Will eine öffentlich-rechtliche Arbeitgeberin ihren Mitarbeiter aus Leistungs- oder Verhaltensgründen entlassen, so muss sie ihm zunächst die Möglichkeit einräumen sich zu verbessern, das heisst dem Mitarbeiter ist eine Bewährungsfrist einzuräumen. Vorgesetzte sind nicht zuletzt wegen unzureichender Kenntnisse der Abläufe mit diesem Vorgehen regelmässig überfordert oder verhalten sich vor oder während der Bewährungsfrist ambivalent. Dies führt zu unnötiger Frustration bei den Beteiligten und zu Prozessrisiken. Beides kann deutlich verringert werden.
Abstract: Wird eine Kündigung aufgrund mangelnder Leistung oder unbefriedigenden Verhaltens in Aussicht genommen, ist dies dem Mitarbeiter im Rahmen einer Mitarbeiterbeurteilung (MAB) oder einer Mahnung zu eröffnen und es ist im daraufhin eine Bewährungsfrist einzuräumen. Je früher ein solches Vorgehen anhand genommen wird und je klarer die Bewährungsziele definiert werden, desto fairer ist der Prozess und desto besser sind erfahrungsgemäss die Ergebnisse. Ein Verzicht auf eine Bewährungsfrist ist in Ausnahmefällen möglich, ebenso eine Verkürzung derselben, wenn das öffentliche Interesse am vorzeitigen Abbruch überwiegt.
Bewährungsfrist als Voraussetzung einer Kündigung
Die Kündigung im öffentlichen Dienstrecht darf nicht missbräuchlich nach den Bestimmungen des Obligationenrechts sein und setzt einen sachlich zureichenden Grund voraus (vgl. z.B. § 18 Abs. 3 Personalgesetz Kanton Zürich). Ein sachlich zureichender Grund besteht namentlich, wenn mangelhafte Leistungen oder unbefriedigendes Verhalten vorliegen, die Stelle aus organisatorischen oder wirtschaftlichen Gründen aufgehoben wird und eine andere, zumutbare Stelle nicht angeboten werden kann oder abgelehnt wird (sog. Kündigung aus organisatorischen Gründen), oder der Mitarbeiter aus gesundheitlichen Gründen während langer Zeit wiederholt oder dauernd an der Erfüllung der Aufgaben verhindert ist (sog. Kündigung wegen langandauernder Krankheit). Wird eine Kündigung aufgrund mangelnder Leistung oder unbefriedigenden Verhaltens in Aussicht genommen, ist dies dem Mitarbeiter im Rahmen einer Mitarbeiterbeurteilung (MAB) oder einer Mahnung zu eröffnen. Eine sinnvolle Bewährungsfrist beträgt in der Regel drei Monate und wird schriftlich angesetzt. Nach Ablauf der Bewährungsfrist wird erneut eine Mitarbeiterbeurteilung bzw. Überprüfung durchgeführt.
Bewährung – zwischen Fakten und Farce
Das Gesetz zeigt einen klaren Weg auf, an dessen Anfang die Erkenntnis steht, dass die Leistung bzw. das Verhalten einer Mitarbeiterin ungenügend sind. Die betriebliche Realität ist oft weniger trennscharf. Einer ausserordentlichen MAB, an der der Mitarbeiterin eröffnet wird, ihr drohe die Kündigung, wenn sie nicht innerhalb einer bestimmten Bewährungsfrist ihre Leistung bzw. ihr Verhalten verbessert, gehen meist Monate oder gar Jahre der Kritik voraus. Zum Teil ist diese Kritik gut belegt durch protokollierte Mitarbeitergespräche und MAB. In der Praxis ist aber erstaunlich häufig folgende Ausgangslage anzutreffen: Die Vorgesetzte hat zwar immer wieder Gespräche geführt oder mündlich Kritik geübt, Beschwerden an die Mitarbeiterin weitergegeben und diese um eine Erklärung gebeten. Dokumentiert wurde aber nur sehr sporadisch oder gar nicht. Vor der ausserordentlichen MAB oder Mahnung ist die Haltung eine wohlwollende, die Führung ist ressourcen- und nicht defizitorientiert, die mangelhafte Leistung oder das unbefriedigende Verhalten haben für die Mitarbeiterin keine Konsequenzen mit Ausnahme der sporadischen Tadel, welche mit zunehmender Wiederholung ihre ohnehin bescheidene Wirkung verlieren. Irgendwann kommt es zum berühmten Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt und eine ausserordentliche MAB wird anberaumt. Von diesem Moment an findet häufig ein regelrechter Shift statt hin zur defizitorientierten Führung und Bewertung. Meist hat das Vertrauensverhältnis zwischen Mitarbeiterin und Vorgesetzter aufgrund der langandauernden Kritik und der unterlassenen Berücksichtigung derselben arg gelitten. Mit verhärteten Fronten steigen die Parteien in die Bewährungsfrist.
