Der Sperrfristenschutz nach § 20 des Personalgesetzes des Kantons Zürich in Verbindung mit Art. 336c OR findet bei Entlassungen altershalber keine Anwendung, wie das Verwaltungsgericht Zürich in einem neuen Entscheid mit überzeugender Begründung festhält. Der Entscheid ist auch aus einem anderen Grund lesenswert; das Verwaltungsgericht kommt nämlich zum Schluss, dass einem Arbeitnehmer die Berufung auf einen widerrechtlichen Arbeitsvertrag nicht zusteht, wenn dieser jahrelang von den widerrechtlichen Bedingungen profitiert hat.
Abstract: Die Entlassung altershalber kann auch dann gültig erfolgen, wenn dem Arbeitnehmer wegen einer laufenden Sperrfrist nicht gekündigt werden kann, da es sich bei der Entlassung altershalber nicht um eine Kündigung handelt und die mit dem Sperrfristenschutz angestrebten Ziele bei einer Entlassung altershalber regelmässig nicht verfolgt werden. Beruft sich ein Angestellter auf die Rechtswidrigkeit eines öffentlich-rechtlichen Arbeitsvertrags, welcher ihn jahrelang im Vergleich zu anderen Angestellten unzulässigerweise bessergestellt hat, so ist seine Berufung auf die Unzulässigkeit dieses Arbeitsvertrags rechtsmissbräuchlich, weshalb er aus der Rechtswidrigkeit dieser Vereinbarung nichts zu seinen Gunsten ableiten kann.
Der Entscheid
Sachverhalt. Dem Entscheid VB.2019.00572 lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der Beschwerdeführer war einerseits im Rahmen einer privatrechtlichen Anstellung als Chefarzt für Kinderherzchirurgie am Kinderspital und anderseits im Rahmen einer öffentlich-rechtlichen Anstellung als ausserordentlicher Professor für Kinderherzchirurgie an der Medizinischen Fakultät der Universität Zürich (UZH) angestellt. Am 5. November 2018 löste das Kinderspital das Arbeitsverhältnis mit dem Kinderherzchirurgen per Ende 2020 auf und stellte ihn bis zum Ende der Anstellung frei. Mitte 2019 beschloss der Universitätsrat, den Chirurgen per Ende Juli 2020 altershalber zu entlassen. Dabei stützte sich der Universitätsrat auf eine Bestimmung im Arbeitsvertrag, wonach die Beendigung des Anstellungsverhältnisses mit dem Kinderspital ein «sachlich ausreichender Grund» für die Kündigung des Anstellungsverhältnisses bei der UZH sei.
Nachdem der Arbeitnehmer gegen diese Kündigung Beschwerde beim Verwaltungsgericht eingereicht hatte, und unter anderem aufgrund seiner zum Zeitpunkt der Kündigung bestandenen Arbeitsunfähigkeit die Nichtigkeit der Kündigung ins Feld führte, erliess die Arbeitgeberin während rechtshängigem Beschwerdeverfahren eine erneute Kündigung, diesmal auf Ende Januar 2021. Auch gegen diese Kündigung ging der Arbeitnehmer vor. Er beantragte im Wesentlichen, ihm sei wegen ungerechtfertigter bzw. missbräuchlicher Kündigung eine Entschädigung in Höhe von sechs Monatslöhnen und eine Abfindung in Höhe von zehn Monatslöhnen zuzusprechen.
Das Verwaltungsgericht prüfte zunächst, ob es sich bei der ersten von der UZH ausgesprochenen Entlassung tatsächlich um eine nichtige Verfügung handelt, weil diese während des zeitlichen Kündigungsschutzes bei unverschuldeter Verhinderung der Arbeit (sog. Sperrfrist) ausgesprochen worden war.
