Probezeitkündigung im öffentlichen Recht – Risiko für Nasenentscheide

Die Vor­aus­set­zun­gen für Kün­di­gun­gen bei öf­fent­lich-recht­li­chen An­stel­lungs­ver­hält­nis­sen sind wäh­rend der Pro­be­zeit be­kannt­lich tie­fer als da­nach. Ein Ur­teil des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts vom 2. Au­gust 2023 zeigt nun in ein­drück­lich deut­li­chen Wor­ten wie tief die Vor­aus­set­zun­gen tat­säch­lich sind. Da­mit un­ter­schei­det sich die Pro­be­zeit­kün­di­gung im öf­fent­li­chen Recht im Grun­de kaum von der­je­ni­gen im Privatrecht.

Abs­tract: Die Pro­be­zeit ist ein Ar­beits­ver­hält­nis auf Pro­be, wes­halb es für die Pro­be­zeit­kün­di­gung kei­ne Rol­le spielt, ob die­se von der Ar­beit­neh­me­rin ver­schul­det ist, oder ob an­de­re Grün­de ei­ne rei­bungs­lo­se Zu­sam­men­ar­beit und ei­ne ef­fi­zi­en­te Ver­wal­tungs­tä­tig­keit in Fra­ge stel­len. Da­mit un­ter­schei­den sich die ma­te­ri­el­len Vor­aus­set­zun­gen der Pro­be­zeit­kün­di­gung zwi­schen dem öf­fent­li­chen und dem pri­va­ten Recht im Grun­de nicht (mehr).

Der Entscheid

Dem Ent­scheid BV­Ger A‑2634/2022 lag im We­sent­li­chen der fol­gen­de Sach­ver­halt zugrunde:

Am 15. Fe­bru­ar 2022 nahm die Ar­beit­neh­me­rin ih­re Be­schäf­ti­gung beim Bun­des­amt für Stras­sen (ASTRA) auf, wo­mit gleich­sam die drei­mo­na­ti­ge Pro­be­zeit be­gann. An­läss­lich des ers­ten Pro­be­zeit­ge­sprächs vom 24. März 2022 wur­de in der Pro­be­zeit­be­ur­tei­lung fest­ge­hal­ten, dass die zu be­ur­tei­len­de Zeit auf­grund von fe­ri­en­be­ding­ter Ab­we­sen­heit der Vor­ge­setz­ten und krank­heits­be­ding­ter Ab­we­sen­heit der Ar­beit­neh­me­rin sehr kurz aus­ge­fal­len sei. Am 1. April 2022 kam es zu ei­nem Vor­ge­setz­ten­wech­sel. Der neue Vor­ge­setz­te der Ar­beit­neh­me­rin er­teil­te die­ser am 13. April ei­ne Mah­nung, in wel­cher die Leis­tun­gen und das Ver­hal­ten der Ar­beit­neh­me­rin als man­gel­haft be­ur­teilt wur­den. Der Ar­beit­neh­me­rin wur­de ei­ne Frist bis zum 11. Mai 2022 ge­setzt, um ihr Ver­hal­ten und ih­re Leis­tung zu ver­bes­sern, an­dern­falls das Ar­beits­ver­hält­nis mit ihr auf­ge­löst würde.

