Soll- und Mehrstunden, Plus- und Minusstunden, Arbeitszeitsaldo, Überzeit und Überstunden, Wochenarbeitszeit und Höchstarbeitszeit. Der Zeitendschungel im Arbeitsrecht ist dicht und der Durchblick entsprechend schwierig. Dieser Beitrag hilft, die Begriffe korrekt anzuwenden und Licht bis ganz zum Dunkel des Dschungelbodens zu bringen.
Abstract: Wochenarbeitszeit ist die Zeit, die pro Woche effektiv gearbeitet werden muss (i.d.R. 40h oder 42h). Die Wochenarbeitszeit wird begrenzt durch die Höchstarbeitszeit, welche 45h oder 50h beträgt. Arbeitsstunden, die über die Wochenarbeitszeit hinausgehen und die die Höchstarbeitszeit nicht überschreiten, sind Überstunden. Aufgrund möglicher Abreden werden Überstunden häufig im Verhältnis 1:1 abgegolten. Überzeit ist der Teil der geleisteten Arbeit, der über die Höchstarbeitszeit hinaus geleistet wird. Überzeit muss grundsätzlich mit einem Zuschlag von 25% entschädigt werden.
Wochenarbeitszeit
Vielleicht die relevanteste Zeit des Arbeitsverhältnisses ist die Wochenarbeitszeit (oder auch Normalarbeitszeit), also die Zeit, die pro Woche effektiv gearbeitet werden muss. Bei einem 100%-Pensum sind das in der Regel 40h oder 42h. Aufgrund der Wochenarbeitszeit ergibt sich die Tagesarbeitszeit oder auch die Sollarbeitszeit pro Tag. Bei einer Wochenarbeitszeit von 40h wären das 8h und bei einer Wochenarbeitszeit von 42 wären das 8,4h (8h 24min). Die Leistung von Arbeit beziehungsweise die Absolvierung der Wochenarbeitszeit ist Hauptpflicht der Arbeitnehmenden.
Höchstarbeitszeit
Die Wochenarbeitszeit wird begrenzt durch die Höchstarbeitszeit, wobei der Begriff der Höchstarbeitszeit verwirrend ist. Es bedeutet eben nicht, dass nicht länger gearbeitet werden darf. Es bedeutet lediglich, dass Arbeit über die Höchstarbeitszeit gewisse Konsequenzen nach sich zieht, doch dazu später. Die Höchstarbeitszeit ergibt sich aus dem Arbeitsgesetz und beträgt 45h oder 50h, je nach Branche. Für Arbeitnehmende in industriellen Betrieben, Büropersonal und technische Angestellte (für alle Arbeitnehmenden, die im Büro oder in büroähnlichen Berufen tätig sind, mit vorwiegend Kopfarbeit) beträgt die Höchstarbeitszeit 45h. Für alle übrigen Arbeitnehmenden (insbesondere auch für das Personal im Gesundheitswesen, in Heimen, in KiTa’s, für Handwerkerinnen und Handwerker und für das Verkaufspersonal in KMU) beträgt die Höchstarbeitszeit 50h.
Überstunden
Arbeitsstunden, die über die Wochenarbeitszeit hinausgehen und die die Höchstarbeitszeit nicht überschreiten, sind Überstunden (Art. 321c OR). Überstunden liegen damit im Sandwich zwischen Wochenarbeitszeit und Höchstarbeitszeit. Es handelt sich um die Differenz zwischen der vertraglich vereinbarten Wochenarbeitszeit und der Höchstarbeitszeit. Überstunden müssen grundsätzlich geleistet werden, dies entspringt der Treuepflicht der Arbeitnehmenden. Entweder werden Überstunden explizit durch die Arbeitgeberin angeordnet oder von derselben im Nachhinein genehmigt. Bei den Überstunden gibt es gewisse Voraussetzungen zu beachten:
- Überstunden müssen betrieblich notwendig sein: Hoher Arbeitsanfall (nur, wenn Überstunden durch Beizug vorhandener Hilfskräfte oder bessere Organisation nicht leicht hätten vermieden werden können);
- Überstunden müssen zumutbar für die Arbeitnehmenden sein (nicht zumutbar, wenn die privaten Interessen der Arbeitnehmenden höher einzuschätzen sind als das Arbeitgeberinteresse an Überstunden (z.B. familiäre Verpflichtungen);
- Leistungsfähigkeit muss gewährleistet sein (Überstunden dürfen keine Überforderung der physischen und psychischen Leistungsfähigkeit zur Folge haben).
