Eine Schlechterfüllung von Nebenaufgaben rechtfertigt eine Kündigung unter Umständen nicht

Vor kur­zem hat sich das Ver­wal­tungs­ge­richt des Kan­tons Zü­rich wie­der ein­mal ein­ge­hend mit der Kün­di­gung auf­grund man­geln­der Leis­tung oder un­be­frie­di­gen­den Ver­hal­tens be­fasst. Der Ent­scheid zeigt deut­lich, wie wich­tig die Do­ku­men­ta­ti­on der ge­rüg­ten Män­gel ist. Fer­ner kön­nen dem Ent­scheid die grund­le­gen­den Leit­li­ni­en für ei­ne Kün­di­gung auf­grund man­geln­der Leis­tun­gen oder un­be­frie­di­gen­den Ver­hal­tens ent­nom­men wer­den. Der Ent­scheid ver­an­schau­licht aber auch die Not­wen­dig­keit ei­ner In­ter­es­sen­ab­wä­gung im Einzelfall.

Abs­tract: Das Ver­wal­tungs­ge­richt des Kan­tons Zü­rich hat ei­ne vom Be­zirks­rat noch ge­schütz­te Kün­di­gung als un­recht­mäs­sig be­ur­teilt und die Ar­beit­ge­be­rin zu ei­ner Ent­schä­di­gung von fünf Mo­nats­löh­nen ver­pflich­tet. Es er­ach­te­te die Kün­di­gung als un­ver­hält­nis­mäs­sig. Zu die­sem Ent­scheid ge­führt ha­ben ei­ne schlech­te Do­ku­men­ta­ti­on der ge­rüg­ten Män­gel so­wie der Um­stand, dass der Mit­ar­bei­ter in An­wen­dung des Ver­hält­nis­mäs­sig­keits­prin­zips noch­mals hät­te er­mahnt wer­den müs­sen. So­dann mach­te das Ver­wal­tungs­ge­richt ei­ne Un­ter­schei­dung zwi­schen der Schlecht- bzw. Nicht­er­fül­lung von Haupt- und von Ne­ben­auf­ga­ben. Auch wenn es im vor­lie­gen­den Fall of­fen­liess, ob die Schlecht­er­fül­lung von Ne­ben­auf­ga­ben die Kün­di­gung recht­fer­ti­ge, so kann dem Ent­scheid ins­ge­samt ent­nom­men wer­den, dass in die­sen Fäl­len be­deu­tend hö­he­re An­for­de­run­gen ge­stellt wer­den, als wenn es sich um ei­ne Schlecht­er­fül­lung von Haupt­auf­ga­ben handelt.

Der Entscheid

Das Ver­wal­tungs­ge­richt hat­te über die Recht­mäs­sig­keit ei­ner Kün­di­gung zu ent­schei­den (Ent­scheid VGer vom 12. Sep­tem­ber 2019, VB.2019.00253). Der Be­zirks­rat hat­te die Kün­di­gung noch ge­schützt, das Ver­wal­tungs­ge­richt be­ur­teil­te sie als nicht ge­recht­fer­tigt und ver­pflich­te­te die Ar­beit­ge­be­rin zur Zah­lung ei­ner Ent­schä­di­gung von fünf Mo­nats­löh­nen. Es hielt ein­lei­tend fest, dass ei­ne Kün­di­gung ei­nen sach­lich zu­rei­chen­den Grund vor­aus­set­ze und nicht miss­bräuch­lich nach den Be­stim­mun­gen des Ob­li­ga­tio­nen­rechts sein dür­fe. Grund­sätz­lich sei ei­ne Kün­di­gung dann sach­lich be­grün­det, wenn die Wei­ter­be­schäf­ti­gung der be­tref­fen­den an­ge­stell­ten Per­son dem öf­fent­li­chen In­ter­es­se, ins­be­son­de­re dem­je­ni­gen ei­ner gut funk­tio­nie­ren­den Ver­wal­tung, wi­der­spre­che. Dies kön­ne na­ment­lich der Fall sein, wenn man­gel­haf­te Leis­tun­gen oder un­be­frie­di­gen­des Ver­hal­ten vor­lie­gen wür­den. Auf­grund der Of­fen­heit und Un­be­stimmt­heit die­ser Um­schrei­bung ste­he den Ver­wal­tungs­be­hör­den beim Ent­scheid über ei­ne Kün­di­gung ein Be­ur­tei­lungs­spiel­raum zu. Vor­be­hal­ten sei­en aber im­mer die all­ge­mei­nen ver­fas­sungs­recht­li­chen Schran­ken wie das Will­kür­ver­bot, der Grund­satz von Treu und Glau­ben so­wie das Verhältnismässigkeitsprinzip. 

