Homeoffice — Wann zahlt der Arbeitgeber an die Miete?

Ho­me­of­fice ge­hört heu­te bei vie­len Ar­beit­neh­mern zum Ar­beits­all­tag. Oft­mals wird an ge­wis­sen Ta­gen zu Hau­se, an an­dern im Bü­ro ge­ar­bei­tet. Die­se ver­gleichs­wei­se neue Ar­beits­form führt zu zahl­rei­chen Rechts­fra­gen im Zu­sam­men­hang mit Ar­beits­ort, Ar­beits­zeit, Da­ten­si­cher­heit, Er­reich­bar­keit und Ent­schä­di­gung für die Nut­zung der In­fra­struk­tur. Das Bun­des­ge­richt hat sich nun in ei­nem Ent­scheid vom April 2019 zur um­strit­te­nen Fra­ge ge­äus­sert, ob sich ein Ar­beit­ge­ber an den Miet­kos­ten ei­nes Ar­beit­neh­mers, wel­cher sei­ne Ar­beit voll­stän­dig von zu Hau­se aus er­le­dig­te, be­tei­li­gen muss. Dies wur­de im Ent­scheid bejaht. 

Abs­tract: Wenn ein Ar­beit­neh­mer zu Hau­se ar­bei­tet, weil ihm vom Ar­beit­ge­ber kein oder kein ge­eig­ne­ter Ar­beits­platz zur Ver­fü­gung ge­stellt wird, so gel­ten Aus­la­gen für die pri­va­te Ar­beits­in­fra­struk­tur zu Hau­se als für die Be­rufs­aus­übung not­wen­dig im Sin­ne von Art. 327a OR und sind er­stat­tungs­pflich­tig. Dies wur­de vom Bun­des­ge­richt im Zu­sam­men­hang mit ei­ner von ei­nem Ar­beit­neh­mer ver­lang­ten fi­nan­zi­el­len Be­tei­li­gung des Ar­beit­ge­bers an den Miet­kos­ten für ein als Ar­beits­zim­mer und Ar­chiv die­nen­des Zim­mer ent­schie­den. Die Hö­he der Ent­schä­di­gung kann vom Rich­ter ge­schätzt wer­den, da ei­ne ge­naue Ab­rech­nung für die un­ter­schied­li­chen Nut­zun­gen (Privat/Arbeit) nicht mög­lich ist.

Der Entscheid

Dem Ent­scheid (Ur­teil 4A_533/2018 vom 23. April 2019) lag im We­sent­li­chen fol­gen­der Sach­ver­halt zu­grun­de:
Ein Ar­beit­neh­mer war aus­hilfs­wei­se für die In­ha­be­rin ei­nes Ein­zel­un­ter­neh­mens im Be­reich Steu­ern und Treu­hand tä­tig. Der Ar­beit­neh­mer ver­rich­te­te sei­ne Ar­beit aus­schliess­lich von zu Hau­se aus, ihm stand kein Bü­ro­ar­beits­platz bei sei­ner Ar­beit­ge­be­rin zur Ver­fü­gung. In sei­ner Woh­nung dien­te ihm ein Zim­mer als Ar­beits­zim­mer, wel­ches auch als Ar­chiv für die Ein­zel­un­ter­neh­mung ge­nutzt wur­de. Die Par­tei­en hat­ten im schrift­li­chen Ar­beits­ver­trag da­zu nichts fest­ge­hal­ten und die Ar­beit­ge­be­rin mach­te gel­tend, es sei dies­be­züg­lich we­der münd­lich noch schrift­lich et­was ver­ein­bart wor­den, wes­halb sie kei­ne Ent­schä­di­gung für die Miet­kos­ten schulde. 