Gemäss Gesetz sind Überstunden mit einem Zuschlag von 25% (Verhältnis 1:1,25) zu entschädigen. Davon kann aber abgewichen werden. Einerseits kann im Einverständnis mit den Arbeitnehmenden der Ausgleich durch Freizeit von mindestens gleicher Dauer (Verhältnis 1:1) vereinbart werden und anderseits kann durch schriftliche Verabredung (Arbeitsvertrag, GAV, im Arbeitsvertrag integriertes Personalreglement) die Entschädigung ohne Zuschlag (Verhältnis 1:1) vorgesehen werden. Besteht keine schriftliche Verabredung, haben die Arbeitnehmenden Anspruch auf die Entschädigung von Überstunden mit einem Zuschlag von 25%.
Überzeit
Arbeitsstunden, die über die Höchstarbeitszeit (45h oder 50h, je nach Branche) hinausgehen, sind Überzeit (Art. 12 und 13 ArG). Überzeit werden im Volksmund gerne alle Arten von Arbeit über die Wochenarbeitszeit hinaus genannt. Dies ist nicht korrekt. Überzeit ist effektiv nur der Teil der geleisteten Arbeit, der über die Höchstarbeitszeit hinaus geleistet wird. Pro Tag darf Überzeit 2h nicht überschreiten. Bei einer wöchentlichen Höchstarbeitszeit von 45h darf die Überzeit nicht mehr als 170h im Kalenderjahr betragen und bei einer wöchentlichen Höchstarbeitszeit von 50h darf die Überzeit nicht mehr als 140h betragen. Bei Überzeit sind die Voraussetzungen noch strenger als bei den Überstunden. Überzeit ist nur zulässig:
- wegen Dringlichkeit der Arbeit oder ausserordentlichen Arbeitsandranges;
- für Inventaraufnahmen, Rechnungsabschlüsse und Liquidationsarbeiten;
- zur Vermeidung oder Beseitigung von Betriebsstörungen, soweit der Arbeitgeberin nicht andere Massnahmen zugemutet werden können.
Gemäss Gesetz ist auch Überzeit mit einem Zuschlag von 25% (Verhältnis 1:1,25) zu entschädigen. Im Gegensatz zu den Überstunden kann davon nicht vertraglich abgewichen werden. Bei Arbeitnehmenden mit einer Höchstarbeitszeit von 45h gilt der zwingende Zuschlag allerdings erst ab der 61. Stunde (bei Arbeitnehmenden mit einer Höchstarbeitszeit von 50h gilt der Zuschlag ab der ersten Stunde). Sind die Arbeitnehmenden einverstanden, kann im Nachhinein der Ausgleich durch Freizeit von gleicher Dauer (Verhältnis 1:1) vereinbart werden.
Mehrzeit / Positiver Arbeitszeitsaldo
Sind Mitarbeitende im Gleitzeitmodell (in der Regel mit Jahresarbeitszeit) angestellt, können sie in der Regel in einem gewissen Rahmen ihre Arbeitszeit selbständig einteilen. Das bedeutet, sie können an einem Tag etwas länger (z.B. 9h) arbeiten und an einem anderen Tag etwas weniger lange (z.B. 7h). Wenn Mitarbeitende, deren Sollarbeitszeit pro Tag 8h beträgt, 9h arbeiten, dann leisten sie 1h Mehrzeit und ihr Arbeitszeitsaldo weist (positiv) 1h aus. Dabei handelt es sich nicht um (angeordnete) Überstunden.
Öffentliches Personalrecht
Für das öffentliche Personalrecht gelten die obenstehenden Ausführungen mit gewissen Einschränkungen. Es obliegt den Gemeinwesen, eigene Zeitkategorien zu definieren. So ist es möglich, dass unter Überstunden in einem Gemeinwesen nicht das Gleiche verstanden wird, wie unter Überstunden im Privatrecht oder, dass gar keine Überstunden geleistet werden können.
Empfehlung
Es empfiehlt sich dringend, im Rahmen von Reglementen, die möglichen Zeitformen zu definieren und sich sowohl im Rahmen der schriftlichen als auch der mündlichen Kommunikation im Unternehmen strikt an die korrekte Formulierung zu halten. Nur so gelingt es, das Dickicht des Zeitendschungels zu durchdringen.