Eine längere Arbeitsunfähigkeit von Arbeitnehmenden, sei es wegen Krankheit oder wegen Unfall, ist meist mit grossen Herausforderungen für die Arbeitgebenden verbunden. Nicht selten wird deshalb früher oder später über eine Kündigung nachgedacht. Sowohl im privaten Arbeitsrecht als auch im öffentlichen Personalrecht kann wegen längerer Arbeitsunfähigkeit gekündigt werden. Die Kündigung wegen Arbeitsunfähigkeit ist aber auch im Privatrecht nicht ohne Tücken, weshalb sich eine genauere Betrachtung lohnt.
Abstract: Nach Ablauf des Sperrfristenschutzes ist eine Kündigung wegen Krankheit oder Unfall sowohl im privaten Arbeitsrecht als auch im öffentlichen Personalrecht möglich. Während im privaten Arbeitsrecht allein die Missbräuchlichkeit beachtet werden muss, ist im öffentlichen Personalrecht zusätzlich insbesondere das Verhältnismässigkeitsprinzip zu beachten. Ausserdem sind hier meist weitere Bestimmungen zur Kündigung wegen Arbeitsunfähigkeit zu beachten.
Eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses wegen Krankheit oder Unfall wird zu Beginn einer Arbeitsunfähigkeit durch die Sperrfrist blockiert. So darf die Arbeitgeberin während Arbeitnehmende ohne eigenes Verschulden durch Krankheit oder durch Unfall ganz oder teilweise an der Arbeitsleistung verhindert sind, das Arbeitsverhältnis nicht kündigen (Art. 336c Abs. 1b OR und ähnliche kantonale Regelungen). Tut sie es dennoch, ist diese Kündigung nichtig. Die sich im Zusammenhang mit der Sperrfrist ergebenden Spezialfragen wurden bereits in einem andere Blogbeitrag besprochen (Die Krux mit der Sperrfrist). Nach Ablauf der Sperrfrist ist eine Kündigung wegen Arbeitsunfähigkeit möglich.
Privates Arbeitsrecht
Im privaten Arbeitsrecht gilt das Prinzip der Kündigungsfreiheit. Somit bedarf es keiner besonderen Gründe, um zu kündigen. Nach Ablauf der Sperrfrist ist es grundsätzlich zulässig, jemandem wegen einer die Arbeitsleistung beeinträchtigenden Krankheit (bzw. unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit) zu kündigen. Die Kündigungsfreiheit gilt aber nur soweit die Kündigung nicht missbräuchlich ist.
Die Krankheit verursachen und dann wegen dieser Krankheit kündigen ist unzulässig.
Wenn zum Beispiel die Arbeitsunfähigkeit eingetreten ist, weil der Arbeitgeber eine ihm obliegende Fürsorgepflicht – insbesondere im Bereich des Gesundheitsschutzes – verletzt hat, ist eine wegen dieser Arbeitsunfähigkeit ausgesprochene Kündigung missbräuchlich (vgl. BGE 4A_293/2019, E. 3.5.1.). In diesem Zusammenhang gilt es zu beachten, dass Kausalität zwischen der Verletzung der Fürsorgepflicht und der Arbeitsunfähigkeit gefordert wird. Diese wurde vom Bundesgericht zum Beispiel in einem Fall bejaht, in dem ein Arbeitnehmer wegen einer nachlässigen Betriebsorganisation bei einem Arbeitsunfall am Auge schwer verletzt worden ist und bald nach Wiederaufnahme der Arbeit entlassen wurde, als sich herausstellte, dass vorerst eine teilweise Arbeitsunfähigkeit verblieb (vgl. BGE 4A_102/2008, E. 2.).
Missbräuchlichkeit kann auch gegeben sein, wenn die Krankheit eine Folge von Mobbing ist und die Arbeitgeberin nicht sämtliche zumutbaren Massnahmen gegen dieses Mobbing ergriffen hat (vgl. BGE 125 III 70, E. 2a).
Schliesslich ist Missbräuchlichkeit auch dann gegeben, wenn die Arbeitsleistung durch eine vorhandene Krankheit gar nicht eingeschränkt wird, wenn also die Krankheit gewissermassen als Vorwand für eine Kündigung herhalten muss.
Öffentliches Personalrecht
Im öffentlichen Personalrecht stellt eine Arbeitsunfähigkeit einen sachlichen Kündigungsgrund dar, womit es zulässig ist, nach Ablauf der Sperrfrist (die im öffentlichen Recht abweichend vom OR geregelt werden kann) bei vorliegender Arbeitsunfähigkeit das Arbeitsverhältnis aufzulösen.
Der Sperrfristenablauf ist nicht die einzige Hürde für eine rechtmässige Kündigung.
Aufgrund des Verhältnismässigkeitsprinzips muss die Arbeitsunfähigkeit zusätzlich aber von einer gewissen Dauer sein und die Wiederaufnahme der Arbeit darf nicht in unmittelbarer Zukunft zu erwarten sein. Eine Konkretisierung dieser doch eher abstrakten Umschreibung findet sich in der Regel in den verschiedenen Rechtsordnungen der Gemeinwesen. In einigen Kantonen, darunter auch im Kanton Bern, wird die Kündigung gemäss Rechtsprechung auch ohne explizite gesetzliche Grundlage akzeptiert (wenn die übertragene Aufgabe wegen der Arbeitsunfähigkeit nicht mehr genügend erfüllt werden kann). Diese Rechtsprechung dürfte auf alle Gemeinwesen übertragbar sein, die über keine explizite Rechtsgrundlage verfügen.
Bei den vorhandenen Rechtsnormen finden sich grössere Unterschiede. Während im Kanton Zürich (ähnlich auch Kanton St. Gallen) eine Kündigung erst bei Invaliderklärung bzw. per Ende der Lohnfortzahlungsfrist möglich ist, kann im Kanton Luzern bei «dauernder Arbeitsunfähigkeit» bereits in einem früheren Zeitpunkt gekündigt werden. Eine dauernde Arbeitsunfähigkeit liegt gemäss Luzerner Personalrecht dann vor, wenn sie länger als zwölf Monate dauert oder die Vertrauensärztin bzw. der Vertrauensarzt zu dieser Einschätzung kommt. Im Kanton Aargau endet das Arbeitsverhältnis ohne Kündigung (von Gesetzes wegen) im Zeitpunkt der Ausrichtung einer vollen Invalidenrente. Ebenfalls ohne Kündigung endet das Arbeitsverhältnis im Kanton Thurgau, wenn das Ende der Lohnfortzahlungspflicht erreicht ist.
Ganz generell kann gesagt werden, dass im öffentlichen Personalrecht die Dauer der Lohnfortzahlung durch eine Kündigung wegen Arbeitsunfähigkeit in der Regel nicht eingeschränkt werden darf. Dies ergibt sich aus den entsprechenden Rechtsnormen.
Es ist zu beachten, dass auch bei einer Kündigung wegen Arbeitsunfähigkeit grundsätzlich das rechtliche Gehör gewährt werden muss. Eine Ausnahme besteht nur dann, wenn das Arbeitsverhältnis von Gesetzes wegen aufgelöst wird. Ebenfalls sollte gerade auch in grösseren Gemeinwesen aufgrund des Verhältnismässigkeitsgrundsatzes geprüft werden, ob die Mitarbeitenden nicht anderweitig eingesetzt werden können. Ob das überhaupt möglich ist, hängt natürlich massgeblich vom Gesundheitszustand der Mitarbeitenden ab.