Das Bun­des­ge­richt be­stä­tig­te den Ent­scheid der Vor­in­stanz, wel­che dem Ar­beit­neh­mer ei­ne Ent­schä­di­gung für die Mie­te des Arbeitszimmers/Archivs zu­sprach. Das Bun­des­ge­richt stütz­te sei­nen Ent­scheid auf Art. 327a OR und hielt fest, dass der Ar­beit­ge­ber dem Ar­beit­neh­mer al­le durch die Aus­füh­rung der Ar­beit not­wen­dig ent­ste­hen­den Aus­la­gen zu er­set­zen ha­be. Von die­ser Be­stim­mung kön­ne nur zu­guns­ten des Ar­beit­neh­mers ab­ge­wi­chen wer­den. Zwar ha­be der Ar­beit­neh­mer nicht gel­tend ge­macht, er ha­be das Zim­mer, wel­ches als Arbeitszimmer/Archiv dien­te, im Hin­blick auf sei­ne Ho­me­of­fice-Tä­tig­keit ge­mie­tet. Es sei aber un­be­strit­ten, dass ihm vom Ar­beit­ge­ber kein ge­eig­ne­ter Ar­beits­platz zur Ver­fü­gung ge­stellt wor­den sei. In die­sen Fäl­len sei die Ar­beits­in­fra­struk­tur zu Hau­se für die Be­rufs­aus­übung not­wen­dig und nach Art. 327a OR er­stat­tungs­pflich­tig. Als nicht sach­ge­recht be­ur­teil­te das Bun­des­ge­richt die Ar­gu­men­ta­ti­on, dass der Ar­beit­neh­mer die Woh­nung un­ab­hän­gig von der Ho­me­of­fice-Ar­beit ge­mie­tet hat­te, wes­halb er die Aus­la­gen oh­ne­hin ge­habt hät­te, mit­hin die be­ruf­li­che Nut­zung nicht der ent­schei­den­de Grund für die Mie­te der Woh­nung ge­we­sen sei. Fer­ner hielt es fest, es spie­le kei­ne Rol­le, ob die Aus­la­gen di­rekt oder in­di­rekt ent­stan­den sei­en. Es sei­en Aus­la­gen ge­tä­tigt wor­den, wel­che in­di­rekt auch dem Ar­beit­ge­ber zu Gu­te kä­men. Die Si­tua­ti­on sei mit je­ner ver­gleich­bar, in wel­cher ein Pri­vat­au­to für Ge­schäfts­fahr­ten ver­wen­det wer­de. Die Vor­in­stanz ha­be so­mit kein Bun­des­recht ver­letzt, wenn sie vor dem Hin­ter­grund, dass dem Ar­beit­neh­mer von der Ar­beit­ge­be­rin kein ge­eig­ne­ter Ar­beits­platz zur Ver­fü­gung ge­stellt wur­de, ei­ne Ent­schä­di­gung zu­ge­spro­chen ha­be. Ab­schlies­send hielt es fest, dass im Üb­ri­gen zu­sätz­lich zu be­ach­ten sei, dass das Zim­mer nicht nur als Ar­beits­zim­mer son­dern auch als Ar­chiv ge­nutzt wurde. 

Die Vor­in­stanz hat­te die Hö­he der Ent­schä­di­gung ge­schätzt und auf CHF 150.00 mo­nat­lich fest­ge­legt. Das Bun­des­ge­richt be­stä­tig­te die­se Vor­ge­hens­wei­se. Es führ­te da­zu aus, es dür­fe vom Ar­beit­neh­mer in Be­zug auf die Aus­la­gen kein stren­ger Be­weis ver­langt wer­den. Ef­fek­tiv ge­hab­te Aus­la­gen, wel­che zif­fern­mäs­sig nicht mehr be­weis­bar sei­en, sei­en vom Rich­ter in ana­lo­ger An­wen­dung von Art. 42 Abs. 2 OR – ei­ne Norm zur Er­mitt­lung des zif­fern­mäs­sig nicht nach­weis­ba­ren Scha­dens – zu schät­zen. Da es auf der Hand lie­ge, dass es dem Ar­beit­neh­mer nicht mög­lich sei, die Auf­tei­lung zwi­schen pri­va­ter bzw. an­der­wei­ti­ger Nut­zung des Zim­mers ei­ner­seits und der Nut­zung für die Ho­me­of­fice-Ar­beit an­der­seits zif­fern­mäs­sig ge­nau dar­zu­tun, sei die Schät­zung zu Recht erfolgt. 

Würdigung

Der Ent­scheid des Bun­des­ge­richts ist zu be­grüs­sen. Er schafft in Über­ein­stim­mung mit der herr­schen­den Leh­re da­hin­ge­hend Klar­heit, dass pri­va­te Miet­kos­ten als Aus­la­gen im Sin­ne von Art. 327a OR gel­ten und dass sich die Ar­beit­ge­be­rin an die­sen Aus­la­gen fi­nan­zi­ell be­tei­li­gen muss, wenn dem Ar­beit­neh­mer kein oder kein ge­eig­ne­ter Ar­beits­platz bei der Ar­beit­ge­be­rin zur Ver­fü­gung steht. Dies gilt auch dann, wenn die Par­tei­en nichts da­zu ver­ein­bart ha­ben. Der Ent­scheid be­trifft die Miet­kos­ten, dürf­te aber auch für an­de­re «pri­va­te» Aus­la­gen wie Kos­ten für Abon­ne­men­te, An­schlüs­se, Strom usw. gel­ten. Da­von kann ge­stützt auf Art. 327a OR nur durch ei­ne ver­trag­li­che Re­ge­lung zu Guns­ten des Ar­beit­neh­mers ab­ge­wi­chen wer­den. Mög­lich ist aber, durch schrift­li­che Ab­re­de, Nor­mal­ar­beits­ver­trag oder Ge­samt­ar­beits­ver­trag ei­ne fes­te Ent­schä­di­gung zu ver­ein­ba­ren. Ei­ne sol­che pau­scha­le Ab­gel­tung muss in­des al­le not­wen­dig ent­ste­hen­den Aus­la­gen de­cken (Art. 327a Abs. 2 OR). 