Von betroffenen Mitarbeitern wird in solchen Fällen eine Bewährungsfrist oft als Farce und schikanös angesehen. Vorgesetzte wiederum sehen sich zum gesetzlich vorgesehenen Verfahren gezwungen, wenngleich sie selbst regelmässig kein Vertrauen mehr in die Verbesserung der gerügten Mängel hegen. Das Institut der Bewährungsfrist kann damit in vielen Fällen seine wichtige Aufgabe nicht erfüllen. Dessen ungeachtet führt de lege lata kaum ein Weg an der Bewährungsfrist vorbei.
Erkenntnisse aus der Praxis
Besser früher als später. Ausserordentliche MAB bzw. Mahnungen sind unangenehm, genauso wie es die Kündigung eines Mitarbeiters ist, weshalb diese oft hinausgeschoben werden. Leistungen sind oft nicht konstant schlecht, unzuverlässige Mitarbeiter können wieder Episoden der Besserung zeigen. Vorgesetzte nehmen solche temporären Verbesserungen gerne zum Anlass, das unangenehme – und oft unvermeidbare – Vorgehen einstweilen wieder zurückzustellen. Dabei gibt es an sich keinen guten Grund, mit einer ausserordentlichen MAB oder Mahnung und dem Ansetzen einer Bewährungsfrist zuzuwarten. Es gibt aber ein paar gute Gründe dafür, besser früher als später in diesen Prozess einzusteigen. Ein Vorgesetzter, der so vorgeht, muss sich nicht den Vorwurf gefallen lassen, er hätte die plötzlich monierten Mängel jahrelang nicht beanstandet, weshalb es treuwidrig wäre, diese zum Kündigungsgrund zu erheben. Es ist ausserdem in jedem Fall besser, den Prozess zu einem Zeitpunkt zu initiieren, in dem die Beziehung zum Vorgesetzten noch intakt ist. Wird die Bewährungsfrist zu einem Zeitpunkt angesetzt, in welchem die Führung ohnehin nur noch erschwert möglich ist, weil das Verhältnis zum Mitarbeiter gerade aufgrund der Mängel und der auf Seiten des Vorgesetzten aufgestauten Frustration stark gelitten hat, wird die Diskussion um die Leistung oft als vorgeschoben wahrgenommen. Der Kern wird auf der Beziehungsebene verortet, dabei ist es oft gerade umgekehrt; die Beziehung leidet, weil ein Vorgesetzter nicht den Mut hatte, die Schwierigkeiten auf der Leistungsebene zu einem frühen Zeitpunkt anzugehen.
Wenige, messbare und realistische Ziele. So einfach diese Losung klingt, so schwierig ist die Umsetzung in der Praxis. Oft kommt gerade in späten Beurteilungssituationen ein ganzes Konglomerat an Leistungs- und Verhaltensdefiziten zur Kritik. Der Vorgesetzte will dann möglichst alles in einem Aufwasch erledigen. Dies führt zu einem sehr hohen Führungsaufwand für die Zeit der Bewährung, wirkt oft schikanös und wird dem Umstand nicht gerecht, dass niemand perfekt ist und Perfektion von einem Mitarbeiter auch während einer Bewährungsfrist nicht zu erwarten ist. Erfahrungsgemäss wissen Vorgesetzte sehr genau, weshalb sie die Zukunft eines Mitarbeiters in ihrer Abteilung bzw. in dieser Stellung in Frage gestellt sehen. Meistens lassen sich die vielen diffusen Kritikpunkte zu ein paar wenigen, aber umso berechtigteren Kritikpunkte reduzieren. In die Vorbereitung der ausserordentlichen MAB oder Mahnung und der daraus abgeleiteten Ziele, welche bis zum Ablauf der Bewährungsfrist erreicht werden müssen, ist deshalb die gebührende Zeit und Sorgfalt zu investieren. Schnellschüsse verbieten sich, nicht nur aufgrund der Tragweite, welche die Bewährungsfrist und insbesondere das Nichtbestehen für den betreffenden Mitarbeiter hat. Die Glaubwürdigkeit der Führung leidet bei unüberlegten Aktionen während das Prozessrisiko steigt.
