Busse vom Chef – Sanktionen im Arbeitsverhältnis

Neu­lich gab ein Fall aus den Me­di­en zu schmun­zeln; ein Ku­rier­fah­rer wur­de von sei­nem Ar­beit­ge­ber ge­büsst, weil er ei­nen Pa­pa­gei mit auf sei­ne Aus­lie­fe­rungs­tou­ren nahm. Un­ge­ach­tet sol­cher il­lus­tren Fäl­le stellt sich tat­säch­lich die Fra­ge, wel­che Sank­tio­nen im Ar­beits­ver­hält­nis zu­läs­sig sind. An­ge­sichts der Her­aus­for­de­run­gen, wel­che die Co­ro­na-Pan­de­mie an Ar­beits­ver­hält­nis­se stellt, ist die­se Fra­ge ak­tu­el­ler denn je. 

Abs­tract: Sank­tio­nen für wei­sungs- oder pflicht­wid­ri­ges Ver­hal­ten sind so­wohl im öf­fent­li­chen als auch im pri­va­ten Ar­beits­recht zu­läs­sig, wenn­gleich un­ter un­ter­schied­li­chen Vor­aus­set­zun­gen. Für bei­de gilt: die Sank­tio­nen müs­sen zu Be­ginn des Ar­beits­ver­hält­nis­ses be­kannt sein und soll­ten ins­be­son­de­re vor dem Hin­ter­grund des Gleich­be­hand­lungs­ge­bots sehr be­dacht an­ge­wandt werden.

Unterschiedliche Voraussetzungen im öffentlichen und privaten Arbeitsrecht 

Der Be­griff der Sank­tio­nen be­darf der Klä­rung, denn er ist für das Ar­beits­recht nicht ty­pisch. Hier wird er ver­stan­den als ei­ne Re­ak­ti­on der Ar­beit­ge­be­rin auf ein pflicht­wid­ri­ges Ver­hal­ten ei­ner Mit­ar­bei­te­rin, wel­che zu ei­nem Nach­teil auf­sei­ten der Mit­ar­bei­te­rin führt. Zu den­ken ist in ers­ter Li­nie an ei­ne fi­nan­zi­el­le Ein­bus­se in­fol­ge ei­ner Lohn­kür­zung oder Kür­zung der Ferien. 

Das pri­va­te Ar­beits­recht ist vom Grund­satz der Ver­trags­frei­heit durch­drun­gen, was zur Fol­ge hat, dass die Par­tei­en in­ner­halb der zwin­gen­den Be­stim­mun­gen des Ar­beits­ver­trags­rechts bzw. des Ar­beits­ge­set­zes frei sind, die Fol­gen ei­ner Pflicht­ver­let­zung von Ar­beit­neh­mern ver­trag­lich zu re­geln. Das ist im öf­fent­li­chen Ar­beits­ver­hält­nis – wenn man so will – ge­ra­de um­ge­kehrt. Dort gilt das so­ge­nann­te Le­ga­li­täts­prin­zip, das heisst die öf­fent­lich-recht­li­che Ar­beit­ge­be­rin kann nur dann ei­ne Rechts­fol­ge an ein fehl­ba­res Ver­hal­ten knüp­fen, wenn dies vom Ge­setz vor­ge­se­hen ist. 

Schranken der Vertragsfreiheit im privaten Arbeitsrecht

Nach­fol­gend wird ge­prüft, ob zwin­gen­de Be­stim­mun­gen des pri­va­ten Ar­beits­rechts ge­gen das Aus­spre­chen von Sank­tio­nen sprechen.

