Die Krankheit als Thema im Arbeitszeugnis bildet eine grosse Herausforderung beim Verfassen von Arbeitszeugnissen. Personalverantwortliche müssen Abwägungen treffen zwischen der Pflicht der Arbeitgeberin, ein wahres und vollständiges Bild des betreffenden Mitarbeiters zu zeichnen und seiner Pflicht, das wirtschaftliche Fortkommen seines Arbeitnehmers zu fördern. Trotz der grossen Bedeutung der individuellen Situationen lassen sich – nach Meinung der Autorin – Leitlinien ausmachen, welche die Gratwanderung erleichtern.
Abstract.: Krankheiten müssen im Arbeitszeugnis erwähnt werden, wenn sie einen erheblichen Einfluss auf die Leistung oder das Verhalten des Arbeitnehmers hatten oder die Eignung zur Erfüllung der bisherigen Aufgaben in Frage stellen. Ist dies der Fall, so kommt der Arbeitgeber regelmässig um eine entsprechende Erwähnung nicht herum. Er darf aber über das Wesen der Krankheit keine Aussage machen, es sei denn, der Arbeitnehmer wünscht dies, um Spekulationen zu vermeiden. Längere Krankheitsabwesenheiten müssen im Arbeitszeugnis erwähnt werden, wenn ihr Verschweigen zu einem falschen Bild über die erworbene Erfahrung führen würde. Neben der Dauer der Abwesenheit gemessen an der gesamten Anstellungsdauer sind auch die allgemeinen Anforderungen an die Stelleninhaberin und die zeitliche Nähe der Abwesenheit zum Kündigungszeitpunkt mit zu berücksichtigen.
Zwischen Wahrheitspflicht und Wohlwollen
Der Gesundheitszustand gehört zur Intimsphäre eines Menschen, weshalb Angaben darüber in einem Arbeitszeugnis grundsätzlich nichts verloren haben. Regelmässig wäre mit einem solchen Einblick in diesen Kernbereich der Persönlichkeit einer Arbeitnehmerin auch für die Beurteilung der Eignung nichts gewonnen, da der Gesundheitszustand regelmässig keinen Einfluss auf die Arbeitsleistung eines Arbeitnehmers hat. Der Arbeitgeber hat als Ausfluss seiner Fürsorgepflicht auch für das wirtschaftliche Fortkommen seiner Arbeitnehmerinnen zu sorgen. Das Arbeitszeugnis hat deshalb wohlwollend zu sein. Auf den ersten Blick verbietet sich daher die Erwähnung von Krankheiten im Arbeitszeugnis auch aus diesem Grund. Auf der anderen Seite wird die Redaktion von Arbeitszeugnissen auch vom Grundsatz beherrscht, dass das Arbeitszeugnis wahr und vollständig zu sein hat. Mitunter kann deshalb auch das blosse Verschweigen von Umständen zu einem falschen Gesamtbild und damit zu einem unwahren bzw. unvollständigen Arbeitszeugnis führen. Praxisgemäss sind aus diesem Grund auch negative Tatsachen zu erwähnen, soweit sie für die Gesamtbeurteilung erheblich sind. Es gibt deshalb Situationen, in denen der Gesundheitszustand eines Arbeitnehmers Thema in einem Arbeitszeugnis sein kann und muss.
Krankheit als negative Tatsache
Im Jahre 2010 hat sich das Bundesgericht erstmals einlässlicher zur Frage geäussert, unter welchen Umständen Krankheiten als negative Tatsachen im Arbeitszeugnis zu erwähnen sind. Es hielt fest, dass dies auf diejenige Krankheit zutreffe, «die einen erheblichen Einfluss auf Leistung oder Verhalten des Arbeitnehmers hatte oder die Eignung zur Erfüllung der bisherigen Aufgaben in Frage stellte und damit einen sachlichen Grund zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses bildete. Eine geheilte Krankheit, welche die Beurteilung der Leistung und des Verhaltens nicht beeinträchtigt, darf dagegen nicht erwähnt werden. Längere Arbeitsunterbrüche sind — auch wenn sie krankheitsbedingt waren — in einem qualifizierten Zeugnis zu erwähnen, wenn sie im Verhältnis zur gesamten Vertragsdauer erheblich ins Gewicht fallen und daher ohne Erwähnung bezüglich der erworbenen Berufserfahrung ein falscher Eindruck entstünde.» (BGE 136 III 510, Erw. 4.1.).
