Social Media in der Freizeit — Was geht das die Chefin an?

Der Ar­beit­ge­ber ist ver­pflich­tet, die Per­sön­lich­keit des Ar­beit­neh­mers zu ach­ten und zu schüt­zen, wo­zu auch des­sen Pri­vat- und In­tim­sphä­re ge­hört. In Zei­ten von So­cial Me­dia ver­schie­ben sich mit­un­ter die Gren­zen des­sen, was als pri­vat an­ge­se­hen wird. Was aber gilt, wenn Ar­beit­neh­mer selbst ih­re Pri­vat- oder In­tim­sphä­re auf So­cial Me­dia-Platt­for­men aus­brei­ten und da­mit die In­ter­es­sen des Ar­beit­ge­bers tangieren?

Nicht im­mer sind ar­beits­recht­li­che The­men so il­lus­tra­tiv und schaf­fen es, samt Fo­to, in die Gra­tis­zei­tun­gen. An ei­ner Zür­cher Pri­mar­schu­le ar­bei­tet ein Leh­rer, der auf In­sta­gram Bil­der von sich pos­tet. Bei den Fo­tos han­delt es sich nicht et­wa um Fe­ri­en­schnapp­schüs­se am Strand, son­dern teil­wei­se um Fo­tos ero­ti­scher Na­tur. Der Fa­vo­rit der Me­di­en ist of­fen­bar ein Fo­to, auf dem der Leh­rer als ein­zi­ges Re­qui­sit ei­nen Strunk Ba­na­nen zwi­schen sich und die Lin­se po­si­tio­niert hat, an­sons­ten aber auf Kör­per­be­de­ckung gänz­lich ver­zich­tet. Von be­sorg­ten El­tern dar­auf an­ge­spro­chen, gab die Schu­le die fol­gen­de schrift­li­che Ant­wort: «Als Pri­mar­schul­pfle­ge be­ur­tei­len wir un­se­re Lehr­per­so­nen ent­spre­chend ih­rer Ar­beit. Die Ar­beit des be­tref­fen­den Päd­ago­gen über­zeugt uns und wir sind froh, ei­nen in­itia­ti­ven und krea­ti­ven Leh­rer an un­se­rer Schu­le be­schäf­ti­gen zu können.» 

An die­sem Bei­spiel zeigt sich das Span­nungs­ver­hält­nis zwi­schen den pri­va­ten In­ter­es­sen des Ar­beit­neh­mers und den In­ter­es­sen des Ar­beit­ge­bers auf an­schau­li­che Wei­se. Und es stellt sich die Fra­ge, wie im Zeit­al­ter von So­cial Me­dia mit die­sem Span­nungs­ver­hält­nis um­zu­ge­hen ist. Oder an­ders ge­wen­det: Kann ein Ar­beit­ge­ber zum pri­va­ten So­cial Me­dia Ge­brauch sei­ner Mit­ar­bei­ter Vor­schrif­ten erlassen? 

Recht auf persönliche Freiheit nicht grenzenlos

Wäh­rend der Ge­brauch von So­cial Me­dia am Ar­beits­platz re­gel­mäs­sig in Mit­ar­bei­ter­re­gle­men­ten oder im Ar­beits­ver­trag selbst adres­siert und zu­läs­si­ger­wei­se ein­ge­schränkt wird, auf­er­le­gen sich Ar­beit­ge­be­rin­nen ei­ne im­mense Zu­rück­hal­tung, wenn es dar­um geht, den Ar­beit­neh­mern Vor­schrif­ten über den Ge­brauch sol­cher Platt­for­men in de­ren Frei­zeit zu ma­chen (Ach­tung der Pri­vat­sphä­re). Es stimmt na­tür­lich: Was An­ge­stell­te in ih­rer Frei­zeit tun, geht ih­re Ar­beit­ge­be­rin grund­sätz­lich nichts an. Da­hin­ter steht ei­ner­seits ein Schutz­ge­dan­ke aber an­der­seits wohl auch ei­ne – völ­lig über­hol­te – An­nah­me, dass Hand­lun­gen in der Frei­zeit kei­nen oder nur ge­rin­gen Ein­fluss auf den Ar­beits­platz ha­ben können.

