Jüngst hatte sich das Bundesgericht mit der Frage zu befassen, ob die Anordnung der Weiterbeschäftigung eine zulässige Rechtsfolge bei einer ungerechtfertigten Kündigung ist, und bejahte diese. Daraus den Schluss zu ziehen, dass gekündigte öffentlichrechtliche Anstellungsverhältnisse fortan unter dem Damoklesschwert stehen, dass eine Rechtsmittelinstanz die Weiterbeschäftigung anordnen kann, wäre indes falsch.
Der Entscheid
Dem Entscheid (Urteil 8C_903/2017 vom 12. Juni 2018) lag im Wesentlichen der folgende Sachverhalt zugrunde:
Mit Verfügung vom 13. August 2014 wurde A., eine Angestellte der Stadtzürcherischen Verkehrsbetriebe rückwirkend ab 1. August 2014 vom Dienst freigestellt, und ihr Anstellungs-verhältnis mittels Verfügung vom 13. Februar 2015 aufgelöst. Der Stadtrat – die verwaltungsinterne Rechtsmittelinstanz – wies die gegen die Freistellung und die Auflösung des Anstellungsverhältnisses erhobenen Einsprachen ab, was der Bezirksrat – die zuständige Rekursinstanz – bestätigte. Das Verwaltungsgericht wies die Stadt Zürich auf erhobene Beschwerde hin an, A. weiter zu beschäftigen, da die Auflösung des Anstellungsverhältnisses rechtswidrig erfolgt sei. Gegen diesen Entscheid führte die Stadt Zürich Beschwerde beim Bundesgericht.
Vor Bundesgericht war insbesondere strittig, ob die Vorinstanz überhaupt befugt war, eine Weiterbeschäftigung anzuordnen. Das Bundesgericht bejahte diese Kompetenz im vorliegenden Fall. Es erwog im Wesentlichen, dass ein wirksamer Rechtsschutz durch ein Gericht dessen Berechtigung voraussetze, eine Anordnung, die sich als unrechtmässig erwiesen habe, aufzuheben und den rechtmässigen Zustand wiederherzustellen.
Nun könnte der eilige Leser zum Schluss gelangen, das Verwaltungsgericht Zürich – oder gar jedes Verwaltungsgericht in der Schweiz – könne in jedem Fall die Weiterbeschäftigung anordnen, wenn es zum Schluss gelangt, dass die Kündigung rechtswidrig erfolgt ist. Schliesslich geht es um die Verwirklichung eines fundamentalen Rechts, der Rechtsweggarantie. Dieser Schluss wäre indes falsch.
Die Crux lag in diesem Fall in einem scheinbaren Widerspruch zwischen dem anwendbaren materiellen Recht, dem Personalrecht der Stadt Zürich (PR), und dem anwendbaren Prozessrecht, dem Verwaltungsrechtspflegegesetz des Kantons Zürich (VRG).
Das PR sieht vor, dass bei einer missbräuchlichen oder sachlich nicht gerechtfertigten Kündigung die Angestellte von der Stadt mit der bisherigen oder, wenn dies nicht möglich ist, mit einer anderen zumutbaren Arbeit weiterbeschäftigt wird (Art. 17 Abs. 4 Satz 1 PR). Ist ausnahmsweise beides aus triftigen Gründen nicht möglich, so bemisst sich die Entschädigung nach den Bestimmungen des Obligationenrechts über die missbräuchliche Kündigung (Art. 17 Abs. 4 Satz 2 PR). § 27a VRG lautet dagegen: «Hält die Rekursinstanz eine Kündigung, eine Einstellung im Amt oder eine vorzeitige Entlassung für nicht gerechtfertigt, stellt sie dies fest und bestimmt von Amtes wegen die Entschädigung, die das Gemeinwesen zu entrichten hat» (Abs. 1). Und in Abs. 2: «Der Entscheid über weiter gehende Ansprüche aufgrund des kommunalen Personalrechts, insbesondere auf Weiterbeschäftigung, bleibt vorbehalten.»
Das Bundesgericht hatte damit nicht die Frage zu klären, ob die Anordnung der Weiterbeschäftigung generell in die Kompetenz der Rechtsmittelinstanz fällt. Vielmehr hatte es im konkreten Fall zu beurteilen, ob – entgegen dem Wortlaut von § 27a Abs. 2 VRG – nicht nur die Rekursinstanz (also der Bezirksrat) sondern auch die darauffolgende Beschwerdeinstanz (das Verwaltungsgericht Zürich) die Weiterbeschäftigung anordnen kann, wenn das kommunale Recht – wie hier das Personalrecht der Stadt Zürich – die Weiterbeschäftigung überhaupt als Rechtsfolge vorsieht. Das Bundesgericht hat diese Frage bejaht. Da der Bezirksrat gemäss ständiger Rechtsprechung nicht als Gericht im Sinne von Art. 29a BV (Rechtsweggarantie) gilt, musste zur Verwirklichung des materiellen Rechts eine kantonale Instanz über den Anspruch entscheiden können.
