Home-Office und Kinderbetreuung, Anspruch auf Entschädigung

Das Co­ro­na­vi­rus (COVID-19) hat un­ser aber auch das Le­ben un­se­rer Kin­der auf den Kopf ge­stellt. Am 14. März 2020 hat der Bun­des­rat die Ein­stel­lung des Prä­senz­un­ter­richts an Schu­len an­ge­ord­net. Was für die Schü­le­rin­nen und Schü­ler (zu­min­dest) auf den ers­ten Blick ver­lo­ckend schien, stell­te und stellt vie­le El­tern von schul­pflich­ti­gen Kin­dern aber auch Ar­beit­ge­ben­de vor gros­se Pro­ble­me. Was be­deu­tet es für das Ar­beits­ver­hält­nis, wenn El­tern auf­grund ih­rer Be­treu­ungs­pflich­ten nicht mehr zur Ar­beit vor Ort er­schei­nen kön­nen oder die be­tref­fen­de Tä­tig­keit zwar im Home-Of­fice er­le­digt wer­den kann, auf­grund der Be­reu­ungs- und Be­schu­lungs­pflich­ten aber nicht mehr im glei­chen Um­fang oder mit der glei­chen Ef­fi­zi­enz? Der Bun­des­rat hat die­se schwie­ri­ge Si­tua­ti­on er­kannt und die Ver­ord­nung über Mass­nah­men bei Er­werbs­aus­fall im Zu­sam­men­hang mit dem Co­ro­na­vi­rus (nach­fol­gend: CO­VID-19-Ver­ord­nung Er­werbs­aus­fall) er­las­sen. Die­se sieht ei­ne Ent­schä­di­gung für Per­so­nen vor, wel­che ih­re Er­werbs­tä­tig­keit in­fol­ge Aus­falls der Fremd­be­treu­ung der Kin­der un­ter­bre­chen müs­sen. Der nach­fol­gen­de Bei­trag be­leuch­tet die Fra­ge, ob bei Home-Of­fice ein Ent­schä­di­gungs­an­spruch besteht. 

Abs­tract: Die CO­VID-19-Ver­ord­nung Er­werbs­aus­fall sieht ei­ne Ent­schä­di­gung in Form ei­nes Tag­gel­des für El­tern vor, wel­che ih­re Er­werbs­tä­tig­keit in­fol­ge des Aus­falls der Fremd­be­treu­ung der Kin­der un­ter­bre­chen müs­sen und da­durch ei­nen Er­werbs­aus­fall er­lei­den. Lan­ge war un­klar, ob ein Er­werbs­un­ter­bruch, wel­cher für den Ent­schä­di­gungs­an­spruch vor­aus­ge­setzt wird, auch vor­lie­gen kann, wenn die be­tref­fen­de Tä­tig­keit von zu­hau­se aus er­le­digt wird. In den letz­ten Ta­gen hat sich dies ge­klärt. Ein An­spruch auf Er­werbs­er­satz kann auch ent­ste­hen, wenn auf­grund der Kin­der­be­treu­ung im Home-Of­fice nicht mehr das gan­ze Ar­beits­pen­sum ge­leis­tet wer­den kann und es da­durch zu ei­nem teil­wei­sen Er­werbs­aus­fall kommt. Der Er­werbs­aus­fall muss be­legt werden. 