Die Kün­di­gung be­traf ei­nen In­ge­nieur bzw. Pro­jekt­lei­ter Tief­bau und wur­de mit feh­len­der Eig­nung und Taug­lich­keit be­grün­det. Dem Pro­jekt­lei­ter wur­de vor­ge­wor­fen, es sei ihm vor al­lem im Be­reich Pro­jekt­ma­nage­ment bis zu­letzt nicht ge­lun­gen, die ge­setz­ten Ter­mi­ne ein­zu­hal­ten und er ha­be von sei­nen Vor­ge­setz­ten im­mer wie­der auf noch nicht be­ar­bei­te­te Pro­jek­te hin­ge­wie­sen wer­den müs­sen. Ge­ne­rell sei sei­ne Ar­beits­or­ga­ni­sa­ti­on und die Qua­li­tät (z.B. Flüch­tig­keits­feh­ler) un­ge­nü­gend ge­we­sen und er ha­be für die von ihm aus­ge­üb­te Po­si­ti­on und die Dau­er sei­ner An­stel­lung zu we­nig Selb­stän­dig­keit und Ei­gen­ver­ant­wor­tung ge­zeigt. Im zwi­schen­mensch­li­chen Be­reich – im Um­gang mit Kun­den und ex­ter­nen An­sprech­part­nern so­wie dem ei­ge­nen Team – ha­be er schliess­lich eben­falls Schwä­chen ge­zeigt. Er sei vor der Kün­di­gung di­ver­se Ma­le mit sei­nen De­fi­zi­ten kon­fron­tiert wor­den, oh­ne dass sich sei­ne Leis­tung und sein Ver­hal­ten nach­hal­tig ver­bes­sert hät­ten, wes­halb auf die An­set­zung ei­ner Be­wäh­rungs­frist ver­zich­tet wor­den sei. 

Das Ver­wal­tungs­ge­richt prüf­te die gel­ten ge­mach­ten Vor­hal­te ein­ge­hend. Die er­wähn­ten Rü­gen fie­len auf­grund der Ak­ten­la­ge in sich zu­sam­men. Das Ver­wal­tungs­ge­richt hielt zwar fest, bei Be­trach­tung der wäh­rend der An­stel­lungs­dau­er ge­mach­ten Vor­hal­te be­züg­lich der Leis­tun­gen und des Ver­hal­tens des Pro­jekt­lei­ters, ent­ste­he ins­ge­samt der Ein­druck, die­ser ha­be den Vor­ga­ben sei­nes Vor­ge­setz­ten trotz er­kenn­ba­rer Be­mü­hun­gen ein­fach nicht zu ge­nü­gen ver­mocht. Der Pro­jekt­lei­ter ha­be aber, was sei­ne Kern­kom­pe­ten­zen (Über­wa­chung und Be­glei­tung bei der Er­ar­bei­tung von Tief­bau­pro­jek­ten, Bau­lei­tung) an­be­lan­ge, über die ge­sam­te Dau­er des An­stel­lungs­ver­hält­nis­ses ge­se­hen kei­ne ein­zi­ge ne­ga­ti­ve Rück­mel­dung bzw. Be­ur­tei­lung sei­tens der Ar­beit­ge­be­rin er­hal­ten. An­lass für Be­an­stan­dun­gen hät­ten le­dig­lich die (Neben-)Punkte Zah­lungs­ver­kehr, Ter­min­ver­läss­lich­keit, Pro­jekt­ma­nage­ment und die For­mu­lie­rung von An­trä­gen zu­han­den der Exe­ku­ti­ve ge­ge­ben. Auf­grund der Ak­ten sei­en ein­zig der Vor­wurf der un­ge­nü­gen­den Qua­li­tät der vom Be­schwer­de­füh­rer ver­fass­ten Schrift­stü­cke und der Vor­wurf des un­be­frie­di­gen­den Ver­hal­tens (teil­wei­se) be­legt. Es sei des­halb zwei­fel­haft, ob den be­an­stan­de­ten De­fi­zi­ten, so­weit über­haupt ak­ten­mäs­sig er­stellt, aus­rei­chend Ge­wicht zu­kom­me, um die Ent­las­sung ei­nes im Kün­di­gungs­zeit­punkt über 60-jäh­ri­gen Mit­ar­bei­ters zu rechtfertigen. 