Kein Sperrfristenschutz bei Entlassung altershalber. Das Verwaltungsgericht kam zum Schluss, dass § 20 PG bei einer Entlassung altershalber keine Anwendung findet. § 20 PG mit der Marginalie “3. Kündigung zur Unzeit” beziehe sich gemäss seinem Wortlaut einzig auf Kündigungen, nicht hingegen auf andere Beendigungsgründe nach § 16 PG. Gleiches ergebe sich aus der systematischen Stellung der Norm, welche unter der Hauptmarginalie “Kündigungsschutz” steht, in der einzig die Voraussetzungen der ordentlichen Kündigung abgehandelt würden, während die Entlassung altershalber unter einer eigenen Marginalie stehe. Den Materialien lasse sich sodann kein Hinweis entnehmen, dass diese Bestimmung auch auf die Entlassung altershalber Anwendung finden sollte. Zum gleichen Schluss führe schliesslich auch eine sogenannte teleologische Auslegung, das heisst eine Auslegung nach dem Sinn und Zweck der Norm. «Die Sperrfrist soll die Angestellten vor dem Verlust der Stelle in einem Zeitpunkt schützen, in dem sie in der Regel keine Chance bei der Stellensuche haben und von einem Arbeitgeber in Kenntnis der Arbeitsverhinderung nicht eingestellt würden […]. Die Entlassung altershalber hat demgegenüber eine vorzeitige Pensionierung mit entsprechendem Rentenanspruch zur Folge […], weshalb die fragliche Person nicht auf eine neue Stelle angewiesen ist. Sie bedarf deshalb auch nicht des besonderen Schutzes, den die Sperrfrist vermittelt; eine Anwendung der Sperrfrist hätte einzig zur Folge, dass der Rentenbezug später einträte». Aus diesem Grund erachtete das Verwaltungsgericht bereits die am 1. Juli 2019 ausgesprochene Entlassung altershalber als gültig. Da die UZH indes die zweite Entlassungsverfügung erlassen hatte, als die erste noch nicht in Rechtskraft erwachsen war, gelangte das Verwaltungsgericht zum Schluss, dass die zweite Verfügung nach Treu und Glauben als teilweise Wiedererwägung der ersten – nämlich hinsichtlich des Beendigungszeitpunkts des Anstellungsverhältnisses – zu verstehen sei.
Sodann prüfte das Verwaltungsgericht, ob ein sachlicher Grund im Sinne von § 18 Abs. 2 PG vorlag und ob die UZH verpflichtet gewesen wäre, dem Arbeitnehmer vor Aussprechen der Entlassung altershalber eine andere zumutbare Stelle anzubieten, wie es § 24 PG, welcher die Voraussetzungen der Entlassung altershalber aufzählt, vorsähe.
Keine Abweichung mit öffentlich-rechtlichem Vertrag möglich. Nach § 12 Abs. 2 PG kann in besonderen Fällen mit öffentlich-rechtlichem Vertrag hinsichtlich des Lohns, der Arbeitszeit, der Ferien sowie der Beendigung des Arbeitsverhältnisses von den gesetzlichen Bestimmungen abgewichen werden. Entsprechend seien die Bestimmungen des Personalgesetzes betreffend Beendigung des Anstellungsverhältnisses nicht zwingender Natur, sondern sei eine vertragliche Abweichung grundsätzlich zulässig. Dies gelte bei Staatsangestellten indes nur in den vom Regierungsrat bezeichneten Fällen, was sich bezogen auf die Beschwerdegegnerin so verstehen lasse, dass der Universitätsrat diejenigen Fälle zu bezeichnen habe, in denen eine entsprechende Abweichung zulässig sei. Das Verwaltungsgericht gelangte zur Überzeugung, dass eine solche Abweichung von den gesetzlichen Vorschriften über die Beendigung des Anstellungsverhältnisses wohl mit der