In der Fol­ge kam es am 22. April 2022 zu ei­nem wei­te­ren Ge­spräch zwi­schen der Ar­beit­neh­me­rin und ih­rem Vor­ge­setz­ten, an­läss­lich wel­chem er­neut Leis­tungs­de­fi­zi­te mo­niert wur­den. Die Ar­beit­neh­me­rin wand­te sich dar­auf­hin in ei­ner Stel­lung­nah­me ans HR, wor­in sie aus­führ­te, ihr neu­er Vor­ge­setz­ter ha­be kei­nen Über­blick und kön­ne Ar­beits­an­wei­sun­gen nicht rich­tig le­sen, wo­durch ihr ein «ab­so­lu­ter Mehr­auf­wand» re­sul­tie­re. Am 6. Mai 2022 kam es zu ei­nem wei­te­ren Ge­spräch, in wel­chem er­neut auf die noch im­mer be­stehen­den Män­gel ein­ge­gan­gen wur­de. An­läss­lich ei­nes Ge­sprächs am 12. Mai 2022 wur­de der Ar­beit­neh­me­rin schliess­lich die Auf­lö­sung des Ar­beits­ver­hält­nis­ses in der Pro­be­zeit münd­lich mit­ge­teilt und es wur­de ihr im Rah­men der Ge­wäh­rung des recht­li­chen Ge­hörs die Mög­lich­keit ein­ge­räumt, bis am 16. Mai 2022 zum ent­spre­chen­den Ver­fü­gungs­ent­wurf Stel­lung zu neh­men. Nach­dem die Ar­beit­neh­me­rin von ih­rem recht­li­chen Ge­hör Ge­brauch ge­macht hat­te – u.a. führ­te sie aus, ihr Vor­ge­setz­ter sei sich sei­ner Auf­ga­ben nicht be­wusst, er ge­he nicht auf Mit­ar­bei­ter­an­lie­gen ein und kön­ne Team­sit­zun­gen nicht qua­li­fi­ziert füh­ren, sei­ne Kom­pe­ten­zen als Vor­ge­setz­ter sei­en zu be­zwei­feln – kün­dig­te das ASTRA die An­stel­lung in der Pro­be­zeit per 19. Mai 2022 auf des­sen Da­tum auch die Lohn­zah­lung be­en­det wurde.

Das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt hat­te im Rah­men des Be­schwer­de­ver­fah­rens ein­zig zu prü­fen, ob die Vor­aus­set­zun­gen der Kün­di­gung in der Pro­be­zeit er­füllt wa­ren; wei­te­re Be­geh­ren stell­te die Ar­beit­neh­me­rin nicht.

Zu­nächst er­in­ner­te das Ge­richt dar­an, dass das Bun­des­per­so­nal­recht kei­ne nä­he­ren An­ga­ben zu den Grün­den, aus wel­chen ein Ar­beits­ver­hält­nis wäh­rend der Pro­be­zeit auf­ge­löst wer­den kann, macht, wes­halb nebst der hier­zu be­reits er­gan­ge­nen Recht­spre­chung auch die Be­stim­mun­gen und die da­zu­ge­hö­ren­de Pra­xis des Ob­li­ga­tio­nen­rechts ein­schlä­gig sind (vgl. Art. 6 Abs. 2 BPG). Das Bun­des­per­so­nal­recht sieht vor, dass die Ar­beit­ge­be­rin das öf­fent­lich-recht­li­che Ar­beits­ver­hält­nis in der Bun­des­ver­wal­tung wäh­rend der Pro­be­zeit mit ei­ner Kün­di­gungs­frist von sie­ben Ta­gen aus sach­li­chen Grün­den, un­ter an­de­rem we­gen man­geln­der Eig­nung, Taug­lich­keit oder Be­reit­schaft, die im Ar­beits­ver­trag ver­ein­bar­te Ar­beit zu ver­rich­ten, or­dent­lich kün­di­gen kann.

Pro­be­zeit dient der Vor­be­rei­tung ei­ner auf Dau­er an­ge­leg­ten Rechtsbeziehung

