Neues im Arbeitsrecht 2021

Mit dem neu­en Jahr bringt das Bun­des­recht ein paar wis­sens­wer­te Än­de­run­gen, wel­che Ar­beit­neh­mer und Ar­beit­ge­be­rin­nen be­tref­fen. Wir stel­len die­se Än­de­run­gen und ih­re Im­pli­ka­tio­nen für das Ar­beits­ver­hält­nis vor.

Va­ter­schafts­ur­laub. Der neue Art. 329g OR sieht vor, dass ein Ar­beit­neh­mer, wel­cher im Zeit­punkt der Ge­burt ei­nes Kin­des des­sen recht­li­cher Va­ter ist oder in­ner­halb der fol­gen­den sechs Mo­na­te wird, An­spruch auf ei­nen zwei­wö­chi­gen Va­ter­schafts­ur­laub hat. Der Va­ter­schafts­ur­laub kann in­nert sechs Mo­na­ten nach der Ge­burt ta­ge- oder wo­chen­wei­se be­zo­gen wer­den. Der Be­zug des Va­ter­schafts­ur­lau­bes darf nicht zu ei­ner Fe­ri­en­kür­zung durch den Ar­beit­ge­ber füh­ren (Art. 329b Abs. 3 lit. c OR) und die Kün­di­gungs­frist wird um all­fäl­lig noch nicht be­zo­ge­ne Ur­laubs­ta­ge ver­län­gert (Art. 335c Abs. 3 OR).

Va­ter­schafts­ent­schä­di­gung. Wäh­rend der Va­ter­schafts­ur­laub ei­nen An­spruch des Ar­beit­neh­mers ge­gen­über der Ar­beit­ge­be­rin be­grün­det, ist die Va­ter­schafts­ent­schä­di­gung ein In­sti­tut der Er­werbs­er­satz­ord­nung (EO). Die Va­ter­schafts­ent­schä­di­gung wird – wie die Mut­ter­schafts­ent­schä­di­gung auch – über die Er­werbs­er­satz­ord­nung ent­schä­digt. Die sechs­mo­na­ti­ge Rah­men­frist be­ginnt mit dem Tag der Ge­burt und der An­spruch ent­steht nur, wenn das Kind le­bens­fä­hig ge­bo­ren wird. Das Tag­geld be­trägt 80 Pro­zent des durch­schnitt­li­chen Er­werbs­ein­kom­mens vor dem Be­ginn des Ent­schä­di­gungs­an­spru­ches, im Mo­ment ma­xi­mal je­doch CHF 196 pro Tag (ana­log Ent­schä­di­gung Mut­ter­schaft). Es ist Ar­beit­ge­bern un­be­nom­men, die Dif­fe­renz zum Lohn auf frei­wil­li­ger Ba­sis aus­zu­glei­chen. Aus Grün­den der Ge­schlech­ter­gleich­stel­lung müss­te nach der hier ver­tre­te­nen An­sicht in die­sem Fall den Frau­en im Be­trieb bei Mut­ter­schaft die Dif­fe­renz zum Lohn in­des auch aus­be­zahlt wer­den. Die Va­ter­schafts­ent­schä­di­gung geht im Üb­ri­gen dem Be­zug von Tag­gel­dern aus an­de­ren Ver­si­che­run­gen (Ar­beits­lo­sen­ver­si­che­rung, In­va­li­den­ver­si­che­rung, Un­fall­ver­si­che­rung, Mi­li­tär­ver­si­che­rung, etc.) vor.