Es gibt damit im Wesentlichen zwei Gründe dafür, weshalb eine Krankheit im Arbeitszeugnis erwähnt werden soll:
Längere Abwesenheit. Die Dauer eines Anstellungsverhältnisses gibt Aufschluss über die Erfahrung, welche ein potenzieller Arbeitnehmer mitbringt. Deshalb sind längere Absenzen nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts im Arbeitszeugnis zu erwähnen; sie zu verschweigen könnte ein falsches Bild des Erfahrungsschatzes erzeugen. Dies gilt freilich für alle längeren Absenzen, seien diese aus gesundheitlichen Gründen oder familiären, seien diese durch äussere Faktoren erzwungen worden oder freiwillig, wie ein Sabbatical oder dergleichen. Die Abwesenheit zu nennen ist in diesem Kontext nicht nur ratsam, sondern Pflicht. Nicht auf der Hand liegt, weshalb bei längeren Absenzen auch der Grund für die Abwesenheit genannt werden sollte. Für die Beurteilung der Erfahrung spielt es doch keine Rolle, ob die Arbeitnehmerin einen achtmonatigen Mutterschaftsurlaub genommen hat oder für dieselbe Dauer aufgrund einer schweren Erkrankung der Arbeit fernbleiben musste.
Das Bundesgericht geht in einem neuen Entscheid indes davon aus, dass der Grund der längeren Abwesenheit genannt werden darf, das heisst, dass der Arbeitnehmer kein Recht hat, zu fordern, dass lediglich auf die Abwesenheit verwiesen wird, ohne zu erwähnen, dass diese krankheitshalber erfolgte. Ein potenzieller Arbeitgeber – so das Bundesgericht – werde die Abwesenheit hinterfragen und sich nach den Gründen erkundigen. «Entgegen den Ausführungen der Beschwerdeführerin lässt daher nicht die Angabe von Gründen Raum für Spekulationen […], sondern im Gegenteil deren Nichterwähnung, was nicht im Interesse der Arbeitnehmerin bzw. Arbeitnehmers liegt» (BGer 8C_134/2018, Erw. 5.3.3).
Einfluss auf Leistung. Hatte eine Krankheit, wenngleich sie möglicherweise nicht zu längeren Absenzen geführt hat, Einfluss auf die Leistung gehabt, oder hat sie möglicherweise gar den Grund für die Kündigung dargestellt, so sind kaum Fälle vorstellbar, in denen ein Arbeitgeber seiner Wahrheitspflicht nachkommen könnte, ohne diesen Umstand im Arbeitszeugnis zu erwähnen. Gleichzeitig tun sich Personalverantwortliche regelmässig schwer damit, weil hier die mangelnde Leistung mit einer in der Regel unverschuldeten Gesundheitszustand zusammenhängt. Noch einmal schwieriger wird es, wenn es nicht um somatische Leiden geht, sondern wenn psychische Leiden, mitunter Suchterkrankungen, welche zur Arbeitsunfähigkeit geführt haben, den Kündigungsgrund darstellten. In solchen Fällen bildet nicht allein das Versöhnen von Wahrheitspflicht und Förderung des wirtschaftlichen Fortkommens eine Herausforderung. Hier ist der Kernbereich der Persönlichkeit eines Mitarbeiters betroffen. Während das Bundesgericht den Grund für eine längere Abwesenheit als wichtig erachtet, damit keine Spekulationen entstehen, kann das Gleiche nicht für die Art der Krankheit gelten. Hier muss es nach der Meinung der Autorin genügen, zu erwähnen, dass die Auflösung des Arbeitsverhältnisses infolge gesundheitlicher Probleme erfolgte.
Führt die Nennung der Abwesenheit zu einem authentischeren Bild?