Was der Ar­beit­neh­mer von sich selbst in die Öf­fent­lich­keit zerrt, un­ter­liegt nicht dem Schutz der Privatsphäre.

Die all­ge­mei­ne Hal­tung lau­tet denn auch: Wird der per­sön­li­che So­cial Me­dia Ac­count ei­ner Mit­ar­bei­te­rin (z.B. Face­book, Twit­ter, In­sta­gram, etc.) in der Frei­zeit be­nutzt, kann ein Ar­beit­ge­ber grund­sätz­lich kei­ne Wei­sun­gen er­las­sen, weil der Arm des Ar­beit­ge­bers nicht bis in die Pri­vat­sphä­re rei­chen soll. Der sprin­gen­de Punkt ist in­des, dass hier die An­ru­fung des Schut­zes der Pri­vat­sphä­re un­ter Um­stän­den am The­ma vor­bei geht. Äus­se­run­gen und Bil­der, wel­che ei­ne Ar­beit­neh­me­rin auf ei­nem öf­fent­li­chen Ac­count pos­tet, kön­nen nicht den Schutz der Pri­vat­sphä­re ge­nies­sen, weil die Ar­beit­neh­me­rin selbst durch das Öf­fent­lich­ma­chen des Pro­fils aus der Pri­vat­sphä­re hin­aus­tritt. Das ge­schütz­te Rechts­gut ist bei solch öf­fent­li­chen Posts da­mit we­ni­ger die Pri­vat­sphä­re als viel­mehr ein an­de­rer Teil­aspekt des Per­sön­lich­keits­rechts, näm­lich das Recht auf per­sön­li­che Ent­fal­tung. Nicht das Ver­hal­ten in sei­nen ei­ge­nen vier Wän­den – ver­stan­den als der Be­reich der Pri­vat- und In­tim­sphä­re des Mit­ar­bei­ters – son­dern das Ver­hal­ten des Mit­ar­bei­ters in der (quasi-)Öffentlichkeit wird den Ar­beit­ge­ber­in­ter­es­sen bei der­ar­ti­gen Posts ge­gen­über­ge­stellt. Als Aus­fluss der Treue­pflicht darf ein Ar­beit­ge­ber von ei­nem Ar­beit­neh­mer in­des auch ver­lan­gen, dass die­ser ein Ver­hal­ten un­ter­lässt, wel­ches dem An­se­hen des Un­ter­neh­mens scha­det (Art. 321a OR). 

Der Leh­rer im Bei­spiel hat­te ein öf­fent­li­ches In­sta­gram-Pro­fil und brach­te es auf 20’000 Fol­lower. Hät­te er sei­ne Fo­tos auf ei­nem nicht öf­fent­li­chen Ac­count ge­zeigt, wä­re die Sa­che an­ders zu be­ur­tei­len. Kurz­um: je pri­va­ter ein Ac­count, des­to hö­her sind die Hür­den zur Durch­set­zung der be­rech­tig­ten In­ter­es­sen des Ar­beit­ge­bers. Nach stän­di­ger Pra­xis müs­sen sich bei­spiels­wei­se Ka­der­mit­ar­bei­ter auf­grund der er­höh­ten Loya­li­täts­pflicht ei­ne grös­se­re Zu­rück­hal­tung auf­er­le­gen, wenn es um öf­fent­li­che Kri­tik am ei­ge­nen Ar­beit­ge­ber geht. Das Han­deln in der Frei­zeit kann al­so durch Wei­sun­gen der Ar­beit­ge­be­rin ein­ge­schränkt wer­den. Aus dem­sel­ben Grund müs­sen auch Ein­schrän­kun­gen bzw. Richt­li­ni­en zum pri­va­ten So­cial Me­dia Ge­brauch auf­ge­stellt wer­den kön­nen. Un­ter­schie­de kön­nen je nach Po­si­ti­on oder Funk­ti­on des Mit­ar­bei­ters be­stehen. Je grös­ser die Iden­ti­fi­ka­ti­on des Mit­ar­bei­ters mit dem Be­trieb im Ge­schäfts­ver­kehr ist, des­to eher spielt auch sein Ver­hal­ten aus­ser­halb der Ar­beit ei­ne Rol­le. Ent­schei­dend ist, ob das Ver­hal­ten die be­rech­tig­ten In­ter­es­sen des Ar­beit­ge­bers tan­giert (vgl. Art. 321a OR). Ei­ne Schu­le kann durch­aus ein be­rech­tig­tes In­ter­es­se dar­an ha­ben, dass ih­re Lehr­per­so­nen, wel­che Vor­bild­funk­tio­nen ha­ben, ge­ra­de im Zeit­al­ter von Snap­chat und In­sta­gram ei­ne ge­wis­se Sen­si­bi­li­tät im Um­gang mit der Selbst­in­sze­nie­rung an den Tag legen. 

