Der Herbst beginnt, Corona bleibt. Grippewelle und Herbstferien stehen vor der Tür. Nachdem sich die Situation im späten Frühling etwas beruhigt bzw. eingependelt hatte, stellen sich wieder neue Fragen, seit die Mitarbeitenden aus dem Home-Office zurückkehren. Isolation und Quarantäne sind noch immer schwer zu fassende Begriffe und auch was denn nun für besonders gefährdete Personen gilt, ist häufig nicht klar. Mit den bevorstehenden Herbstferien und einer ersten wahrscheinlichen Grippewelle im Spätherbst wird es noch unübersichtlicher. Dieser Beitrag soll Abhilfe schaffen.
Abstract: Für besonders gefährdete Personen besteht kein weitergehender Schutz als für alle andere Mitarbeitenden und nur in besonderen Fällen kann die Arbeit vor Ort verweigert werden. Wenn die Empfehlungen des Bundes im Zusammenhang mit dem Coronavirus betreffend Hygiene und sozialer Distanz nicht sichergestellt oder keine genügenden Massnahmen nach dem STOP-Prinzip ergriffen werden können, haben Schwangere Anspruch auf 80 % des Lohnes, wenn sie aufgrund der Situation nicht vor Ort arbeiten können und ihnen keine Ersatzarbeit angeboten werden kann. Sowohl während der Isolation als auch während der Quarantäne besteht Anspruch auf Lohn, es sei denn, die Quarantäne sei selbstverschuldet.
Corona und Grippe, Isolation und Quarantäne
Mit langsamem Aufkommen der Grippesaison, dürfte sich die Zahl der Mitarbeitenden vergrössern, die an einem oder mehreren Symptomen (die häufigsten Symptome sind Symptome einer akuten Atemwegserkrankung, Fieber und der plötzliche Verlust des Geruchs- und/oder Geschmackssinns) von Corona leiden. Nicht in jedem Fall handelt es sich auch tatsächlich um Corona. Die Unterscheidung, wer an was leidet, kann von Laien nicht getroffen werden. Eine eher vorsichtige Haltung ist mindestens im Moment noch angezeigt. Was schon immer galt, gilt in Zeiten der Corona-Pandemie ganz besonders: Mitarbeitende mit Erkältungs- und Grippesymptomen sollen zu ihrem Schutz und zum Schutz ihrer Kolleginnen und Kollegen zuhause bleiben.
Was schon immer galt, gilt nun ganz besonders: kranke Mitarbeitende bleiben zu Hause.
Dadurch kann sichergestellt werden, dass das Risiko eines innerbetrieblichen Superspreaders deutlich verringert wird. Das bedeutet aber auch, dass einige Mitarbeitende zu Hause bleiben, die sich eigentlich gar nicht so richtig krank fühlen. Das Bundesamt für Gesundheit empfiehlt schon bei leichten Symptomen folgendes Vorgehen:
- Kontaktreduktion (Isolation)
- Online-Test, ob Coronatest empfohlen wird (Coronavirus-Check auf BAG Homepage)
- Testen (je nach Empfehlung)
- Bis zum Testergebnis zu Hause bleiben.
Isolation. Voller Lohn. Ist das Testergebnis positiv, hat sich die Person in Isolation zu begeben bzw. hat sie in Isolation zu bleiben (mindestens zehn Tage seit Beginn der Symptome). Ist das Testergebnis negativ, kann die Isolation 24 Stunden nach Abklingen der Symptome beendet werden. Wenn sich die Mitarbeitenden trotz Symptomen arbeitsfähig fühlen und ihre Arbeit auch im Home-Office leisten können, handelt es sich um normale Arbeitszeit und der volle Lohn ist geschuldet. Kann die Arbeit aus gesundheitlichen Gründen nicht geleistet werden, besteht eine unverschuldete Arbeitsunfähigkeit gemäss Art. 324a OR und es ist Lohn geschuldet. Fühlen sich die Mitarbeitenden zwar arbeitsfähig, können ihre Arbeit aber nicht im Home-Office leisten (z.B. Strassenbauarbeiterin) besteht aus Sicht des Autors ebenfalls Anspruch auf Lohn gemäss Art. 324a OR.