Würdigung
Die Feststellung, die Rechtsmittelinstanz könne den rechtswidrigen Zustand wiederherstellen, ist zwar richtig, aber nicht überraschend, denn die Weiterbeschäftigung des zu Unrecht Entlassenen, ist eine vorgesehene Rechtsfolge des stadtzürcherischen Personalrechts. Der Entscheid des Bundesgerichts ist deshalb genauer besehen nicht nur ein Personalrechtsentscheid, sondern vor allem ein Entscheid zum Institut der Rechtsweggarantie. Hier wird deutlich, was Prozessrecht, insbesondere öffentliches Prozessrecht, können muss; es soll materiellem Recht zum Durchbruch verhelfen, nicht mehr, aber eben auch nicht weniger. Was der Gesetzgeber mit der einen Hand gibt, soll er mit der anderen nicht wegnehmen dürfen. Aus diesem Grund ist der Entscheid des Bundesgerichts richtig.
Freileich eine andere Frage ist, wie sinnvoll die Anordnung einer Weiterbeschäftigung als Rechtsfolge einer ungerechtfertigten Kündigung ist. Es ist nicht Sache des Gerichts, über die Zweckmässigkeit einer gesetzlichen Bestimmung zu befinden. Von Fragen der Zweckmässigkeit dürfen und sollten sich aber Prozessparteien leiten lassen. Für all jene Arbeitsverhältnisse, die durch den Fluch und Segen einer Weiterbeschäftigung bei rechtswidriger Kündigung charakterisiert sind, stellen sich in der Tat solche Zweckmässigkeitsfragen.
Während im privaten Arbeitsrecht durchwegs und im öffentlichen Arbeitsrecht jedenfalls teilweise, eine rechtswidrige Kündigung das Ende des Anstellungsverhältnisses bedeutet, sehen gewisse öffentlich-rechtliche Anstellungsverhältnisse die Rechtsfolge der Weiterbeschäftigung vor. Wenn aber das Rechtsbegehren – wie im vorliegenden Entscheid – auf Weiterbeschäftigung lautet, dann wird die Rechtsmittelinstanz dem Begehren stattgeben müssen, falls es die Kündigung für unrechtmässig hält. Anders als bei einer Entschädigung, wo – je nach Verschulden des Arbeitgebers, Dienstjahr und Alter der Arbeitnehmerin und übrigen Umständen – mehr oder weniger zugesprochen werden kann, gibt es nicht mehr oder weniger Weiterbeschäftigung. Damit wird der Rechtsmittelentscheid eine alles-oder-nichts-Angelegenheit. Nicht auszuschliessen, dass damit die Hürden, eine Kündigung erfolgreich anzufechten, faktisch höher werden, denn die Rechtsmittelinstanz kann hier nicht ein wenig Unrecht mit ein wenig Entschädigung zu kompensieren suchen. Ist die Kündigung zwar rechtswidrig, erscheint sie aber insgesamt als nicht über die Massen stossend, könnte die Weiterbeschäftigung als unverhältnismässig angesehen werden.
Deshalb sollten sich Arbeitnehmerinnen bei der Anfechtung solcher Anstellungsverhältnisse fragen, ob sie mit der Maximallösung – Weiterbeschäftigung – tatsächlich glücklich werden. Prozessual ist deshalb das Augenmerk insbesondere auf die Formulierung der Rechtsbegehren zu legen, oder es ist gar eine ausserprozessuale Lösung in der Form einer Entschädigung anzustreben.
Aber auch für die öffentlich-rechtliche Arbeitgeberin gibt es die eine oder andere taktische Überlegung anzustellen. Kann ein Arbeitgeber seine Kündigung im Laufe des Rechtsmittelverfahrens in Wiedererwägung ziehen, und den Arbeitnehmer (den er eigentlich entlassen wollte) im Sinne einer milderen Massnahme versetzen? Verzichtet ein Arbeitnehmer, wenn er diese Versetzung ablehnt, auf jegliche Entschädigungen?
Und dann ist da natürlich noch der Faktor Zeit. Möglicherweise sind bis zum Rechtsmittelentscheid schon ein, zwei Jahre ins Land gezogen. Kommt dem Rechtsmittelverfahren keine aufschiebende Wirkung zu (was im Kanton Zürich bei der Anfechtung von Kündigungen die Regel ist), führt der Rechtsmittelentscheid unter Umständen zu einer rückwirkenden Wiederanstellung mit den entsprechenden Lohnfolgen, ohne dass diese Arbeit noch geleistet werden könnte oder müsste.