Leitlinien für die Praxis
Weil lange Krankheitsabwesenheiten nur dann im Arbeitszeugnis zu erwähnen sind, wenn sie erheblich ins Gewicht fallen, muss sich der Arbeitgeber beim Verfassen des Arbeitszeugnisses die Frage stellen: Entsteht bei Nennung der Krankheitsabwesenheit ein authentischeres Bild über die erworbenen Fähigkeiten bzw. die gesammelte Erfahrung, als wenn die Abwesenheit unerwähnt bliebe? Dies kann in Fällen, da ein Arbeitnehmer über ein paar Jahre dieselbe Aufgabe erledigt hatte, welche darüber hinaus nicht von nennenswerten Veränderungen in den Anforderungen geprägt war, kaum der Fall sein. War eine Arbeitnehmerin indes beispielsweise fünf Jahr bei ihrem Arbeitgeber beschäftigt, wurde nach drei Jahren in eine verantwortungsvollere Position befördert und war während der letzten eineinhalb Jahre vor der Kündigung krank, so würde das Verschweigen dieser Abwesenheit womöglich einen falschen Eindruck über die von ihr erworbenen Führungserfahrungen vermitteln.
In der Rechtsprechung zwar – soweit ersichtlich – nicht adressiert, aber nach der hier vertretenen Auffassung zu berücksichtigen ist die zeitliche Nähe der Abwesenheit zum Kündigungszeitpunkt. Dies, weil regelmässig die unmittelbar vor dem Stellenwechsel ausgeführten Arbeiten grösseres Gewicht haben bei der Rekrutierung. War ein Arbeitnehmer während fast zweier Jahre krank, liegt diese Abwesenheit indes schon ein paar Jahre zurück, so wird er allfällige Wissensdefizite in dieser Zeit wieder aufgeholt haben. Die Erwähnung der krankheitsbedingten Abwesenheit würde hier das Gesamtbild womöglich verfälschen.
Es wäre nicht zulässig, die Art der Krankheit zu nennen.
Hat die Krankheit Einfluss auf die Leistung gehabt oder war sie gar Grund für die Kündigung, so ist dieser Umstand abzubilden. Nicht zulässig wäre indes, das Leiden zu benennen. Zwar geben Wendungen wie «verlässt uns aufgrund gesundheitlicher Probleme» Anlass zu Spekulationen. Besteht der Zweck der Erwähnung darin, weniger Raum für Spekulationen zu belassen, so muss es zulässig sein, auf die Erwähnung auf Wunsch des Arbeitnehmers zu verzichten, wenn dieser die dadurch allenfalls entstandenen Spekulationen in Kauf nimmt.
Auf der anderen Seite muss es einem Arbeitnehmer auch gestattet sein, darauf zu bestehen, den Grund seiner Krankheit im Arbeitszeugnis zu erwähnen. So kann eine Arbeitnehmerin, welche ihre Stelle aufgrund ihrer Krebserkrankung verliert, ein Interesse daran haben, dass sie sich nach einer allfälligen Genesung lieber als geheilte Krebserkrankte, denn als potenziell psychisch Kranke bewirbt. Aus diesem Grund wird geraten, mit Arbeitnehmern das Gespräch zu suchen, wenn eine Erwähnung der Krankheit unumgänglich ist. Einerseits um zu erklären, weshalb der Arbeitgeber sich zu diesem Schritt entschied. Andererseits auch, um möglicherweise gemeinsam ein Wording zu finden, welches für beide Parteien hinnehmbar ist und potenzielle zukünftige Arbeitgeberinnen gebührend, aber nicht über Gebühr informiert.
Dies ist der zweite Teil einer mehrteiligen Serie über das Arbeitszeugnis. Es wurde schon viel über Arbeitszeugnisse geschrieben und obschon vieles geklärt ist, ergeben sich in der Praxis immer wieder spannende Fragen. Deshalb widmet sich der Personalrechtsblog diesem Thema etwas ausführlicher. Die einzelnen Beiträge werden im Zwei-Wochen-Rhythmus auf dem Personalrechtsblog veröffentlicht. Um keinen Beitrag zu verpassen empfehlen wir, den Newsletter zu abonnieren. So sind Sie immer über die neusten Beiträge informiert.