­trau­ens­vo­tum ein­ge­setzt wer­den. Hier sind ein­zel­ne Be­hör­den­mit­glie­der gut be­ra­ten, sich stets vor Au­gen zu hal­ten, dass sie ihr Recht auf Ein­sicht in Dos­siers ers­tens im Rah­men der Grund­sät­ze des Da­ten­schut­zes aus­üben und zwei­tens, ihr Man­dant ih­nen vor­gibt, wel­che Ge­schäf­te sie zu in­ter­es­sie­ren ha­ben und wel­che nicht.

Über den Autor/die Autorin

Mirjam Barmet

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