Quarantäne. Verschulden entscheidend. Hatten Mitarbeitende engen Kontakt mit einer an Corona erkrankten Person, müssen sie in Quarantäne. Bestand hingegen kein enger Kontakt können die Mitarbeitenden gemäss Bundesamt für Gesundheit weiterarbeiten, wenn möglich im Home-Office. Die zuständige kantonale Stelle wird sich mit den Mitarbeitenden in Verbindung setzen. Während der angeordneten Quarantäne wegen engen Kontakts mit einer an Corona erkrankten Person besteht Anspruch auf Ersatz des Erwerbsausfalls (maximal zehn Taggelder). Generell gilt, dass die Entschädigung an die Arbeitgeberin geht, wenn der Lohn weiterhin bezahlt wird. Ist dies nicht der Fall, geht die Entschädigung direkt an die Mitarbeitenden. In beiden Fällen wird der Antrag in der Regel von den Mitarbeitenden eingereicht. Diese Bestimmung aus der COVID-19-Verordnung Erwerbsausfall, welche ursprünglich nur bis zum 16. September 2020 Gültigkeit hatte, wurde vor kurzem verlängert.
Mitarbeitende, die nach der Rückkehr aus einem Risikogebiet unter Quarantäne gestellt werden, haben keinen Anspruch auf Ersatz des Erwerbsausfalls, da sie die Quarantäne selber verschuldet haben. Eine Ausnahme besteht für die Rückkehr aus einem Land, welches zum Zeitpunkt der Abreise (nicht der Reiseplanung) noch nicht auf der Liste war. In diesen Fällen gilt die Quarantäne als unverschuldet. In beiden Fällen ist es möglich, dass die Mitarbeitenden ihre Arbeit auch im Home-Office leisten können. Wenn dies der Fall ist, handelt es sich um normale Arbeitszeit und der volle Lohn ist für die Arbeit geschuldet.
Kinderbetreuung begründet Anspruch. Für Eltern besteht nach wie vor die Möglichkeit, dass die Fremdbetreuung der Kinder ausfällt, z.B. durch eine Schliessung der Schule, des Kindergartens oder durch Quarantäne, und sie deshalb ihre Erwerbstätigkeit unterbrechen müssen (siehe hierzu den Beitrag Home-Office und Kinderbetreuung, Anspruch auf Entschädigung). Auch in diesem Fall besteht nach dem 16. September 2020 weiterhin Anspruch auf Erwerbsersatz. Die Arbeitgeberin muss den Mitarbeitenden die entsprechende Zeit zur Verfügung stellen.
Herbstferien
Rechte der Arbeitgeberin. Was kann die Arbeitgeberin unternehmen, um ihre Mitarbeitenden vor unliebsamen Quarantänen zu bewahren? Was sicher nicht möglich ist, ist das generelle Verbot in gewissen Ländern Ferien zu machen. Allerdings wird der Zeitpunkt der Ferien grundsätzlich durch die Arbeitgeberin festgelegt (Art. 329a Abs. 2 OR), weshalb indirekt durchaus auf die Ferien bzw. deren Zeitpunkt Einfluss genommen werden kann. Dabei ist aber eine Vorankündigungsfrist von zwei bis drei Monaten zu beachten. Aus Sicht des Autors ist es auf jeden Fall möglich, Empfehlungen abzugeben. Zum Beispiel kann den Mitarbeitenden empfohlen werden, sich über die Liste der Risikogebiete zu informieren und keine Reise in Risikogebiete anzutreten. Es steht dem Arbeitgeber selbstverständlich frei, sich an allfälligen Umbuchungsgebühren zu beteiligen. Ordnet er kurzfristig die Umbuchung an bzw. verbietet er kurzfristig den Ferienbezug, ohne dass das betreffende Reiseziel auf der Quarantäneliste wäre, so muss er der Arbeitnehmerin den entstandenen Schaden ersetzen. Weiter ist es aus Sicht des Autors möglich, die Mitarbeitenden zu fragen, wo sie ihre Ferien verbringen. Das Interesse des Arbeitgebers, die übrigen Mitarbeitenden zu schützen und seinen Betrieb zu organisieren, überwiegt dabei die Interessen des einzelnen Mitarbeiters, seine Ferienpläne für sich zu behalten.