Die Un­recht­mäs­sig­keit der Kün­di­gung wur­de aber schliess­lich da­mit be­grün­det, dass die­se un­ver­hält­nis­mäs­sig sei. So sei der Pro­jekt­lei­ter in Be­zug auf sein Ver­hal­ten vor der Kün­di­gung – und nach ei­nem ak­ten­kun­di­gen Vor­fall – nie er­mahnt wor­den. Fer­ner hand­le es sich bei der eben­falls ak­ten­kun­di­gen man­gel­haf­ten Vor­be­rei­tung von Stadt­rats­be­schlüs­sen um ei­ne von vie­len un­ter­ge­ord­ne­ten Auf­ga­ben des Pro­jekt­lei­ters. Die­ser ha­be über­dies zu Recht sein Haupt­au­gen­merkt auf die in­halt­li­che und fach­li­che Kor­rekt­heit der be­tref­fen­den Schrift­stü­cke ge­rich­tet so­wie die Be­ach­tung von For­ma­li­en in An­be­tracht der – un­be­strit­te­n­er­mas­sen – eher knap­pen zeit­li­chen Res­sour­cen hin­ten­an­ge­stellt. Ein­zig bei der Be­grün­dung der Bud­get­ab­wei­chun­gen ha­be vom Be­schwer­de­füh­rer ein hö­he­res Mass an Sorg­falt er­war­tet wer­den dür­fen, als dass die­ser ge­zeigt ha­be. Das Ver­wal­tungs­ge­richt hielt da­zu aber fest, es hand­le sich wie­der­um nicht um ei­ne Haupt­tä­tig­keit. Die Be­grün­dung von Bud­get­ab­wei­chun­gen sei je­weils nur ein­mal im Jahr an­ge­fal­len. Da er von sei­nem Vor­gän­ger nicht in die Ver­fah­rens­ab­läu­fe ein­ge­ar­bei­tet wor­den sei und man ihm an­läss­lich ei­ner Mit­ar­bei­ter­be­ur­tei­lung, wel­che rund ein Jahr vor der Er­öff­nung der Kün­di­gungs­ab­sicht er­folgt war, at­tes­tiert hat­te, er be­herr­sche die Ver­fah­ren be­tref­fend Kre­dit­recht, SR-Be­schlüs­se, usw. nun, wä­re vor der Kün­di­gung ei­ne aus­drück­li­che Er­mah­nung mit dem Hin­weis auf die ge­mach­ten Feh­ler an­ge­zeigt gewesen.

Würdigung des Entscheides und Schlussfolgerungen

Der Ent­scheid des Ver­wal­tungs­ge­richts ist in ver­schie­de­ner Hin­sicht in­ter­es­sant. Zum ei­nen zeigt er klar, dass ei­ne Mit­ar­bei­te­rin, wel­che man­geln­de Leis­tun­gen oder ein un­be­frie­di­gen­des Ver­hal­ten zeigt, auf die­se Män­gel an­ge­spro­chen wer­den muss. Sie muss sich ih­rer «De­fi­zi­te» be­wusst sein und die Mög­lich­keit ha­ben, sich zu ver­bes­sern. Es ist für Vor­ge­setz­te zwar un­an­ge­nehm, Mit­ar­bei­ten­de, wel­che ih­re Leis­tun­gen nicht er­fül­len oder de­ren Ver­hal­ten man­gel­haft ist, dar­auf an­zu­spre­chen. Dies stellt aber ei­ne Füh­rungs­auf­ga­be dar und es führt kein Weg dar­an vor­bei. Die in die­sem Zu­sam­men­hang ge­führ­ten Ge­sprä­che, Fest­stel­lun­gen, Rü­gen, Wei­sun­gen usw. sind — was eben­so zen­tral ist — ak­ten­kun­dig zu ma­chen. Es ist oh­ne Wei­ters vor­stell­bar, dass die Rü­gen, wel­che im obi­gen Fall zur Be­grün­dung der Kün­di­gung vor­ge­bracht wur­den, zu­tref­fen. In­des wa­ren sie in wei­ten Tei­len nicht ak­ten­kun­dig, wes­halb sie das Ver­wal­tungs­ge­richt nicht be­ach­ten konn­te. Oh­ne ent­spre­chen­de Do­ku­men­ta­ti­on ist ein Ver­fah­ren nicht zu ge­win­nen, auch wenn die Kün­di­gung noch so ge­recht­fer­tigt war. 