COVID-19-Verordnung Erwerbsaufall

Die CO­VID-19-Ver­ord­nung Er­werbs­aus­fall sieht ei­nen An­spruch auf ein Tag­geld für El­tern von Kin­dern bis zum voll­ende­ten 12. Al­ters­jahr vor, wenn die­se ih­re Er­werbs­tä­tig­keit in­fol­ge des Aus­falls der Fremd­be­treu­ung un­ter­bre­chen müs­sen (Art. 2 Abs. 1 und 1bis,auch Pfle­ge­el­tern und El­tern von äl­te­ren Kin­dern steht un­ter Um­stän­den ein An­spruch zu). Vor­aus­ge­setzt wird, dass die El­tern ob­li­ga­to­risch bei der AHV ver­si­chert sind und ei­ner un­selb­stän­di­gen oder selb­stän­di­gen Er­werbs­tä­tig­keit nach­ge­hen. Bei der Fremd­be­treu­ung, wel­che weg­fällt, kann es sich um Kin­der­gär­ten, Kin­der­ta­ges­stät­ten, Schu­len, In­sti­tu­tio­nen nach Ar­ti­kel 27 IVG so­wie be­treu­en­de Ein­zel­per­so­nen han­deln, wenn die­se im Sin­ne der CO­VID-19-Ver­ord­nung 2 be­son­ders ge­fähr­de­te Per­so­nen sind (Art. 2 Abs. 5). Wäh­rend der Schul­fe­ri­en be­steht kein Ent­schä­di­gungs­an­spruch, es sei denn, das Kind hät­te durch ei­ne be­son­ders ge­fähr­de­te Per­son oder im Rah­men ei­nes von der Schu­le or­ga­ni­sier­ten An­ge­bots be­treut wer­den sol­len (Art. 2 Abs. 3). Der An­spruch ent­steht ab dem vier­ten Tag ab Weg­fall der Fremd­be­treu­ung und en­det, wenn die Mass­nah­men ge­mäss Epi­de­mien­ge­setz auf­ge­ho­ben wer­den (Art. 3). Die Ent­schä­di­gung ge­stützt auf die­se Ver­ord­nung ist sub­si­di­är zu sämt­li­chen Leis­tun­gen von So­zi­al­ver­si­che­run­gen und Ver­si­che­run­gen nach Ver­si­che­rungs­ver­trags­ge­setz so­wie zu Lohn­fort­zah­lun­gen von Ar­beit­ge­bern. Der Fra­ge, ob und in wel­chen Fäl­len ei­ne Lohn­fort­zah­lungs­pflicht ge­stützt auf Art. 324a OR be­steht, geht die­ser Bei­trag be­wusst nicht nach. 

Der Unterbruch der Erwerbstätigkeit im Besonderen 

Wäh­rend die Fra­ge, wel­che Per­so­nen im Grund­satz an­spruchs­be­rech­tig sind, ei­ni­ger­mas­sen klar zu be­ant­wor­ten ist, hat die Fra­ge, wann ein Un­ter­bruch der Er­werbs­tä­tig­keit vor­liegt ei­ni­ges Kopf­zer­bre­chen ver­ur­sacht. Die Er­läu­te­run­gen zur Ver­ord­nung hal­ten da­zu fest, dass so­fern die Ar­beit von zu­hau­se aus ver­rich­tet wer­den kön­ne, kein Er­werbs­un­ter­bruch vor­lie­ge und dem­nach auch kein An­spruch be­stehe. Auch im Merk­blatt 6.03 Co­ro­na Er­werbs­er­satz­ent­schä­di­gung des Bun­des­am­tes für So­zi­al­ver­si­che­run­gen wird fest­ge­hal­ten: «Wenn die Ar­beit von zu Hau­se aus mög­lich ist, be­steht kein An­spruch auf Ent­schä­di­gung». Die­se Aus­le­gung des Be­griffs Er­werbs­un­ter­bruch greift nach der hier ver­tre­te­nen An­sicht klar zu kurz. Was soll­ten all je­ne Ar­beit­neh­men­den tun, wel­che zwar auf­grund ih­rer Tä­tig­keit im Home-Of­fice ar­bei­ten könn­ten, ih­rer Ar­beits­pflicht aber auf­grund des Um­stan­des, dass sie ih­re Kin­der be­treu­en und be­schu­len müs­sen, nur un­ge­nü­gend nach­kom­men kön­nen. Mitt­ler­wei­le scheint das Bun­des­amt für So­zi­al­ver­si­che­run­gen dies er­kannt zu ha­ben. So wur­den die In­for­ma­ti­ons­grund­la­gen in den letz­ten Ta­gen an­ge­passt. Der Fra­gen- und Ant­wort­ka­ta­log des Bun­des­am­tes für So­zi­al­ver­si­che­run­gen hält neu fest (Stand 16. April 2020): «Wenn die Ar­beit von zu­hau­se aus er­fol­gen kann (Home-Of­fice) und kein Er­werbs­aus­fall vor­liegt, be­steht kein An­spruch auf Ent­schä­di­gung». Im Um­kehr­schluss be­deu­tet dies, dass ein An­spruch be­stehen kann, wenn ein Er­werbs­aus­fall vor­liegt. Auch die Er­läu­te­run­gen der So­zi­al­ver­si­che­rungs­an­stalt des Kan­tons Zü­rich zu die­ser Fra­ge ha­ben sich En­de der letz­ten Wo­che ge­än­dert. So ist auf der Web­site zur Fra­ge, ob es ei­ne Ent­schä­di­gung auch für Ar­beit zu Hau­se ge­be, neu fest­ge­hal­ten: «Wenn die Ar­beit von zu­hau­se aus er­fol­gen kann (Home-Of­fice) und kein Er­werbs­aus­fall vor­liegt, be­steht kein An­spruch auf Ent­schä­di­gung. Kann aber auf­grund der Kin­der­be­treu­ung im Home-Of­fice nicht mehr das gan­ze Ar­beits­pen­sum ge­leis­tet wer­den und kommt es da­durch zu ei­nem Er­werbs­aus­fall, so kann ein An­spruch auf Co­ro­na-Er­werbs­er­satz ent­ste­hen. Der Er­werbs­aus­fall muss je­doch be­legt wer­den. Die­ser Nach­weis muss bei­spiels­wei­se an­hand ei­ner Be­stä­ti­gung des Ar­beit­ge­bers (z.B. Pen­sums­re­duk­ti­on) erfolgen.» 