Wei­ter hielt das Ge­richt fest, dass die Pro­be­zeit den Ver­trags­par­tei­en Ge­le­gen­heit ge­be, ei­ne auf Dau­er an­ge­leg­te Rechts­be­zie­hung durch ge­gen­sei­ti­ge Er­pro­bung vor­zu­be­rei­ten, wo­mit es sich um ei­ne lo­cke­re Ver­trags­bin­dung hal­te, die dar­auf aus­ge­legt sei, das Ar­beits­ver­hält­nis kurz­fris­tig auf­lö­sen zu kön­nen. Mit­hin wür­de die Ab­schluss­frei­heit wäh­rend der Pro­be­zeit nach­wir­ken, in­dem die Par­tei­en grund­sätz­lich den Ent­scheid über ei­ne lang­fris­ti­ge Bin­dung auf­grund der in der Pro­be­zeit ge­won­nen Er­kennt­nis­se frei tref­fen kön­nen. Das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt schliesst die­se Über­le­gun­gen mit der be­mer­kens­wer­ten Er­kennt­nis: «So­weit sich die Kün­di­gung an die­sem Zweck der Pro­be­zeit ori­en­tiert, ist al­lein dar­in, dass ihr et­was «Will­kür­li­ches» an­haf­tet, kein Rechts­miss­brauch zu er­bli­cken. Die zu­läs­si­ge «Will­kür» ent­spricht der Frei­heit der Par­tei­en, dar­über zu ent­schei­den, ob sie sich lang­fris­tig bin­den wol­len. Dass aber das Pro­be­zeit­ver­hält­nis kein rechts­lee­rer Raum dar­stel­le, ge­bie­te der Grund­satz von Treu und Glau­ben, wes­halb auch ei­ne Pro­be­zeit­kün­di­gung be­grün­det sein müs­se. Die Auf­lö­sung müs­se vom Be­trof­fe­nen nicht ver­schul­det sein und kann sich auch auf ob­jek­ti­ve Grün­de stüt­zen. Die be­grün­de­te Fest­stel­lung et­wa, dass der sich um ei­ne de­fi­ni­ti­ve An­stel­lung Be­wer­ben­de dem Stel­len­pro­fil nicht ent­spricht, rei­che aus. Das­sel­be gel­te, wenn aus per­sön­li­chen Grün­den ein für die vor­ge­se­he­ne Funk­ti­on un­be­dingt nö­ti­ges Ver­trau­ens­ver­hält­nis nicht auf­ge­baut wer­den kann oder auf­grund ob­jek­ti­ver An­halts­punk­te ei­ne rei­bungs­lo­se Zu­sam­men­ar­beit und ei­ne ef­fi­zi­en­te Ver­wal­tungs­tä­tig­keit künf­tig in Fra­ge ge­stellt er­schei­ne. Das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt kam vor­lie­gend des­halb zum Schluss, dass sich aus den Schil­de­run­gen der Par­tei­en schlies­sen las­se, dass ei­ne rei­bungs­lo­se Ar­beits­tä­tig­keit zwi­schen der Ar­beit­neh­me­rin und ih­rem Vor­ge­setz­ten aus­ser­halb des Mög­li­chen er­schei­ne, was nicht zu­letzt aus den Stel­lung­nah­men der Ar­beit­neh­me­rin selbst her­vor­ge­hen würde.

Wür­di­gung

Im Ent­scheid macht das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt mit den Ar­gu­men­ten der Be­schwer­de­füh­re­rin wort­wört­lich kur­zen Pro­zess, in­dem es ins­be­son­de­re auf Kri­tik an Män­geln in der Ar­beits­an­wei­sung des und Füh­rung durch den Vor­ge­setz­ten nicht ein­geht. Das geht des­halb, weil das Ar­beits­ver­hält­nis in der Pro­be­zeit tat­säch­lich ein Rechts­ver­hält­nis auf Pro­be ist. (Zur Pro­be­zeit­kün­di­gung ge­ne­rell vgl. den Bei­trag Wis­sens­wer­tes zur Pro­be­zeit). Un­ab­hän­gig da­von, ob Pro­be oder nicht, das Ar­beits­ver­hält­nis ist ein öf­fent­lich-recht­li­ches, was be­deu­tet, dass das ASTRA an die ver­wal­tungs­recht­li­chen Grund­sät­ze ge­bun­den ist. Die Aus­sa­ge des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts, dass es hier so et­was wie zu­läs­si­ge Will­kür ge­ben soll, ist des­halb mit gros­ser Vor­sicht zu ge­nies­sen. Tat­säch­lich sieht auch das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt für Will­kür zu recht kei­nen Platz, ver­langt es doch auch für die Pro­be­zeit­kün­di­gung das Vor­lie­gen ei­nes sach­li­chen Grun­des. Ein sach­li­cher Grund schliesst Will­kür in­des aus. Viel­mehr scheint das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt mit der von ihm selbst in An­füh­rungs­zei­chen ge­setz­ten «Will­kür» dar­auf hin­aus zu wol­len, dass ei­ne nicht pri­mär in der Leis­tung oder im Ver­hal­ten be­grün­de­te Kün­di­gung wäh­rend der Pro­be­zeit zu­läs­sig sei, näm­lich dann, wenn ei­ne rei­bungs­lo­se Zu­sam­men­ar­beit bzw. ei­ne ef­fi­zi­en­te Ver­wal­tungs­tä­tig­keit in Fra­ge ge­stellt sind. Das kann mit­un­ter eben auch dann der Fall sein, wenn es mensch­lich zu Frik­tio­nen kommt.