Bestimmung im Mitarbeiterreglement empfohlen

Ver­trag­li­che Ver­ein­ba­run­gen, mit wel­chen sich je­mand in zeit­li­cher oder in­halt­li­cher Hin­sicht über­mäs­sig in sei­ner per­sön­li­chen Frei­heit ein­schränkt, sind ge­mäss Art. 27 Abs. 2 ZGB un­zu­läs­sig und ent­fal­ten kei­ne Rechts­wir­kun­gen. Mit­ar­bei­ter­re­gle­men­te oder Ar­beits­ver­trä­ge, wel­che be­züg­lich des pri­va­ten So­cial Me­dia Ge­brauchs mo­de­ra­te Ein­schrän­kun­gen oder Richt­li­ni­en ent­hal­ten, fal­len kaum dar­un­ter. Ar­beit­ge­ber tun des­halb gut dar­an, in ih­rem Mit­ar­bei­ter­re­gle­ment oder in Ein­zel­ar­beits­ver­trä­gen die­sen Aspekt zu adressieren.

Sol­che Be­stim­mun­gen sind in zwei­er­lei Hin­sicht be­deut­sam; sie tra­gen zu ei­ner Sen­si­bi­li­sie­rung im Um­gang mit so­zia­len Me­di­en bei und schaf­fen be­triebs­in­tern ei­nen Com­mon Ground als An­knüp­fungs­punkt. Geht es im Ein­zel­fall tat­säch­lich dar­um, ei­ne Ar­beit­neh­me­rin auf­zu­for­dern, ei­nen be­stimm­ten Bei­trag zu lö­schen oder al­len­falls zu ver­än­dern, ver­schafft der Ver­weis auf ei­ne ent­spre­chen­de Be­stim­mung im Per­so­nal­re­gle­ment schnell Klar­heit und er­leich­tert re­gel­mäs­sig die Aus­übung des Wei­sungs­rechts. Frei­lich lässt sich im­mer dar­über strei­ten, ob im Ein­zel­fall die Ar­beit­ge­ber­in­ter­es­sen tat­säch­lich in un­zu­läs­si­ger­wei­se be­rührt sind bzw. dem Ar­beit­neh­mer zu­zu­mu­ten ist, den Bei­trag zu lö­schen. Wenn aber be­reits zu Be­ginn des An­stel­lungs­ver­hält­nis­ses klar kom­mu­ni­ziert wird, wel­ches Ver­hal­ten be­triebs­schä­di­gend ist und aus wel­chem Grund, wer­den Dis­kus­sio­nen im Ein­zel­fall leich­ter zu füh­ren sein. Letzt­lich sind der­ar­ti­ge Be­stim­mun­gen Aus­druck und Grund­stein ei­ner be­stimm­ten Un­ter­neh­mens­kul­tur und füh­ren, wenn sich ins­be­son­de­re auch Vor­ge­setz­te dar­an hal­ten und mit gu­tem Bei­spiel vor­an­ge­hen, zu ei­nem kol­lek­ti­ven Ver­ständ­nis da­für, wie man sich als Teil ei­nes Un­ter­neh­mens und des­sen Aus­hän­ge­schild in der Öf­fent­lich­keit dar­stel­len möch­te. Da­mit ist – was oft ver­ges­sen geht – re­gel­mäs­sig auch dem Mit­ar­bei­ter selbst gedient.