Un­ver­zicht­bar­keit von For­de­run­gen. Ge­mäss Art. 341 OR kann der Ar­beit­neh­mer wäh­rend der Dau­er des Ar­beits­ver­hält­nis­ses und ei­nes Mo­nats nach Be­en­di­gung auf For­de­run­gen, die sich aus un­ab­ding­ba­ren Vor­schrif­ten des Ge­set­zes oder aus un­ab­ding­ba­ren Be­stim­mun­gen ei­nes Ge­samt­ar­beits­ver­trags er­ge­ben, nicht ver­zich­ten. Zu die­sen For­de­run­gen zäh­len grund­sätz­lich auch die Lohn­for­de­run­gen, in­klu­si­ve Fe­ri­en­lohn. Ei­ne Bus­se führt je­den­falls wirt­schaft­lich be­trach­tet zu ei­ner Ver­rin­ge­rung des ver­füg­ba­ren Ver­mö­gens, und da­mit po­ten­zi­ell zu ei­ner Schmä­le­rung des Lohns, was zu Art. 341 OR im Wi­der­spruch steht. Ge­nau be­se­hen ver­zich­tet die ge­büss­te Mit­ar­bei­te­rin in­des nicht auf Lohn, son­dern sie muss – wenn und so­weit sie sich ei­nes fehl­ba­ren Ver­hal­tens schul­dig macht – ei­nen Geld­be­trag an ih­re Ar­beit­ge­be­rin zah­len. Die­ser muss nicht zwin­gend aus dem Lohn stam­men, wes­halb die An­ru­fung von Art. 341 OR hier un­be­hilf­lich scheint.

Truck­ver­bot. Na­he­lie­gen­der scheint das so­ge­nann­te Truck­ver­bot ge­mäss Art. 323b Abs. 3 OR als Schran­ke bei Bus­sen (truck = Tausch). Nach die­sem sind Ab­re­den über die Ver­wen­dung des Loh­nes im In­ter­es­se des Ar­beit­ge­bers nich­tig. Sta­tu­iert nun ein Ar­beits­ver­trag oder Mit­ar­bei­ter­re­gle­ment Bus­sen für be­stimm­tes Ver­hal­ten von Mit­ar­bei­te­rin­nen und wer­den sol­che Bus­sen auch tat­säch­lich aus­ge­spro­chen, könn­te dar­in ein Ver­stoss ge­gen das Truck­ver­bot ge­se­hen wer­den, denn der Ar­beit­neh­mer wird in der Ver­wen­dung sei­nes Loh­nes ein­ge­schränkt, bzw. er wird ver­pflich­tet, sei­nen Lohn im In­ter­es­se des Ar­beit­ge­bers zu ver­wen­den. In­des will auch die­se Be­stim­mung nicht so rich­tig pas­sen. Zum ei­nen hat es der Ar­beit­neh­mer selbst in der Hand, ob er sich ent­ge­gen ei­ner be­stimm­ten Vor­schrift oder Wei­sung ver­hal­ten will und da­mit die Bus­sen­pflicht aus­löst, oder nicht. Zum an­de­ren zielt das Truck­ver­bot dar­auf ab, den Ar­beit­neh­mer auf­grund des Ab­hän­gig­keits­ver­hält­nis­ses zu Aus­la­gen zu zwin­gen, die aus­schliess­lich im In­ter­es­se des Ar­beit­ge­bers lie­gen. Bei der Bus­se soll aber – zu­min­dest als Kern­ge­dan­ke – ein Ver­hal­ten be­straft wer­den bzw. durch die blos­se Bus­san­dro­hung ein be­stimm­tes Ver­hal­ten er­wirkt wer­den. Je­den­falls so­weit Bus­sen der­art aus­ge­stal­tet sind, dass sie bei der Be­ach­tung üb­li­cher und ver­nünf­ti­ger Vor­schrif­ten im Ar­beits­ver­hält­nis (et­wa Si­cher­heits- und Hy­gie­ne­vor­schrif­ten) ver­mie­den wer­den kön­nen, die­nen sie als In­stru­ment der Prävention.

Kein Lohn oh­ne Ar­beit. Art. 324a OR hält im Sin­ne von Aus­nah­men von die­sem Grund­satz fest, in wel­chen Fäl­len der Lohn­an­spruch trotz Aus­blei­bens der Ar­beits­leis­tung in­takt bleibt, et­wa bei Krank­heit, Un­fall und der­glei­chen. In den­je­ni­gen Fäl­len, da die Ar­beit­neh­me­rin un­ent­schul­digt von der Ar­beit fern­bleibt, ent­fällt in­des ein Lohn­an­spruch. Die­se Rechts­fol­ge ist  ge­nau be­se­hen kei­ne Sank­ti­on, son­dern ei­ne Fol­ge des ge­gen­sei­ti­gen Ver­trags (sog. Syn­al­lag­ma) und ein all­ge­mei­nes Prin­zip, wo­nach ei­ne ver­trag­li­che Leis­tung zu­rück­be­hal­ten wer­den darf bzw. mit­un­ter gar ent­fällt, wenn die Ver­trags­par­tei ih­rer­seits die Leis­tungs­pflicht nicht er­füllt. Im Er­geb­nis wird die­se Rechts­fol­ge den Mit­ar­bei­ter emp­find­lich tref­fen, da er für die Dau­er sei­nes un­ent­schul­dig­ten Fern­blei­bens von der Ar­beit sei­nen Lohn­an­spruch verliert. 