Krankheit während der Ferien. Krankheits- oder unfallbedingte Beeinträchtigungen in einem einigermassen erheblichen Ausmass führen – unabhängig von Corona – bei Nachweis durch entsprechendes Arztzeugnis dazu, dass die Ferientage nachbezogen werden können. Details hierzu können im Beitrag der ferienfähige Kranke nachgelesen werden.
Besonders gefährdete Personen
Generell. Der Bund hat seit Aufhebung der Covid-Verordnung 2 im Juni 2020 für die besonders gefährdeten Personen keinen weitergehenden Schutz mehr vorgesehen. Es gilt also wie für alle anderen Mitarbeitenden Art. 6 Arbeitsgesetz zum Gesundheitsschutz, der besagt, dass der Arbeitgeber verpflichtet ist, zum Schutze der Gesundheit der Arbeitnehmenden alle Massnahmen zu treffen, die nach der Erfahrung notwendig, nach dem Stand der Technik anwendbar und den Verhältnissen des Betriebes angemessen sind.
Gestützt auf Art. 6 Arbeitsgesetz hat die Arbeitgeberin somit auch in Bezug auf Corona dafür zu sorgen, dass mit geeigneten organisatorischen und technischen Massnahmen die Einhaltung der Empfehlungen des Bundes betreffend Hygiene und sozialer Distanz sichergestellt werden können. Kann insbesondere der empfohlene Abstand nicht eingehalten werden, sind Massnahmen gemäss dem STOP Prinzip (Substitution, technische und organisatorische Massnahmen, persönliche Schutzausrüstung) zu treffen. Beispiele dafür sind gemäss Bundesamt für Gesundheit die Arbeit im Home-Office, die physische Abtrennung von Arbeitsplätzen oder das Tragen von Gesichtsmasken.
Können die genannten Vorgaben des Bundes nicht eingehalten werden und ist Home-Office oder die Zuweisung von anderen Arbeiten nicht möglich, müssen auch besonders gefährdete Personen trotzdem vor Ort arbeiten. Ein Nichterscheinen würde eine unerlaubte Arbeitsverweigerung bedeuten, welche die Arbeitgeberin grundsätzlich zu einer Kündigung berechtigen würde (sowohl im privaten Arbeitsrecht als auch im öffentlichen Personalrecht). Erfolgt das Nichterscheinen gestützt auf ein ärztliches Zeugnis, ist dieses genau zu prüfen. Allein die Eigenschaft als besonders gefährdete Person rechtfertigt keine Abwesenheit. Die Gesundheit der Mitarbeitenden muss in einem ausserordentlichen Mass gefährdet sein, damit eine Arbeitsverweigerung gerechtfertigt ist. Ob eine solche gerechtfertigte Abwesenheit dann zu einer Lohnzahlung berechtigt, ist nicht klar und derzeit Gegenstand von Gerichtsverfahren.
Schwangere im Besonderen. Seit dem 5. August 2020 zählen Schwangere ebenfalls zu den besonders gefährdeten Personen. Zusätzlich zu Art. 6 gelten für Schwangere noch Art. 35f. Arbeitsgesetz, welche einen besonderen Schutz vorsehen; beschwerliche und gefährliche Arbeiten sind verboten. Können die Empfehlungen des Bundes im Zusammenhang mit dem Coronavirus betreffend Hygiene und sozialer Distanz sichergestellt oder können genügende Massnahmen nach dem STOP-Prinzip ergriffen werden, handelt es sich nicht um gefährliche Arbeiten. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass es sich um gefährliche Arbeiten im Sinne von Art. 35 Abs. 2 Arbeitsgesetz handelt, wenn die Empfehlungen des Bundes im Zusammenhang mit dem Coronavirus betreffend Hygiene und sozialer Distanz nicht sichergestellt oder keine genügenden Massnahmen nach dem STOP-Prinzip ergriffen werden können. In diesem Fall haben Schwangere Anspruch auf 80 % des Lohnes, wenn sie aufgrund der Situation nicht vor Ort arbeiten können und ihnen keine Ersatzarbeit angeboten werden kann (vgl. Art. 35 Abs. 3 Arbeitsgesetz, welcher sowohl für private als auch öffentlich-rechtliche Arbeitgeber gilt).