Eben­falls zeigt der Ent­scheid des Ver­wal­tungs­ge­richts, dass die­ses dem öf­fent­lich-recht­li­chen Ar­beit­ge­ber zwar ei­nen Be­ur­tei­lungs­spiel­raum in Be­zug auf ei­ne Kün­di­gung ein­räumt, die­sen Spiel­raum aber eng aus­legt. So hält es fest, dass ein sach­lich zu­rei­chen­der Grund für ei­ne Kün­di­gung we­gen man­gel­haf­ter Leis­tung oder un­be­frie­di­gen­den Ver­hal­tens vor­aus­set­ze, dass ein Kün­di­gungs­grund von ei­ni­gem Ge­wicht vor­lie­ge. Ge­ring­fü­gi­ge Be­an­stan­dun­gen wür­den hier­für re­gel­mäs­sig nicht aus­rei­chen, son­dern es wer­de ei­ne wie­der­hol­te oder an­dau­ern­de Schlecht- oder Nicht­er­fül­lung von Auf­ga­ben ver­langt. Ob dies auch dann der Fall sein kann, wenn bloss ei­ne Schlecht­er­fül­lung von Ne­ben­auf­ga­ben vor­liegt, liess es zwar aus­drück­lich of­fen. Ins­ge­samt lässt sich aus dem Ent­scheid aber her­aus­le­sen, dass un­be­frie­di­gen­de Leis­tun­gen in Be­zug auf ei­ne ge­mäss Stel­len­pro­fil un­ter­ge­ord­ne­te Auf­ga­be ei­ne Kün­di­gung schwer zu recht­fer­ti­gen vermögen. 

Schliess­lich zeigt der Ent­scheid auch, wie wich­tig die Be­ach­tung der Ver­hält­nis­mäs­sig­keit ist. Dies be­deu­tet – ein we­nig ver­kürzt ge­sagt — dass so­fern da­von aus­ge­gan­gen wer­den kann, dass ei­ne mil­de­re Mass­nah­me den öf­fent­li­chen In­ter­es­sen auch ge­recht wer­den könn­te, die­se Mass­nah­me zu be­vor­zu­gen ist. Auf den vor­lie­gen­den Fall an­ge­wen­det war das Ver­wal­tungs­ge­richt der An­sicht, dass wenn dem Pro­jekt­lei­ter noch­mals klar ge­sagt wor­den wä­re, wel­che An­for­de­run­gen er in der Be­grün­dung der Bud­get­ab­wei­chun­gen zu er­füll­ten ha­be, die­ser sei­ne Auf­ga­ben mög­li­cher­wei­se kor­rekt hät­te aus­füh­ren kön­nen, wes­halb die Kün­di­gung als un­ver­hält­nis­mäs­sig be­ur­teilt wurde. 

Zu­sam­men­fas­send kann al­so fest­ge­hal­ten wer­den, dass kein Weg dar­an vor­bei­führt, Mit­ar­bei­ten­de, wel­che man­gel­haf­te Leis­tun­gen oder un­be­frie­di­gen­des Ver­hal­ten an den Tag le­gen, dar­auf an­zu­spre­chen und die in die­sem Zu­sam­men­hang er­folg­ten Ge­sprä­che, Be­mü­hun­gen usw. zu do­ku­men­tie­ren. So­dann müs­sen die vor­ge­hal­te­nen Män­gel von ei­ni­gem Ge­wicht sein. Je we­ni­ger die Män­gel ei­ne Haupt­auf­ga­be be­tref­fen, des­to schwer­wie­gen­der müs­sen sie sein, um die Kün­di­gung zu recht­fer­ti­gen. Schliess­lich ist auch im­mer dem Grund­satz der Ver­hält­nis­mäs­sig­keit ge­nü­gend Be­ach­tung zu schen­ken. Dies macht im Fal­le ei­ner in Be­tracht ge­zo­ge­nen Kün­di­gung ei­ne recht­li­che Wür­di­gung des Ein­zel­fal­les un­ab­ding­bar. Nur so kön­nen all­fäl­li­ge (Prozess-)risiken rich­tig ein­ge­schätzt werden. 

Über den Autor/die Autorin

Corina Ursprung

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