Mobbing im Sinne der Rechtsprechung

Bei Kon­flik­ten am Ar­beits­platz ist schnell die Re­de von Mob­bing. Min­des­tens aus ju­ris­ti­scher Sicht ist die De­fi­ni­ti­on von Mob­bing häu­fig nicht er­füllt, wes­halb ei­ne sorg­fäl­ti­ge­re Be­griffs­ver­wen­dung an­ge­zeigt ist. Un­ab­hän­gig von der Be­griff­lich­keit sind die vor­ge­setz­ten Per­so­nen aber an­ge­hal­ten, auf Kon­flik­te zu re­agie­ren und ih­rer ent­spre­chen­den Für­sor­ge­pflicht nach­zu­kom­men. Dies gilt so­wohl im Be­reich des öf­fent­li­chen Per­so­nal­rechts, als auch im Be­reich des pri­va­ten Arbeitsrechts.

Ge­mäss bun­des­ge­richt­li­cher Recht­spre­chung ver­langt das Vor­lie­gen von Mob­bing ein sys­te­ma­ti­sches, feind­li­ches, über ei­nen län­ge­ren Zeit­raum an­hal­ten­des Ver­hal­ten, mit dem ei­ne Per­son an ih­rem Ar­beits­platz iso­liert, aus­ge­grenzt oder gar von die­sem ent­fernt wer­den soll. Auch bei wie­der­hol­ten Vor­fäl­len, wel­che die Per­sön­lich­keit der Per­son ver­letz­ten, liegt kein Mob­bing vor, so­fern nicht die not­wen­di­ge Dau­er und In­ten­si­tät er­reicht ist.

Definition und Herausforderung

Ge­mäss der vom Bun­des­ge­richt ver­wen­de­ten De­fi­ni­ti­on ist Mob­bing ein sys­te­ma­ti­sches, feind­li­ches, und über ei­nen län­ge­ren Zeit­raum an­hal­ten­des Ver­hal­ten (z.B. ein­mal pro Wo­che wäh­rend meh­re­rer Mo­na­te), mit dem ei­ne Per­son an ih­rem Ar­beits­platz iso­liert, aus­ge­grenzt oder gar von ih­rem Ar­beits­platz ent­fernt wer­den soll.

Bei Mob­bing wird ein Zweck verfolgt.

Im Ge­gen­satz zu «nor­ma­len» Kon­flik­ten am Ar­beits­platz wird bei Mob­bing im­mer ein Ziel ver­folgt (Iso­la­ti­on, Aus­gren­zung oder gar Ent­fer­nung vom Ar­beits­platz). Das Op­fer ist oft in ei­ner Si­tua­ti­on, wo je­de Ein­zel­hand­lung un­ter Um­stän­den als zu­läs­sig zu be­ur­tei­len ist, je­doch die Ge­samt­heit der Hand­lun­gen zu ei­ner De­sta­bi­li­sie­rung des Op­fers und bis zu des­sen Ent­fer­nung vom Ar­beits­platz füh­ren kann. Mob­bing liegt aber nicht schon dann vor, wenn ein Ar­beits­kon­flikt oder ei­ne schlech­te Ar­beits­at­mo­sphä­re be­steht, oder wenn ei­ne an­ge­stell­te Per­son auf­ge­for­dert wird, ih­ren Ar­beits­pflich­ten nachzukommen.

Mob­bing ist schwie­rig zu be­wei­sen. Ein Be­weis kann in der Re­gel nur auf der Wür­di­gung ei­ner Viel­zahl von In­di­zi­en be­ru­hen. Es ist des­halb auch schwie­rig, ei­ne Ab­gren­zung da­hin­ge­hend vor­zu­neh­men, wann ef­fek­tiv von Mob­bing ge­spro­chen wer­den soll und wann nicht. Viel wich­ti­ger ist aber die Wahr­neh­mung der Für­sor­ge­pflicht durch die vor­ge­setz­te Per­son und ent­spre­chen­de Be­ar­bei­tung des Konflikts.

Beispiele

Bei­spie­le, die Mob­bing dar­stel­len kön­nen (so­fern al­le Kri­te­ri­en er­füllt sind):

  • An­zet­teln ei­ner Medienkampagne
  • Er­tei­len von Wei­sun­gen, die sach­lich nicht nach­voll­zieh­bar sind und le­dig­lich als Schi­ka­ne erscheinen
  • Ge­ziel­tes Aus­gren­zen und Über­ge­hen bei In­for­ma­tio­nen, An­läs­sen, Pau­sen, etc.