Kei­ne Kür­zung des Fe­ri­en- und Fei­er­tags­an­spruchs. Ei­ne Stra­fe vor­zu­se­hen, die den Mit­ar­bei­ter um Fe­ri­en- oder Fei­er­ta­ge bringt, ist klar rechts­wid­rig. Die Fe­ri­en müs­sen ih­ren Er­ho­lungs­zweck er­fül­len kön­nen, wes­halb an de­ren Hö­he nicht ge­rüt­telt wer­den darf.

Ent­schä­di­gung bei miss­bräuch­li­cher Kün­di­gung. Ei­ne Sank­ti­on ist ex­pli­zit als sol­che im Ge­setz be­zeich­net, geht man­gels prak­ti­scher Re­le­vanz oft ver­ges­sen und sei an die­ser Stel­le des­halb nur pro me­mo­ria er­wähnt: Art. 336a OR sieht für bei­de Par­tei­en ei­ne Ent­schä­di­gungs­zah­lung als Fol­ge ei­ner miss­bräuch­li­chen Kün­di­gung vor. Das heisst, der Ar­beit­neh­mer, wel­cher das Ar­beits­ver­hält­nis miss­bräuch­lich kün­digt, ist an sich ge­nau­so ent­schä­di­gungs­pflich­tig wie die Ar­beit­ge­be­rin. Po­ten­zi­ell ist der miss­bräuch­lich kün­di­gen­de Ar­beit­neh­mer da­mit von ei­ner Sank­ti­on in Hö­he von bis zu sechs Mo­nats­löh­nen be­droht, wo­bei die­se Ent­schä­di­gungs­zah­lung selbst­re­dend vom Ge­richt fest­ge­setzt wird und nicht von der Arbeitgeberin.

Das Ar­beits­recht steht da­mit ei­ner Sank­ti­on in der Form ei­nes Buss­gelds nicht per se ent­ge­gen. Un­pro­ble­ma­tisch ist das In­sti­tut je­doch den­noch nicht, denn Mit­ar­bei­te­rin­nen be­fin­den sich grund­sätz­lich in ei­nem Ab­hän­gig­keits­ver­hält­nis zu ih­rer Ar­beit­ge­be­rin, wes­halb die Hal­tung, wo­nach ein Mit­ar­bei­ter ein Ar­beits­ver­hält­nis ja nicht ein­zu­ge­hen braucht, wenn ihm das Sank­tio­nen­re­gime nicht zu­sagt, in die­ser Ab­so­lut­heit si­cher nicht ver­fängt. Als ver­trag­lich grund­sätz­lich zu­läs­si­ge Ver­ein­ba­rung ist al­ler­dings vor­aus­ge­setzt, dass die Mit­ar­bei­ter ge­nau wis­sen, wel­che Sank­tio­nen ih­nen bei wel­chen Ver­stös­sen dro­hen. Dies setzt zwin­gend vor­aus, dass der Ar­beit­ge­ber vor Ver­trags­schluss de­tail­liert über mög­li­che Sank­tio­nen ori­en­tiert und die­se wäh­rend lau­fen­dem Ar­beits­ver­hält­nis nicht mehr zu­un­guns­ten des Mit­ar­bei­ters ver­än­dert. In­for­miert er trans­pa­rent und vor Ver­trags­schluss über sei­nen Bus­sen­ka­ta­log, muss er sich in­des auch die Fra­ge stel­len, wie at­trak­tiv er als Ar­beit­ge­ber ist und ob er sein Re­gime nicht lie­ber durch ein An­reiz­sys­tem er­set­zen will, an­statt Mit­ar­bei­ter mit Geld­bus­sen zu belegen.