Einschränkungen auch im Personalrecht zulässig 

Das Ge­sag­te gilt grund­sätz­lich auch für öf­fent­lich-recht­li­che Ar­beits­ver­hält­nis­se. Zu be­ach­ten ist, dass sich die Ein­schrän­kung der per­sön­li­chen Frei­heit des Ar­beit­neh­mers im öf­fent­lich-recht­li­chen Ar­beits­ver­hält­nis nach den Kri­te­ri­en zur Zu­läs­sig­keit ei­nes Grund­rechts­ein­griffs be­ur­teilt. Wäh­rend näm­lich die pri­va­te Ar­beit­neh­me­rin den Schutz ih­rer Per­sön­lich­keit auf­grund von Art. 328 OR und Art. 27 ZGB ge­niesst, ist der öf­fent­lich-recht­li­che Ar­beit­ge­ber zur Be­ach­tung der Grund­rech­te, und da­mit auch des Rechts auf per­sön­li­che Frei­heit, ver­pflich­tet. Bei der Fra­ge, ob ein öf­fent­lich-recht­li­cher Ar­beit­ge­ber die pri­va­te Nut­zung von So­cial Me­dia ein­schrän­ken kann, ist des­halb ei­ne Gü­ter­ab­wä­gung zwi­schen den tan­gier­ten (öf­fent­li­chen) In­ter­es­sen des Ar­beit­ge­bers und den be­trof­fe­nen In­ter­es­sen des Ar­beit­neh­mers vor­zu­neh­men. Ein öf­fent­lich-recht­li­cher An­ge­stell­ter be­fin­det sich in ei­nem so­ge­nann­ten Son­der­sta­tus­ver­hält­nis. Die­se Ver­hält­nis­se sind da­durch cha­rak­te­ri­siert, dass die be­tref­fen­de Per­son in ei­ner ge­wis­sen Nä­he zum Staat steht, was ne­ben Staats­an­ge­stell­ten auch auf Stu­die­ren­de von öf­fent­li­chen Hoch­schu­len, Straf­ge­fan­ge­ne und so wei­ter zu­trifft. Da die An­for­de­run­gen an die Ver­hält­nis­mäs­sig­keit im Son­der­sta­tus­ver­hält­nis her­ab­ge­setzt sind, ist die­ser Aspekt be­acht­lich. Mit an­de­ren Wor­ten wird auf­grund der Nä­he zum Staat ein Grund­rechts­ein­griff eher zu­ge­las­sen als bei ei­nem Drit­ten. Eben­falls tie­fer sind im Son­der­sta­tus­ver­hält­nis die An­for­de­run­gen an die er­for­der­li­che ge­setz­li­che Grund­la­ge (so­wohl was Norm­stu­fe als auch Norm­dich­te an­be­langt). Die­ser Um­stand soll­te es den öf­fent­lich-recht­li­chen Ar­beit­ge­bern durch­aus er­mög­li­chen, mo­de­ra­te und vor al­len Din­gen zweck­mäs­si­ge Be­stim­mun­gen zum pri­va­ten So­cial Me­dia Ge­brauch zu er­las­sen. Auch ei­ne Gü­ter­ab­wä­gung im öf­fent­li­chen Recht wird mit­un­ter zu­guns­ten des öf­fent­li­chen In­ter­es­ses am An­se­hen und dem ord­nungs­ge­mäs­sen Gang der öf­fent­li­chen Ver­wal­tung, und da­mit auch im In­ter­es­se ver­schie­de­ner An­spruchs­grup­pen – sei­en dies Schü­le­rin­nen, Pa­ti­en­ten, Straf­ge­fan­ge­ne und so wei­ter – ausfallen.

Über den Autor/die Autorin

Mirjam Barmet

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