Vereinbarung angestrebt worden sei. Indes finde sich für Angestellte der UZH in den massgebenden personalrechtlichen Bestimmungen keine Ausnahmeregelung, welche die Fälle, in welchem eine Abweichung zulässig sei, regle. Gemäss § 11 Abs. 2 UniG in Verbindung mit § 8 PVO UZH seien die Arbeitsverhältnisse ihrer Angestellten vielmehr entweder durch Verfügung oder aber durch privatrechtlichen Vertrag zu begründen; eine Anstellung bzw. eine Abweichung von den Anstellungsbedingungen mittels eines öffentlich-rechtlichen Vertrags sei nicht vorgesehen. Dass mit der Vereinbarung ein privatrechtliches Arbeitsverhältnis begründet worden wäre, mache die UZH sodann zu Recht nicht geltend. Das Verwaltungsgericht kam deshalb zum Schluss, dass die von der UZH und ihrem Angestellten vertraglich vereinbarten Abweichungen von den gesetzlichen Bestimmungen zur Beendigung des Anstellungsverhältnisses des Beschwerdeführers somit nicht zulässig waren. Mit anderen Worten: weil das PG eine Abweichung von Anstellungsbedingungen mittels öffentlich-rechtlichem Vertrag vorsieht, das ebenfalls anwendbare UniG bzw. die PVO UZH nur die Rechtsformen der Verfügung oder aber des privatrechtlichen Vertrags vorsehen, durfte die UZH den Chirurgen nicht mittels öffentlich-rechtlichem Vertrag anstellen und in diesem abweichend von den Bestimmungen des PG die Kündigungsmodalitäten festlegen.
Rechtsmissbräuchliche Berufung auf unzulässige Vereinbarung. Soweit der Beschwerdeführer sich sinngemäss auf diese Unzulässigkeit berufe, verhalte er sich allerdings rechtsmissbräuchlich. Das Kinderspital habe geplant, den Beschwerdeführer als Chefarzt für die Kinderherzchirurgie anzustellen. Diese Anstellung sollte − im Sinn eines Paketangebots − mit einer ausserordentlichen Professur für Kinderherzchirurgie bei der UZH verbunden werden. Obwohl der Beschwerdeführer bereits beim Kinderspital mit vollem Pensum zu einem Jahreslohn von Fr. 500’000.- (ohne Zusatzhonorare aus privatärztlicher Tätigkeit) angestellt gewesen sei, bot ihm auch die Beschwerdegegnerin eine volle Anstellung zu einem Jahreslohn von Fr. 203’680.- an, zudem eine Einlage in sein Sparguthaben bei der BVK von Fr. 450’000.-, einen Anteil an den Umzugskosten und einen Einrichtungskredit (für den Lehrstuhl) über Fr. 750’000.-. Angesichts der Haupttätigkeit des Beschwerdeführers als (anderweitig entlöhnter) Chefarzt am Kinderspital dürfte er indes kaum in der Lage gewesen sein, sein Anstellungspensum für die Beschwerdegegnerin tatsächlich zu erbringen. Auffällig sei in diesem Zusammenhang sodann, dass der Beschwerdeführer entgegen der Regelung von § 60 PVO UZH auf seinem Einkommen am Kinderspital keine Abgabe an die Beschwerdegegnerin habe leisten müssen. «Diese äusserst grosszügigen Anstellungsbedingungen liegen weit über dem gesetzlich zulässigen Rahmen und erweisen sich damit ebenso wie die strittige Klausel als unzulässig. Der Beschwerdeführer aber hat von diesen grosszügigen Anstellungsbedingungen jahrelang profitiert und damit der unzulässigen Vereinbarung vorbehaltlos nachgelebt. Wenn er diese nun nicht auch gegen sich gelten lassen will, verhält er sich deshalb widersprüchlich und damit rechtsmissbräuchlich. Aus der Rechtswidrigkeit der Vereinbarung kann er folglich nichts zu seinen Gunsten ableiten».