Voraussetzungen von Sanktionen im öffentlichen Personalrecht

Sank­tio­nen set­zen im öf­fent­li­chen Recht zwin­gend ei­ne Rechts­grund­la­ge vor­aus, und zwar in ei­nem so­ge­nann­ten Ge­setz im for­mel­len Sinn, das heisst in ei­nem Rechts­er­lass, der von der Le­gis­la­ti­ve ver­ab­schie­det wur­de. Sol­cher­art auf­ge­stell­te Sank­tio­nen müs­sen über­dies die sank­tio­nier­ten Ver­hal­tens­wei­sen klar um­schrei­ben und die dar­an ge­knüpf­ten Fol­gen eben­so klar festhalten.

Per­so­nal­erlas­se se­hen zum Teil Bus­sen und Lohn­kür­zun­gen vor und re­geln die­se im ge­for­der­ten De­tail­lie­rungs­grad. So hält et­wa das Per­so­nal­recht des Bun­des fest, dass An­ge­stell­te, die ih­re ar­beits­recht­li­chen Pflich­ten vor­sätz­lich oder grob­fahr­läs­sig ver­let­zen ei­ne Lohn­kür­zung von höchs­tens 10% wäh­rend höchs­tens ei­nes Jah­res, ei­ne Bus­se von bis zu CHF 3000, ei­ne Än­de­rung der Ar­beits­zeit oder des Ar­beits­or­tes ge­wär­ti­gen müs­sen (Art. 99 Abs. 3 Bun­des­per­so­nal­ver­ord­nung, ge­stützt auf Art. 25 Abs. 2 lit. b und c Bun­des­per­so­nal­ge­setz). In der Pra­xis wird von der­ar­ti­gen In­stru­men­ten äus­serst sel­ten Ge­brauch ge­macht. Wäh­rend die Grün­de für die zu­rück­hal­ten­de An­wen­dung die­ser Sank­tio­nen nicht be­kannt sind, dürf­ten Über­le­gun­gen zum be­schränk­ten Nut­zen die­ser In­stru­men­te und Gleich­be­hand­lungs­über­le­gun­gen mit­spie­len. Der Ar­beit­ge­ber kann die­se In­stru­men­te zwar an­wen­den, muss da­bei die öf­fent­lich-recht­li­chen Grund­sät­ze des Gleich­be­hand­lungs­ge­bots und der Ver­hält­nis­mäs­sig­keit in­des eben­so be­ach­ten wie bei sei­nem üb­ri­gen Staats­han­deln. Dies be­deu­tet vor al­lem, dass ei­ne Lohn­kür­zung nur dann ge­recht­fer­tigt ist, wenn sie in ver­gleich­ba­ren Fäl­len in glei­cher Hö­he an­ge­ord­net wird.

Spe­zi­al­fall: Kür­zung der Lohn­fort­zah­lung. Als Prä­ven­ti­v­in­stru­ment wird die Kür­zung der Lohn­fort­zah­lung zum Bei­spiel im kan­to­na­len Per­so­nal­recht von Zü­rich häu­fig und er­folg­reich ein­ge­setzt. Nach die­sem In­stru­ment kann die Lohn­fort­zah­lung bei Ar­beits­un­fä­hig­keit (und nur bei Ar­beits­un­fä­hig­keit) ge­kürzt wer­den, wenn der Mit­ar­bei­ter sei­ne Mit­wir­kungs­pflich­ten ver­letzt, et­wa wenn er sei­ne Ar­beits­un­fä­hig­keits­zeug­nis­se re­gel­mäs­sig zu spät bzw. gar nicht ein­reicht, wenn er ei­ne ver­trau­ens­ärzt­li­che Un­ter­su­chung ver­wei­gert und der­glei­chen (§ 103 Voll­zugs­ver­ord­nung zum Per­so­nal­ge­setz des Kan­tons Zü­rich). Die­se Art der «Be­stra­fung» ist aber Aus­druck der Scha­den­min­de­rungs­pflicht im Be­reich der So­zi­al­ver­si­che­run­gen und nicht Teil ei­nes Bus­sen­ka­ta­logs oder Sanktionsregimes.

Über den Autor/die Autorin

Mirjam Barmet

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