Offene Fragen

Der Bun­des­ge­richts­ent­scheid be­trifft ei­nen Spe­zi­al­fall, näm­lich den­je­ni­gen, dass ein Ar­beit­neh­mer aus­schliess­lich zu Haue ar­bei­tet, weil ihm bei der Ar­beit­ge­be­rin kein ge­eig­ne­ter Ar­beits­platz zur Ver­fü­gung steht. In der Pra­xis ist die­se Art des Ho­me­of­fice die Aus­nah­me. Üb­li­cher­wei­se wird teils zu Hau­se, teils im Bü­ro ge­ar­bei­tet. Wie es sich dies­be­züg­lich mit der Ent­schä­di­gungs­pflicht für Aus­la­gen nach Art. 327a OR ver­hält, konn­te im Ent­scheid des Bun­des­ge­richts auf­grund der spe­zi­el­len Aus­gangs­la­ge of­fen­blei­ben. Die­se Fra­ge ist in der Li­te­ra­tur tat­säch­lich nicht un­um­strit­ten. So wird ei­ner­seits vor­ge­bracht, le­dig­lich bei Feh­len ei­nes vom Ar­beit­ge­ber zur Ver­fü­gung ge­stell­ten Ar­beits­plat­zes kön­ne von ei­ner Not­wen­dig­keit der pri­va­ten Ar­beits­in­fra­struk­tur aus­ge­gan­gen wer­den. An­der­seits wird in ei­nem Be­richt des Bun­des­ra­tes zur Ho­me­of­fice-Tä­tig­keit sinn­ge­mäss die Mei­nung ver­tre­ten, wenn Ar­beit­neh­me­rin und Ar­beit­ge­ber ver­ein­bart hät­ten, dass die Ar­beit­neh­me­rin ih­re Ar­beit teil­wei­se zu Hau­se er­le­di­gen dür­fe, kön­ne nicht aus­ge­schlos­sen wer­den, dass die In­fra­struk­tur zu Hau­se zur «ver­trag­li­chen» Ar­beits­er­fül­lung not­wen­dig sei, da die Ho­me­of­fice-Tä­tig­keit ja ge­ra­de Ge­gen­stand der ver­trag­li­chen Ver­ein­ba­rung sei.

Ei­ne wei­te­re of­fe­ne Fra­ge im Zu­sam­men­hang mit Ho­me­of­fice-Tä­tig­kei­ten stellt sich bei Teil­zeit-Ar­beit­neh­men­den. In der Li­te­ra­tur wird mit­un­ter ar­gu­men­tiert, dass Aus­la­gen für Ho­me­of­fice-Tä­tig­kei­ten dann ge­mäss Art. 327a OR zu er­set­zen sind, wenn die Ho­me­of­fice-Ar­beit von der Ar­beit­ge­be­rin an­ge­ord­net wor­den ist. Die meis­ten Teil­zeit­ar­bei­ten­den sind an ge­wis­sen Ta­gen im Bü­ro, an an­de­ren nicht. Nun ist es aber in vie­len Dienst­leis­tungs­be­ru­fen üb­lich, dass die Ar­beit­ge­be­rin ex­pli­zit oder im­pli­zit er­war­tet, dass der Ar­beit­neh­mer an den ar­beits­frei­en Ta­gen er­reich­bar ist und drin­gen­de Ar­bei­ten er­le­digt. Dies ge­schieht dann oft von zu Hau­se aus, da der Ar­beit­neh­mer kei­ne Mög­lich­keit hat, ins Bü­ro zu ge­lan­gen, et­wa wenn Kin­der be­treut wer­den müs­sen. Es kann des­halb durch­aus die Fra­ge ge­stellt wer­den, ob es sich bei die­sen Ein­sät­zen um an­ge­ord­ne­te Ho­me­of­fice-Ar­beit han­delt, wel­che ei­ne Ent­schä­di­gungs­pflicht ge­stützt auf Art. 327a OR auslöst. 

Empfehlung für die Praxis

Vor dem Hin­ter­grund der nach wie vor nicht voll­stän­dig ge­klär­ten Rechts­la­ge in Be­zug auf die Ent­schä­di­gun­gen, wel­che bei Ho­me­of­fice-Tä­tig­kei­ten ge­schul­det sind, ist Ar­beit­ge­be­rin­nen zu ra­ten, in Ar­beits­ver­trä­gen die Ho­me­of­fice-Ar­beit zu re­geln, na­ment­lich auch die Fra­ge, in wel­chen Fäl­len ein Bei­trag an die Mie­te ge­leis­tet wird und in wel­chen nicht bzw. al­len­falls ein re­du­zier­ter. Je nach den be­trieb­li­chen Be­dürf­nis­sen kön­nen sol­che Be­stim­mun­gen mehr oder we­ni­ger de­tail­liert aus­fal­len. Ei­ne ein­heit­li­che Re­ge­lung macht aber in je­dem Fall Sinn, ist doch das Home-Of­fice mit zu­neh­men­der Be­liebt­heit auch zu­neh­mend ein Herd für Kon­flik­te, ins­be­son­de­re wenn Ar­beit­ge­ber dies­be­züg­lich ad hoc — Ent­schei­de fäl­len, wel­che dann zu un­ter­schied­li­cher Be­hand­lung der Ar­beit­neh­mer führen. 

Über den Autor/die Autorin

Corina Ursprung

Neueste Beiträge

Ältere Beiträge

Stichwörter