Beim Arbeitszeugnis zählen nicht nur die inneren Werte

Als ob es nicht schon ge­nug schwie­rig wä­re, ei­nen Mit­ar­bei­ten­den zu be­ur­tei­len und ein wah­res und wohl­wol­len­des Ar­beits­zeug­nis zu schrei­ben, stel­len sich auch be­züg­lich der Form Her­aus­for­de­run­gen, die das Le­ben von Au­torin­nen von Ar­beits­zeug­nis­sen er­schwe­ren. Im vor­lie­gen­den Bei­trag wer­den des­halb vier häu­fi­ge Fra­gen be­ant­wor­tet, die sich im Hin­blick auf die Form von Ar­beits­zeug­nis­sen im­mer wie­der stellen. 

Abs­tract: Ein Ar­beits­zeug­nis muss so­wohl mit dem Aus­stel­lungs­da­tum ver­se­hen sein als auch die An­stel­lungs­dau­er be­nen­nen. Das Aus­stel­lungs­da­tum hat grund­sätz­lich dem ef­fek­ti­ven Da­tum zu ent­spre­chen. Für das End­da­tum ist der Tag mass­ge­bend, an dem das Ar­beits­ver­hält­nis en­det und nicht das Da­tum, an dem die Mit­ar­bei­te­rin letzt­mals phy­sisch an­we­send war.Die Un­ter­zeich­nung ei­nes Ar­beits­zeug­nis­ses muss (min­des­tens) von ei­ner hier­ar­chisch über­ge­ord­ne­ten Per­son rechts­gül­tig und ei­gen­hän­dig er­fol­gen. Hin­sicht­lich der Spra­che des Ar­beits­zeug­nis­ses be­steht kei­ne freie Wahl, die am Ar­beits­ort üb­li­che Spra­che ist in der Re­gel zu ak­zep­tie­ren. Und schliess­lich be­stimmt der Ar­beit­neh­mer, ob er ein Voll­zeug­nis oder le­dig­lich ei­ne Ar­beits­be­stä­ti­gung wünscht, wo­bei es ihm auch frei­steht, bei­des zu verlangen.

Wie muss das Arbeitszeugnis datiert werden?

Das Ar­beits­zeug­nis ist im recht­li­chen Sin­ne ei­ne Ur­kun­de, was be­deu­tet, dass es Tat­sa­chen von recht­li­cher Be­deu­tung be­weist. Un­ter Um­stän­den kommt des­halb der häu­fi­gen Fra­ge nach dem kor­rek­ten Da­tum für ein Ar­beits­zeug­nis gros­se Be­deu­tung zu. Dies ins­be­son­de­re dann, wenn nicht zwi­schen dem Aus­stel­lungs­da­tum und dem End­da­tum der An­stel­lung un­ter­schie­den und le­dig­lich das Aus­stel­lungs­da­tum auf dem Ar­beits­zeug­nis auf­ge­führt wird. In die­sen Fäl­len ist min­des­tens frag­lich, ob das Aus­stel­lungs­da­tum gleich­be­deu­tend mit dem End­da­tum der An­stel­lung ist.

Zwi­schen dem Aus­stel­lungs­da­tum und dem End­da­tum der An­stel­lung ist zu unterscheiden.

Das Aus­stel­lungs­da­tum (Da­tum der Un­ter­zeich­nung) muss grund­sätz­lich dem ef­fek­ti­ven Da­tum ent­spre­chen. Wird al­so ein Ar­beits­zeug­nis am 24. April 2019 un­ter­zeich­net, dann soll es auch das Da­tum vom 24. April 2019 tra­gen. Ei­ne Aus­nah­me von die­sem Grund­satz kann ge­mäss Recht­spre­chung und herr­schen­der Leh­re dann ge­macht wer­den, wenn die Ver­ant­wor­tung für die ver­spä­te­te Aus­stel­lung ein­zig bei der Ar­beit­ge­be­rin liegt (z.B. wenn das Ar­beits­ver­hält­nis zwar be­reits per En­de Ja­nu­ar 2019 be­en­det wor­den ist, das Ar­beits­zeug­nis aber auf dem Sta­pel der zu er­le­di­gen­den Din­ge bis am 24. April 2019 «lie­gen bleibt»). In sol­chen Fäl­len darf be­zie­hungs­wei­se muss das Da­tum an­ge­ge­ben wer­den, an dem die Aus­stel­lung des Zeug­nis­ses hät­te er­fol­gen müs­sen (End­da­tum der An­stel­lung, im ge­nann­ten Bei­spiel En­de Ja­nu­ar 2019). Wer al­so zeit­nah ein Ar­beits­zeug­nis aus­stellt und es mit dem Da­tum der Un­ter­zeich­nung da­tiert wird dies­be­züg­lich kei­ne Pro­ble­me haben. 