Zu­sam­men­fas­send kann so­mit fest­ge­hal­ten wer­den, dass ein Er­werbs­un­ter­bruch, wel­cher zu ei­ner Ent­schä­di­gung be­rech­tigt, nicht nur dann vor­lie­gen kann, wenn ein Ar­beit­neh­mer sei­ne Ar­beit nicht nur nicht er­brin­gen kann, weil er et­wa nicht vor Ort ist, son­dern auch dann, wenn die Ar­beit zu Hau­se ganz oder teil­wei­se nicht er­bracht wer­den kann, weil sie sich nicht mit den Be­treu­ungs- und Be­schu­lungs­pflich­ten ver­ein­ba­ren lässt. Die­se Prä­zi­sie­rung der An­spruchs­grund­la­ge ist zu be­grüs­sen, denn die Er­fül­lung des ge­sam­ten Ar­beits­pen­sums im Home-Of­fice un­ter gleich­zei­ti­ger Pflicht zur Be­treu­ung und Be­schu­lung der Kin­der stellt je nach Al­ter der Kin­der ei­ne er­heb­li­che Dop­pel­be­las­tung dar. Mit der nun vor­lie­gen­den Lö­sung ist es mög­lich, die­ser Be­las­tung sinn­voll zu be­geg­nen. Da ein Nach­weis für den Er­werbs­aus­fall ver­langt wird, ist so­wohl Ar­beit­ge­ben­den wie auch Ar­beit­neh­men­den zu ra­ten, so­fern die Dop­pel­be­las­tung zum Pro­blem wird, das Ge­spräch mit­ein­an­der zu su­chen und ei­ne Pen­sums­re­duk­ti­on für ei­ne be­stimm­te Zeit zu be­spre­chen. Bei El­tern, die ih­re Kin­der von be­son­ders ge­fähr­de­ten Per­so­nen be­treu­en las­sen, muss ei­ne sol­che Ver­ein­ba­rung wohl ei­nen län­ge­ren Zeit­ho­ri­zont er­fas­sen. Bei den an­de­ren wer­den die Wei­chen­stel­lun­gen in Be­zug auf den Prä­senz­un­ter­richt in den Schu­len und die Be­treu­ungs­lö­sun­gen in den nächs­ten Ta­gen fal­len. Hier wird Fle­xi­bi­li­tät von bei­den Sei­ten un­ab­ding­bar sein. 

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Corina Ursprung

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