Mit dem neuen Jahr bringt das Bundesrecht ein paar wissenswerte Änderungen, welche Arbeitnehmer und Arbeitgeberinnen betreffen. Wir stellen diese Änderungen und ihre Implikationen für das Arbeitsverhältnis vor.
Vaterschaftsurlaub. Der neue Art. 329g OR sieht vor, dass ein Arbeitnehmer, welcher im Zeitpunkt der Geburt eines Kindes dessen rechtlicher Vater ist oder innerhalb der folgenden sechs Monate wird, Anspruch auf einen zweiwöchigen Vaterschaftsurlaub hat. Der Vaterschaftsurlaub kann innert sechs Monaten nach der Geburt tage- oder wochenweise bezogen werden. Der Bezug des Vaterschaftsurlaubes darf nicht zu einer Ferienkürzung durch den Arbeitgeber führen (Art. 329b Abs. 3 lit. c OR) und die Kündigungsfrist wird um allfällig noch nicht bezogene Urlaubstage verlängert (Art. 335c Abs. 3 OR).
Vaterschaftsentschädigung. Während der Vaterschaftsurlaub einen Anspruch des Arbeitnehmers gegenüber der Arbeitgeberin begründet, ist die Vaterschaftsentschädigung ein Institut der Erwerbsersatzordnung (EO). Die Vaterschaftsentschädigung wird – wie die Mutterschaftsentschädigung auch – über die Erwerbsersatzordnung entschädigt. Die sechsmonatige Rahmenfrist beginnt mit dem Tag der Geburt und der Anspruch entsteht nur, wenn das Kind lebensfähig geboren wird. Das Taggeld beträgt 80 Prozent des durchschnittlichen Erwerbseinkommens vor dem Beginn des Entschädigungsanspruches, im Moment maximal jedoch CHF 196 pro Tag (analog Entschädigung Mutterschaft). Es ist Arbeitgebern unbenommen, die Differenz zum Lohn auf freiwilliger Basis auszugleichen. Aus Gründen der Geschlechtergleichstellung müsste nach der hier vertretenen Ansicht in diesem Fall den Frauen im Betrieb bei Mutterschaft die Differenz zum Lohn indes auch ausbezahlt werden. Die Vaterschaftsentschädigung geht im Übrigen dem Bezug von Taggeldern aus anderen Versicherungen (Arbeitslosenversicherung, Invalidenversicherung, Unfallversicherung, Militärversicherung, etc.) vor.
Urlaub für die Betreuung von Angehörigen. Gemäss dem neuen Art. 329h OR haben Arbeitnehmende Anspruch auf bezahlten Urlaub für die Zeit, die zur Betreuung eines Familienmitglieds, der Lebenspartnerin oder des Lebenspartners mit gesundheitlicher Beeinträchtigung notwendig ist, wobei der Urlaub höchstens drei Tage pro Ereignis und höchstens zehn Tage pro Jahr beträgt. Damit verbessert sich die Rechtslage für Arbeitnehmende dahingehend, dass der Urlaub nunmehr zwingend bezahlt ist und die Frage, wer als Angehöriger zu gelten hat durch die Botschaft geklärt wurde. Der Begriff Familienmitglied leitet sich aus Artikel 29septies Absatz 1 AHVG für den Anspruch auf Betreuungsgutschriften ab. In diesem Sinne handelt es sich bei Familienmitgliedern um Verwandte in auf- und absteigender Linie (hauptsächlich die Eltern und die Kinder) und die Geschwister. Hinzu kommen die Ehegattin oder der Ehegatte, die Schwiegereltern sowie die Lebenspartnerin oder der Lebenspartner, die oder der mit der Arbeitnehmerin oder dem Arbeitnehmer seit mindestens fünf Jahren einen gemeinsamen Haushalt führt. Als Kinder gelten diejenigen Personen, zu denen ein Kindesverhältnis im zivilrechtlichen Sinne besteht. Ein ärztliches Zeugnis, wie es Artikel 36 Absatz 3 ArG vorschreibt, wird nicht ausdrücklich verlangt. Jedoch hat die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer aufgrund der allgemeinen zivilrechtlichen Regeln zur Beweislast (Art. 8 ZGB) die Tatsache, die den Anspruch begründet, zu beweisen. Dazu dient in der Regel ein ärztliches Zeugnis.