So kurz wie möglich, so lange wie nötig. Als Faustregel wagt die Autorin zu formulieren: Je besser eine ungenügende Leistung bzw. ein unbefriedigendes Verhalten bereits vor der ausserordentlichen MAB bzw. Mahnung belegt ist und je wichtiger die Beseitigung des gerügten Missstands für die betreffende Stelle bzw. im betreffenden Arbeitsumfeld ist, desto kürzer kann die Frist angesetzt werden. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass wenn die ausserordentliche MAB bzw. Mahnung eher überraschend für die Mitarbeiterin kommt, eine etwas längere Bewährungsfrist zu gewähren ist, damit eine Verbesserung der Leistung oder des Verhaltens auch realistisch ist.
Verkürzung vor Verzicht
Manchmal kommt es vor, dass das Ansetzen einer Bewährungsfrist nicht nur von der betreffenden Mitarbeiterin als Farce empfunden wird, sondern tatsächlich nur noch dazu dient, die Formvorschriften einzuhalten. Das Ergebnis – das Arbeitsverhältnis auflösen zu wollen – steht beim Ansetzen der Bewährungsfrist bereits fest. Unter bestimmten Voraussetzungen kann auf das Ansetzen einer Bewährungsfrist verzichtet werden, insbesondere wenn feststeht, dass die betroffene Person auch mit angemessenen Förderungsmassnahmen nicht in der Lage sein wird, die Bewährungsfrist zu bestehen, bzw. die betroffene Person nicht gewillt ist, ihre Leistung oder ihr Verhalten während der Bewährungsfrist zu ändern. Es ist indes nicht ratsam, ohne weiteres auf das Ansetzen einer Bewährungsfrist zu verzichten. Regelmässig fehlt es der vorangegangen Kritik an der genügenden Deutlichkeit, als dass der Arbeitgeber sich auf den Standpunkt stellen könnte, die Bewährungsfrist würde nicht dazu führen, dass sich die Mitarbeiterin verbessern würde. Jedenfalls reicht es bei weitem nicht, dass ein Verhalten oder eine Leistungseinbusse schon einmal thematisiert wurden. In den wenigsten Fällen werden die Voraussetzungen für den Verzicht auf eine Bewährungsfrist gegeben sein. Gerade auch vor diesem Hintergrund verbietet es sich, mit der Bewährungsfrist zu warten, bis die Schwierigkeiten so weit fortgeschritten sind, dass man sich eine Bewährungsfrist von ein paar Monaten aus betrieblichen Gründen (massive Qualitätseinbussen, entnervte Teammitglieder, etc.) an sich kaum noch leisten kann.
Hingegen ist es unter Umständen nicht nötig, den Ablauf der gesetzten Bewährungsfrist abzuwarten. Ist bereits vor Ablauf der Bewährungsfrist absehbar, dass die Ziele nicht erreicht werden können, bzw. sind bereits kurz nach Ansetzen der Bewährungsfrist wieder Verstösse gegen die Bewährungsvorgaben eingetreten, kann es unter Umständen aus Gründen des öffentlichen Interesses an einer gut funktionierenden Verwaltung zulässig sein, die Bewährungszeit schon früher für beendet zu erklären. In einem neueren Entscheid hat das Verwaltungsgericht Zürich ein derartiges Vorgehen einer Gemeindepolizei geschützt. Der betreffende Mitarbeiter war als Polizist tätig und hatte während der Bewährungsfrist gegen die klare Weisung der vorangegangenen MAB verstossen, keine Tätigkeit für sein privates Unternehmen während der Arbeitszeit zu verrichten und fortan die vom Polizeichef angeordneten Fusspatrouillen und Kontrollen des ruhenden Verkehrs durchzuführen. Das Verwaltungsgericht kam zum Schluss, dass angesichts namentlich der Vielfältigkeit und Regelmässigkeit der Verstösse eine Weiterbeschäftigung des Polizisten offenkundig dem öffentlichen Interesse an einer gut funktionierenden Verwaltung bzw. Polizei widersprochen hätte (vgl. 2018.00642 vom 3. April 2019, E. 5.3.5 f.). Der Entscheid macht indes deutlich, dass eine Verkürzung der Bewährungsfrist nicht ohne weiteres möglich ist, sondern bei einer Abwägung der Interessen des Mitarbeiters und der öffentlichen Interessen der Arbeitgeberin letztere überwiegen müssen.