Das End­da­tum der An­stel­lung, wel­ches eben­falls im Ar­beits­zeug­nis zu er­wäh­nen ist, meint das recht­li­che und nicht das fak­ti­sche En­de. Auch wenn al­so bei­spiels­wei­se am En­de des Ar­beits­ver­hält­nis­ses noch Fe­ri­en- oder Kom­pen­sa­ti­ons­ta­ge be­zo­gen wer­den oder ei­ne Mit­ar­bei­te­rin frei­ge­stellt wird, ist trotz­dem das Da­tum (in der Re­gel Mo­nats­en­de) zu nen­nen, an dem das Ar­beits­ver­hält­nis en­det und nicht das Da­tum, an dem die Mit­ar­bei­te­rin letzt­mals phy­sisch an­we­send war. Es wird des­halb emp­foh­len, dass im ers­ten Ab­schnitt des Ar­beits­zeug­nis­ses er­wähnt wird, von wann bis wann die Mit­ar­bei­te­rin an­ge­stellt war. 

Wer darf bzw. muss das Arbeitszeugnis unterzeichnen?

Ge­mäss Art. 330a OR kann der Ar­beit­neh­mer je­der­zeit vom Ar­beit­ge­ber ein Ar­beits­zeug­nis ver­lan­gen. Mit Ar­beit­ge­ber ist in die­sem Fall ei­ne ver­tre­tungs­be­rech­tig­te Per­son ge­meint, wel­che hier­ar­chisch und funk­tio­nell über­ge­ord­net sein muss. Gleich­ord­nung oder Un­ter­ord­nung ge­nügt nicht, dies wirkt krän­kend. Die Un­ter­zeich­nung muss rechts­gül­tig und ei­gen­hän­dig er­fol­gen. Bei Ein­zel­un­ter­schrift ge­nügt so­mit die Un­ter­schrift des Zeich­nungs­be­rech­tig­ten und bei Kol­lek­tiv­un­ter­schrift (zum Bei­spiel zu zwei­en) ist die Un­ter­schrift von zwei Per­so­nen er­for­der­lich. Es wird aus­ser­dem emp­foh­len, dass das Ar­beits­zeug­nis von der di­rekt vor­ge­setz­ten Per­son (mit-) un­ter­zeich­net wird, da meist sie es ist, die das Ar­beits­zeug­nis ver­fasst hat. Es be­steht we­der ein An­spruch auf Un­ter­zeich­nung durch ei­ne be­stimm­te Per­son noch ein An­spruch dar­auf, dass ei­ne be­stimm­te Per­son nicht unterzeichnet. 

Besteht freie Sprachwahl beim Arbeitszeugnis?

Um es kurz zu ma­chen: Nein, es be­steht kei­ne freie Sprach­wahl beim Ar­beits­zeug­nis. Grund­sätz­lich ist ein Ar­beits­zeug­nis in der Spra­che ab­zu­fas­sen, die am Ar­beits­ort üb­lich ist (vgl. Ur­teil des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts vom 27. Ju­ni 2012, A‑32/2012 E. 7.1.2). Ei­ne Tes­si­ne­rin, die in der Ro­man­die ar­bei­tet, hat so­mit nur An­spruch auf ein Ar­beits­zeug­nis in fran­zö­si­scher Spra­che. Aus­nah­men sind Ar­beits­ver­hält­nis­se, bei de­nen die Ar­beits­spra­che nicht der am Ar­beits­ort üb­li­chen Spra­che ent­spricht oder die stark in­ter­na­tio­nal ge­prägt sind. In sol­chen Fäl­len be­steht An­spruch auf zwei Ar­beits­zeug­nis­se in den un­ter­schied­li­chen Spra­chen (bei in­ter­na­tio­na­len Or­ga­ni­sa­tio­nen ne­ben der Lan­des­spra­che des Ar­beits­or­tes zu­sätz­lich meist Englisch). 