Exkurs: Verhältnis von Art. 324a OR und Art. 329h OR. Der dreitägige Urlaub für die Betreuung von Angehörigen erfolgt unabhängig von Artikel 324a OR (unverschuldete Verhinderung an der Arbeitsleistung). Das hat insbesondere zur Folge, dass die Voraussetzungen nach Artikel 324a OR nicht gelten, etwa die Verhinderung des Arbeitnehmers an der Arbeitsleistung oder die jährlich beschränkte Dauer der Lohnfortzahlung (Abwesenheitskontingent). Einer Person steht es jedoch frei, Urlaub über ihr Kontingent nach Artikel 324a OR zu beziehen, ohne den Urlaub nach Artikel 329h OR anzubrechen. Das wird vor allem der Fall sein, wenn Kinder, die Ehegattin oder der Ehegatte betreuungsbedürftig sind, da sie unter beide Bestimmungen fallen. Insbesondere Personen mit mehreren Kindern könnten sich gestützt auf Artikel 324a OR um sie kümmern, ohne die nach Artikel 329h OR vorgesehenen maximal zehn Tage auszuschöpfen. Hierfür müssen aber die Anspruchsvoraussetzungen nach Artikel 324a OR erfüllt sein.
Artikel 324a OR lässt sich auch geltend machen, wenn der dreitägige Urlaub bereits bezogen worden ist, sofern die einschlägigen Voraussetzungen erfüllt werden und vor allem das jährliche Kontingent noch nicht aufgebraucht ist.
Urlaub für die Betreuung eines wegen Krankheit oder Unfall gesundheitlich schwer beeinträchtigten Kindes. Gemäss Art. 329i Absatz 1 OR haben Arbeitnehmende Anspruch auf einen Betreuungsurlaub von höchstens 14 Wochen, wenn und soweit sie Anspruch auf eine Betreuungsentschädigung nach den Artikeln 16n–16s Erwerbsersatzgesetz (EOG), weil ihr Kind wegen Krankheit oder Unfall gesundheitlich schwer beeinträchtigt ist. Gesundheitlich schwer beeinträchtigt ist ein Kind gemäss Art. 16o EOG, wenn eine einschneidende Veränderung seines körperlichen oder psychischen Zustandes eingetreten ist; der Verlauf oder der Ausgang dieser Veränderung schwer vorhersehbar ist oder mit einer bleibenden oder zunehmenden Beeinträchtigung oder dem Tod zu rechnen ist; ein erhöhter Bedarf an Betreuung durch die Eltern besteht; und mindestens ein Elternteil die Erwerbstätigkeit für die Betreuung des Kindes unterbrechen muss.
Für den Bezug des Betreuungsurlaubs gilt eine Rahmenfrist von 18 Monaten, innert welcher der Urlaub am Stück oder tageweise bezogen werden kann. Diese Rahmenfrist beginnt mit Bezug des ersten Taggelds und gilt für beide Elternteile, unabhängig davon, wie sie sich den Urlaub aufteilen. Vom Gesetzgeber vorgesehen ist, dass beide Elternteile je maximal sieben Wochen beziehen, wobei die Eltern eine abweichende Aufteilung vorsehen können. Ebenfalls vorgesehen ist, dass mit Beginn der Rahmenfrist eine Sperrfrist von sechs Monaten zu laufen beginnt und somit das Arbeitsverhältnis während dieser Zeit nicht gekündigt werden darf. Dies führt zu praktischen Herausforderungen, weil die Sperrfrist für beide Elternteile gilt, unabhängig davon, wie sie sich den Urlaub aufteilen. Damit kann es sein, dass ein Elternteil den Betreuungsurlaub zu einem Zeitpunkt bezieht, da der Sperrfristenschutz bereits nicht mehr gilt.
Überbrückungsleistungen. Voraussichtlich per 1.7.2021 tritt das Bundesgesetz über Überbrückungsleistungen für ältere Arbeitslose (ÜLG) in Kraft, welches bezweckt, die soziale Absicherung älterer Ausgesteuerten komplementär zu den Massnahmen des Bundes zur Förderung der Beschäftigung älterer Arbeitnehmenden, zu verbessern. Wer nach vollendetem 60. Altersjahr von der Arbeitslosenversicherung ausgesteuert wird, hat bis zum Bezug der Altersrente Anspruch auf eine Überbrückungsleistung. Dafür müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein, unter anderem eine Mindestversicherungsdauer in der AHV von 20 Jahren, wovon fünf Jahre nach vollendetem 50. Altersjahr. Ausserdem muss das Vermögen der betreffenden Person unter 50 000 Franken liegen (100 000 Franken bei Ehepaaren). Die Überbrückungsleistung bemisst sich ebenso wie die Ergänzungsleistungen nach den anerkannten Ausgaben und den Einnahmen der Bezügerin bzw. des Bezügers.