Ur­laub für die Be­treu­ung von An­ge­hö­ri­gen. Ge­mäss dem neu­en Art. 329h OR ha­ben Ar­beit­neh­men­de An­spruch auf be­zahl­ten Ur­laub für die Zeit, die zur Be­treu­ung ei­nes Fa­mi­li­en­mit­glieds, der Le­bens­part­ne­rin oder des Le­bens­part­ners mit ge­sund­heit­li­cher Be­ein­träch­ti­gung not­wen­dig ist, wo­bei der Ur­laub höchs­tens drei Ta­ge pro Er­eig­nis und höchs­tens zehn Ta­ge pro Jahr be­trägt. Da­mit ver­bes­sert sich die Rechts­la­ge für Ar­beit­neh­men­de da­hin­ge­hend, dass der Ur­laub nun­mehr zwin­gend be­zahlt ist und die Fra­ge, wer als An­ge­hö­ri­ger zu gel­ten hat durch die Bot­schaft ge­klärt wur­de. Der Be­griff Fa­mi­li­en­mit­glied lei­tet sich aus Ar­ti­kel 29sep­ties Ab­satz 1 AHVG für den An­spruch auf Be­treu­ungs­gut­schrif­ten ab. In die­sem Sin­ne han­delt es sich bei Fa­mi­li­en­mit­glie­dern um Ver­wand­te in auf- und ab­stei­gen­der Li­nie (haupt­säch­lich die El­tern und die Kin­der) und die Ge­schwis­ter. Hin­zu kom­men die Ehe­gat­tin oder der Ehe­gat­te, die Schwie­ger­el­tern so­wie die Le­bens­part­ne­rin oder der Le­bens­part­ner, die oder der mit der Ar­beit­neh­me­rin oder dem Ar­beit­neh­mer seit min­des­tens fünf Jah­ren ei­nen ge­mein­sa­men Haus­halt führt. Als Kin­der gel­ten die­je­ni­gen Per­so­nen, zu de­nen ein Kin­des­ver­hält­nis im zi­vil­recht­li­chen Sin­ne be­steht. Ein ärzt­li­ches Zeug­nis, wie es Ar­ti­kel 36 Ab­satz 3 ArG vor­schreibt, wird nicht aus­drück­lich ver­langt. Je­doch hat die Ar­beit­neh­me­rin oder der Ar­beit­neh­mer auf­grund der all­ge­mei­nen zi­vil­recht­li­chen Re­geln zur Be­weis­last (Art. 8 ZGB) die Tat­sa­che, die den An­spruch be­grün­det, zu be­wei­sen. Da­zu dient in der Re­gel ein ärzt­li­ches Zeugnis.

Ex­kurs: Ver­hält­nis von Art. 324a OR und Art. 329h OR. Der drei­tä­gi­ge Ur­laub für die Be­treu­ung von An­ge­hö­ri­gen er­folgt un­ab­hän­gig von Ar­ti­kel 324a OR (un­ver­schul­de­te Ver­hin­de­rung an der Ar­beits­leis­tung). Das hat ins­be­son­de­re zur Fol­ge, dass die Vor­aus­set­zun­gen nach Ar­ti­kel 324a OR nicht gel­ten, et­wa die Ver­hin­de­rung des Ar­beit­neh­mers an der Ar­beits­leis­tung oder die jähr­lich be­schränk­te Dau­er der Lohn­fort­zah­lung (Ab­we­sen­heits­kon­tin­gent). Ei­ner Per­son steht es je­doch frei, Ur­laub über ihr Kon­tin­gent nach Ar­ti­kel 324a OR zu be­zie­hen, oh­ne den Ur­laub nach Ar­ti­kel 329h OR an­zu­bre­chen. Das wird vor al­lem der Fall sein, wenn Kin­der, die Ehe­gat­tin oder der Ehe­gat­te be­treu­ungs­be­dürf­tig sind, da sie un­ter bei­de Be­stim­mun­gen fal­len. Ins­be­son­de­re Per­so­nen mit meh­re­ren Kin­dern könn­ten sich ge­stützt auf Ar­ti­kel 324a OR um sie küm­mern, oh­ne die nach Ar­ti­kel 329h OR vor­ge­se­he­nen ma­xi­mal zehn Ta­ge aus­zu­schöp­fen. Hier­für müs­sen aber die An­spruchs­vor­aus­set­zun­gen nach Ar­ti­kel 324a OR er­füllt sein. 

Ar­ti­kel 324a OR lässt sich auch gel­tend ma­chen, wenn der drei­tä­gi­ge Ur­laub be­reits be­zo­gen wor­den ist, so­fern die ein­schlä­gi­gen Vor­aus­set­zun­gen er­füllt wer­den und vor al­lem das jähr­li­che Kon­tin­gent noch nicht auf­ge­braucht ist.