Vollzeugnis oder Arbeitsbestätigung?

Ge­mäss Art. 330a Ab­satz 1 OR kann der Ar­beit­neh­mer je­der­zeit vom Ar­beit­ge­ber ein Zeug­nis ver­lan­gen, das sich über die Art und Dau­er des Ar­beits­ver­hält­nis­ses so­wie über sei­ne Leis­tun­gen und sein Ver­hal­ten aus­spricht. Bei die­sem be­schrie­be­nen Ar­beits­zeug­nis han­delt es sich um das so­ge­nann­te «Voll­zeug­nis» im Ge­gen­satz zur «Ar­beits­be­stä­ti­gung», wel­che sich nur auf An­ga­ben über die Art und Dau­er des Ar­beits­ver­hält­nis­ses zu be­schrän­ken hat. Ob ein Voll­zeug­nis oder ei­ne Ar­beits­be­stä­ti­gung aus­ge­stellt wird liegt nicht im Er­mes­sen der Ar­beit­ge­be­rin. Die Ge­set­zes­be­stim­mung ist dies­be­züg­lich klar. Aus­ser­dem steht es dem Ar­beit­neh­mer frei, so­wohl ein Voll­zeug­nis als auch ei­ne Ar­beits­be­stä­ti­gung zu ver­lan­gen (vgl. BGE 129 III 177, E. 3.2).

Die Ar­beit­neh­me­rin be­stimmt, ob sie ein Voll­zeug­nis oder le­dig­lich ei­ne Ar­beits­be­stä­ti­gung wünscht, wo­bei es ihr auch frei­steht, bei­des zu verlangen.

Stellt der Ar­beit­ge­ber ge­gen den Wil­len des Ar­beit­neh­mers le­dig­lich ei­ne Ar­beits­be­stä­ti­gung aus, muss dies nicht ak­zep­tiert wer­den. Ob­wohl in der Re­gel «au­to­ma­tisch» am En­de des Ar­beits­ver­hält­nis­ses ein Ar­beits­zeug­nis von der Ar­beit­ge­be­rin aus­ge­stellt wird, be­steht da­zu kei­ne ge­setz­li­che Pflicht. Das Ar­beits­zeug­nis muss von den Ar­beit­neh­men­den ver­langt wer­den. In kan­to­na­len und kom­mu­na­len Per­so­nal­rechts­nor­men kann dies an­ders ge­re­gelt sein (z.B. § 49 Per­so­nal­ge­setz Kan­ton Luzern). 

Dies ist der vier­te und zweit­letz­te Teil ei­ner mehr­tei­li­gen Se­rie über das Ar­beits­zeug­nis. Es wur­de schon viel über Ar­beits­zeug­nis­se ge­schrie­ben und ob­schon vie­les ge­klärt ist, er­ge­ben sich in der Pra­xis im­mer wie­der span­nen­de Fra­gen. Des­halb wid­met sich der Per­so­nal­rechts­blog die­sem The­ma et­was aus­führ­li­cher. Die ein­zel­nen Bei­trä­ge wer­den im Zwei-Wo­chen-Rhyth­mus auf dem Per­so­nal­rechts­blog ver­öf­fent­licht. Um auch den letz­ten Bei­trag nicht zu ver­pas­sen emp­feh­len wir, den News­let­ter zu abon­nie­ren. So sind Sie auch über die wei­te­ren Bei­trä­ge auf dem Per­so­nal­rechts­blog informiert.

Über den Autor/die Autorin

Michael Oberdorfer

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