Es ist weit­ge­hend un­er­heb­lich, wer für die Schwie­rig­kei­ten in der Zu­sam­men­ar­beit die Schuld trägt.

Nach Ab­lauf der Pro­be­zeit ist ins­be­son­de­re in Punk­to Zu­sam­men­ar­beit der Fra­ge nach ei­ner Ver­bes­se­rung der­sel­ben auf den Grund zu ge­hen. Oder an­ders ge­wen­det: wäh­rend der Pro­be­zeit ist es weit­ge­hend un­er­heb­lich, wer für die Schwie­rig­kei­ten in der Zu­sam­men­ar­beit ver­ant­wort­lich ist, wäh­rend nach Ab­lauf der Pro­be­zeit die­ser Fra­ge im öf­fent­lich-recht­li­chen An­stel­lungs­ver­hält­nis ent­schei­den­de Be­deu­tung zu­kommt. Da­mit un­ter­schei­det sich die Pro­be­zeit­kün­di­gung im öf­fent­lich-recht­li­chen An­stel­lungs­ver­hält­nis von der Pro­be­zeit­kün­di­gung im Pri­vat­recht in ma­te­ri­el­ler Hin­sicht im Grun­de kaum. Ein­zig in pro­zes­sua­ler Hin­sicht, ins­be­son­de­re mit Be­zug auf die Ge­wäh­rung des recht­li­chen Ge­hörs, sind Un­ter­schie­de aus­zu­ma­chen, de­ren Be­deu­tung in­des nicht über­schätzt wer­den soll­ten. Das Recht, an­ge­hört zu wer­den vor dem Kün­di­gungs­ent­scheid, ver­mag nicht viel aus­zu­rich­ten, wenn der Kün­di­gungs­ent­scheid selbst dar­auf ba­siert, dass ei­ner rei­bungs­lo­sen Zu­sam­men­ar­beit kei­ne gros­sen Er­folgs­chan­cen ein­ge­räumt wer­den. Hier liegt gleich­sam ein Ein­falls­tor für Na­sen­ent­schei­de; Kün­di­gun­gen, die sich nicht nur nicht auf die Leis­tung oder das Ver­hal­ten des Ar­beit­neh­men­den stüt­zen son­dern dar­über hin­aus auch sonst kei­nen sach­li­chen Grund er­ken­nen las­sen. Ei­ne rei­bungs­lo­se Zu­sam­men­ar­beit ist schliess­lich auch dann nicht ge­währ­leis­tet, wenn sich die vor­ge­setz­te Per­son mit dem Mit­ar­bei­ten­den ein­fach nicht wohl fühlt, bzw. eben wenn ihr ein­fach des­sen Na­se nicht passt, wie es je­weils heisst.

Den­noch ist die Hal­tung des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts rich­tig und die Deut­lich­keit des Ur­teils wich­tig; ge­ra­de weil nach Ab­lauf der Pro­be­zeit die Hür­den für ei­ne Kün­di­gung im öf­fent­li­chen Recht ver­gleichs­wei­se hoch sind, müs­sen sie in der Pro­be­zeit tief blei­ben, um die be­rühmt-be­rüch­tig­ten Schre­cken oh­ne En­de zu ver­mei­den. An der Vor­aus­set­zung der sach­li­chen Be­grün­det­heit ei­ner je­den Kün­di­gung im öf­fent­lich-recht­li­chen An­stel­lungs­ver­hält­nis än­dert dies in­des nichts.

Über den Autor/die Autorin

Mirjam Barmet

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