Die getroffene Vereinbarung lasse sich gemäss den Akten nur damit erklären, dass die Anstellung als ausserordentlicher Professor bei der UZH im Rahmen einer Paketlösung als Zugabe zur Anstellung beim Kinderspital gedacht war und deshalb auch mit der Anstellung am Kinderspital verknüpft werden sollte. Unter den gegebenen Umständen könne von einer einseitigen Gesetzesumgehung zulasten des Arbeitnehmers keine Rede sein. Im Gegenteil lasse sich dessen Privilegierung gegenüber anderen Angestellten überhaupt nur damit rechtfertigen, dass es in erster Linie darum ging, ihn als Chefarzt für das Kinderspital zu gewinnen.
Würdigung
Der Entscheid ist vor allen Dingen deshalb interessant, weil er die Frage aufwirft, wieviel die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts betreffend die Rechtsmissbräuchlichkeit der Berufung auf einen widerrechtlichen Vertrag mit dem Umstand zu tun hat, dass der Chirurg ein Jahreseinkommen von insgesamt CHF 700’000 verdiente und damit in den Genuss von Konditionen kam, welche die Dimensionen gewöhnlicher öffentlich-rechtlicher Anstellungen sprengten. Die Argumentation des Verwaltungsgerichts, eine Berufung auf die Widerrechtlichkeit einer Vereinbarung sei rechtsmissbräuchlich, weil der betreffende Arbeitnehmer schliesslich auch jahrelang von der widerrechtlichen Vereinbarung profitiert hat, ist zwar auf den ersten Blick einleuchtend. Völlig unbeachtet bleibt dabei indes die Rolle der öffentlich-rechtlichen Arbeitgeberin, welche diesen Vertrag schloss. Offenbar sah man sich vonseiten der Arbeitgeberin dazu veranlasst, sowohl eine privatrechtliche Tätigkeit am Kinderspital mit einer öffentlich-rechtlichen Anstellung an der UZH derart zu verquicken, dass die eine von der anderen abhing, so dass der Wegfall der einen Anstellung einen sachlichen Grund setzte für die Beendigung der anderen. Und das «Paket» war den Arbeitgeberinnen zusammen CHF 700’000 und einen Einkauf in die Pensionskasse in Höhe von CHF 450’000 wert. Nun gibt es weder Kinderherzchirurgen noch Professoren für Kinderherzchirurgie wie Sand am Meer, weshalb ein öffentliches Interesse an dieser – in vielerlei Hinsicht problematischen – Paketlösung durchaus vorhanden sein könnte. Auf jedes Anstellungsverhältnis lässt sich die Rechtsprechung betreffend die rechtsmissbräuchliche Berufung nach der hier vertretenen Ansicht indes nicht übertragen. Vielmehr dürften nur Fälle, in welchen die Arbeitnehmerin über längere Zeit und in erheblichem Ausmass bessergestellt war, als es das Personalrecht vorsieht, einer solchen Argumentation den Schutz versagen können.
Selbst wenn Mitarbeiter aber in den Genuss von augenscheinlich fürstlichen Konditionen kommen, gilt im Auge zu behalten, dass gerade in derart qualifizierten Berufen die Wettbewerbsfähigkeit des öffentlichen Arbeitgebers an seine Grenzen stossen würde, wenn er nicht die Möglichkeit hätte, von den Lohnskalen des kantonalen Rechts abzuweichen. Inwiefern lassen sich die Anstellungsbedingungen des Chirurgen tatsächlich als unzulässig bezeichnen? Darüber schweigt sich das Verwaltungsgericht weitgehend aus. Zwar hält es zutreffend fest, dass der Verdienst am Kinderspital nicht angerechnet wurde, was eine Verletzung von
§ 60 PVO UZH darstellt. Auch diesbezüglich gilt indes zu bedenken, dass das kantonale Recht eine Abweichung hinsichtlich des Lohnes zulässt, was – je nach Auslegung – auch so verstanden werden könnte, dass eine Anrechnung eines Nebenverdienstes vertraglich wegbedungen werden kann.