Bei­spie­le, die kein Mob­bing darstellen:

  • Vor­ge­setz­te Per­son setzt Zie­le, wel­che die be­trof­fe­ne Per­son nicht er­reicht und des­halb un­ter Druck steht
  • Be­trof­fe­ne Per­son wird un­ter An­dro­hung ei­ner all­fäl­li­gen Kün­di­gung zur Ein­hal­tung der ver­trag­li­chen Pflich­ten ermahnt
  • Iso­lie­rung ei­ner Per­son durch ein ein­ma­li­ges Ver­hal­ten in ei­ner zu­ge­spitz­ten Si­tua­ti­on (wie­der­hol­tes Vor­ge­hen fehlt)
  • Wie­der­hol­te Vor­fäl­le, wel­che die Per­sön­lich­keit ei­ner Per­son ver­letz­ten, so­fern nicht die not­wen­di­ge Dau­er und In­ten­si­tät er­reicht wird

Fürsorgepflicht

Die vor­ge­setz­te Per­son hat die Per­sön­lich­keit der Ar­beit­neh­men­den zu ach­ten und zu schüt­zen (Art. 328 Abs. 1 OR). Da­zu ge­hört auch der Schutz vor Mob­bing. Sie hat zum Schutz der per­sön­li­chen In­te­gri­tät al­le Mass­nah­men zu tref­fen, die nach der Er­fah­rung not­wen­dig, nach dem Stand der Tech­nik an­wend­bar und den Ver­hält­nis­sen an­ge­mes­sen sind (Art. 6 Abs. 1 ArG). Sie hat Mass­nah­men zu tref­fen, um den Schutz der phy­si­schen und psy­chi­schen Ge­sund­heit zu wah­ren und zu ver­bes­sern (Art. 2 Abs. 1 ArGV 3).

Die­sen Pflich­ten kann ei­ner­seits prä­ven­tiv nach­ge­kom­men wer­den, in­dem Struk­tu­ren ge­schaf­fen wer­den, die kei­nen Nähr­bo­den für Mob­bing bie­ten. Dies kann ins­be­son­de­re durch ein eta­blier­tes Kon­flikt­ma­nage­ment­sys­tem ge­lin­gen. Ziel ei­nes Kon­flikt­ma­nage­ment­sys­tems ist es, Kon­flik­te früh ak­tiv und kom­pe­tent zu be­ar­bei­ten. Da­bei wer­den in ers­ter Li­nie ein kas­ka­den­ar­ti­ger Pro­zess de­fi­niert, die ent­spre­chen­den An­sprech­per­so­nen aus­ge­bil­det und Stel­len in­stal­liert. An­der­seits wird von den vor­ge­setz­ten Per­so­nen ein ak­ti­ves Han­deln ver­langt, wenn Kon­flik­te be­reits be­stehen und al­len­falls Mob­bing­hand­lun­gen wahr­ge­nom­men wer­den. Nicht zu­läs­sig ist da­bei das Pro­blem «zu lö­sen», in­dem ei­ner Kon­flikt­par­tei ge­kün­digt wird (sie­he nächs­ter Punkt).

Zusammenhang zwischen Mobbing und missbräuchlicher Kündigung

Wird ei­nem Mob­bing­op­fer ge­kün­digt, be­deu­tet das nicht per se, dass ei­ne miss­bräuch­li­che Kün­di­gung vor­liegt. Miss­bräuch­lich­keit kann aber vor­lie­gen, wenn sie we­gen ei­ner Leis­tungs­ein­bus­se aus­ge­spro­chen wur­de, wel­che sich ih­rer­seits als Fol­ge des Mob­bings er­weist. Denn die Aus­nut­zung ei­nes rechts­wid­ri­gen Ver­hal­tens bil­det ei­nen ty­pi­schen An­wen­dungs­fall des Rechts­miss­brauchs. Die vor­ge­setz­te Per­son, die Mob­bing nicht ver­hin­dert, ver­letzt ih­re Für­sor­ge­pflicht. Sie darf die Kün­di­gung nicht mit den Fol­gen der ei­ge­nen Pflicht­ver­let­zung recht­fer­ti­gen. Es muss al­ler­dings auch die Mög­lich­keit be­dacht wer­den, dass sich die be­trof­fe­ne Per­son das Mob­bing nur ein­bil­det oder sich so­gar miss­bräuch­lich dar­auf be­ruft, um sich so vor an sich ge­recht­fer­tig­ten Wei­sun­gen oder Er­mah­nun­gen zu schützen.

Eben­falls Miss­bräuch­lich­keit liegt vor, wenn sich die vor­ge­setz­te Per­son oh­ne wei­te­re nach­voll­zieh­ba­re Be­grün­dung hin­ter ei­ne Per­son des Kon­flikts stellt und das Ar­beits­ver­hält­nis der an­de­ren Per­son auflöst.

Schliess­lich kann ei­ne all­fäl­li­ge Per­sön­lich­keits­ver­let­zung, die für die Kün­di­gung nicht kau­sal ist, kei­ne Miss­bräuch­lich­keit begründen. 

Für den vor­lie­gen­den Bei­trag wur­den Aus­zü­ge aus den bun­des­ge­richt­li­chen Ur­tei­len 4C.179/2004, 4A_128/2007, 8C_826/2009, 8C_446/2010, 8C_1033/2010, 8C_107/2018, 125 III 70 und 126 III 395 verwendet.

Über den Autor/die Autorin

Michael Oberdorfer

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