Ur­laub für die Be­treu­ung ei­nes we­gen Krank­heit oder Un­fall ge­sund­heit­lich schwer be­ein­träch­tig­ten Kin­des. Ge­mäss Art. 329i Ab­satz 1 OR ha­ben Ar­beit­neh­men­de An­spruch auf ei­nen Be­treu­ungs­ur­laub von höchs­tens 14 Wo­chen, wenn und so­weit sie An­spruch auf ei­ne Be­treu­ungs­ent­schä­di­gung nach den Ar­ti­keln 16n–16s Er­werbs­er­satz­ge­setz (EOG), weil ihr Kind we­gen Krank­heit oder Un­fall ge­sund­heit­lich schwer be­ein­träch­tigt ist. Ge­sund­heit­lich schwer be­ein­träch­tigt ist ein Kind ge­mäss Art. 16o EOG, wenn ei­ne ein­schnei­den­de Ver­än­de­rung sei­nes kör­per­li­chen oder psy­chi­schen Zu­stan­des ein­ge­tre­ten ist; der Ver­lauf oder der Aus­gang die­ser Ver­än­de­rung schwer vor­her­seh­bar ist oder mit ei­ner blei­ben­den oder zu­neh­men­den Be­ein­träch­ti­gung oder dem Tod zu rech­nen ist; ein er­höh­ter Be­darf an Be­treu­ung durch die El­tern be­steht; und min­des­tens ein El­tern­teil die Er­werbs­tä­tig­keit für die Be­treu­ung des Kin­des un­ter­bre­chen muss.

Für den Be­zug des Be­treu­ungs­ur­laubs gilt ei­ne Rah­men­frist von 18 Mo­na­ten, in­nert wel­cher der Ur­laub am Stück oder ta­ge­wei­se be­zo­gen wer­den kann. Die­se Rah­men­frist be­ginnt mit Be­zug des ers­ten Tag­gelds und gilt für bei­de El­tern­tei­le, un­ab­hän­gig da­von, wie sie sich den Ur­laub auf­tei­len. Vom Ge­setz­ge­ber vor­ge­se­hen ist, dass bei­de El­tern­tei­le je ma­xi­mal sie­ben Wo­chen be­zie­hen, wo­bei die El­tern ei­ne ab­wei­chen­de Auf­tei­lung vor­se­hen kön­nen. Eben­falls vor­ge­se­hen ist, dass mit Be­ginn der Rah­men­frist ei­ne Sperr­frist von sechs Mo­na­ten zu lau­fen be­ginnt und so­mit das Ar­beits­ver­hält­nis wäh­rend die­ser Zeit nicht ge­kün­digt wer­den darf. Dies führt zu prak­ti­schen Her­aus­for­de­run­gen, weil die Sperr­frist für bei­de El­tern­tei­le gilt, un­ab­hän­gig da­von, wie sie sich den Ur­laub auf­tei­len. Da­mit kann es sein, dass ein El­tern­teil den Be­treu­ungs­ur­laub zu ei­nem Zeit­punkt be­zieht, da der Sperr­fris­ten­schutz be­reits nicht mehr gilt.

Über­brü­ckungs­leis­tun­gen. Vor­aus­sicht­lich per 1.7.2021 tritt das Bun­des­ge­setz über Über­brü­ckungs­leis­tun­gen für äl­te­re Ar­beits­lo­se (ÜLG) in Kraft, wel­ches be­zweckt, die so­zia­le Ab­si­che­rung äl­te­rer Aus­ge­steu­er­ten kom­ple­men­tär zu den Mass­nah­men des Bun­des zur För­de­rung der Be­schäf­ti­gung äl­te­rer Ar­beit­neh­men­den, zu ver­bes­sern. Wer nach voll­ende­tem 60. Al­ters­jahr von der Ar­beits­lo­sen­ver­si­che­rung aus­ge­steu­ert wird, hat bis zum Be­zug der Al­ters­ren­te An­spruch auf ei­ne Über­brü­ckungs­leis­tung. Da­für müs­sen be­stimm­te Vor­aus­set­zun­gen er­füllt sein, un­ter an­de­rem ei­ne Min­dest­ver­si­che­rungs­dau­er in der AHV von 20 Jah­ren, wo­von fünf Jah­re nach voll­ende­tem 50. Al­ters­jahr. Aus­ser­dem muss das Ver­mö­gen der be­tref­fen­den Per­son un­ter 50 000 Fran­ken lie­gen (100 000 Fran­ken bei Ehe­paa­ren). Die Über­brü­ckungs­leis­tung be­misst sich eben­so wie die Er­gän­zungs­leis­tun­gen nach den an­er­kann­ten Aus­ga­ben und den Ein­nah­men der Be­zü­ge­rin bzw. des Bezügers.

Über den Autor/die Autorin

Mirjam Barmet

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